Er schaute über seine Schulter zurück.
Die Jacht des deutschen Pärchens lag zu weit entfernt, als dass er sie ansprechen und fragen könnte, ob sie irgendjemanden in der Nähe des Bootes bemerkt hatten, der ihnen verdächtig vorgekommen war.
Allerdings hätten sie ihm bestimmt sofort davon erzählt, als er an ihnen vorbeigegangen war. So etwas machten Bootsbesitzer nämlich. Man verbringt seine Zeit damit, sich von Hafen zu Hafen treiben zu lassen, von Marina zu Marina, und musste dabei oftmals gefährliche Gewässer durchfahren, weshalb passte man aufeinander auf.
Er hatte gerade damit begonnen, sein Dingi zum Einsteigen näher an den Steg heranzuziehen, als ein einzelner weißer Blitz quer durch das Steuerhaus seines Bootes schoss.
Dan warf sich sofort zu Boden, während die Luft um ihn herum in Richtung der Explosion gesaugt wurde, unmittelbar bevor die folgenden Flammen allen verfügbaren Sauerstoff verschlangen und einen tosenden Feuerball ausspien.
Er spürte, wie die Druckwelle über seinen Körper hinwegfegte, und schützte seinen Kopf hastig mit seinen Armen.
Als das Brüllen der Explosion langsam verklang, ging ein Regen aus Holzsplittern und Glasfiberbrocken auf den Steg nieder, der allerdings direkt danach vom tückischen Prasseln der Flammen abgelöst wurde.
Dan hob vorsichtig den Kopf, zog ihn aber sofort wieder ein, als eine zweite Explosion durch die Treibstofftanks fegte.
Scheiße!
Er ging in die Hocke und nachdem er befriedigt festgestellt hatte, dass er sich nichts gebrochen hatte, stand er mit zitternden Knien auf und sah sich den Schaden genauer an.
Es dauerte allerdings nicht lange.
Innerhalb einer Minute begannen die immer noch brennenden Überreste des Bootes, das er einst von seinem Vater geerbt hatte, unter der Wasseroberfläche zu verschwinden.
Als das Klingeln in seinen Ohren ein wenig abgeklungen war, nahm er das Geräusch rennender Füße wahr.
Kampfbereit drehte er sich blitzschnell um, doch dann bemerkte er, dass es lediglich die anderen Bootsbesitzer aus dem Hafen waren, die mit besorgten Gesichtern auf ihn zu gerannt kamen.
Er ließ seine Pistole unauffällig im Hosenbund verschwinden und zerrte sein T-Shirt darüber.
»Dan. Oh mein Gott.« Der Deutsche fuhr sich mit einem betroffenen Gesichtsausdruck durch die Haare, während er auf die qualmenden Überreste des Bootes im Wasser starrte. »Geht es dir gut?«
»Ich bin okay. Danke, Markus.«
»Du bist doch versichert, oder?«
»Ich denke schon«, antwortete Dan, runzelte dann aber die Stirn, als er nachzurechnen versuchte, ob seine Versicherungspolice während seiner Abwesenheit aus dem Vereinigten Königreich vielleicht erloschen sein könnte. »Vielleicht.«
Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich eine kleine Menge um ihn herum versammelt, die trotz aller nachdrücklichen Versuche, sie wieder in die relative Sicherheit ihrer eigenen Boote zurückzutreiben, darauf bestand, ihm Ratschläge zu erteilen und ihm Trost zu spenden, sowie im Fall einer reichen amerikanischen Witwe, ihm ein Dach über dem Kopf anzubieten … sogar mit Zusatzleistungen.
Als sein Telefon klingelte, nahm er den Anruf deshalb beinahe erleichtert entgegen und entschuldigte sich bei der Menge.
Er ging ein paar Schritte in Richtung des Hafenmeisterbüros zurück.
»Hallo?«
»Bist du in Ordnung?«, fragte David mit besorgter Stimme.
Dan schluckte die erste Antwort, die ihm in den Sinn kam, herunter und nahm stattdessen einen beruhigenden Atemzug, bevor er sagte:
»Abgesehen davon, dass ich gerade den liebsten Teil meiner Erbschaft verloren habe? Ja, mir geht es gut. Woher wisst ihr überhaupt davon?«
»Feed via Satelliten«, antwortete Mel.
Dan drehte sich um und starrte auf das qualmende Durcheinander, das einmal sein Zuhause gewesen war. »Da gibt es wirklich nettere Arten, mich zur Heimkehr zu bewegen und dafür zu sorgen, dass ich wieder für dich arbeite, David.«
»Das waren wir nicht«, antwortete David. »Gibt es vielleicht sonst noch jemanden, den du verarscht hast? Mal abgesehen von der britischen Regierung?«
»Wo soll ich da nur anfangen?«, antwortete Dan, und wusste, dass der Sarkasmus in seiner Stimme David dort erreichen würde, wo auch immer er dieses Mal sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
»Okay«, sagte David, »da du ja jetzt obdachlos bist, möchtest du mein Angebot vielleicht noch einmal überdenken?«
»Du verschwendest wirklich keine Zeit, oder?« Dans Blick blieb an der reichen Amerikanerin hängen, die gerade mit dem Finger auf ihn zeigte, ihre Sonnenbrille herunterschob und dann eine Augenbraue hochzog.
Dan schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben, der gerade seinen gesunden Menschenverstand zu verwirren drohte, und begann mit staksenden Schritten den Steg entlangzugehen, weg von dem Desaster, das einmal sein Boot gewesen war. Er nahm seine Sonnenbrille ab und rieb sich die Augen, dann setzte er die Brille wieder auf, wechselte das Telefon in die andere Hand und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar.
»Warum ich, David? Warum jetzt?«
Der andere Mann machte eine kurze Pause und die Stille schien sich über die ganzen Meilen auszudehnen, die zwischen ihnen lagen, bis er schließlich wieder sprach.
»General Collins’ Tochter wird in der von Marokko besetzten Westsahara vermisst.«
»Anna?«
Dan hatte Anna zuletzt vor einigen Jahren gesehen, als diese ihr Abschlussjahr an der Universität von Arizona begonnen hatte. Er erinnerte sich noch gut an die junge, langbeinige Blondine, der es praktisch vorherbestimmt gewesen war, die Herzen ihrer gesamten männlichen Kommilitonen zu brechen.
»Wie … wie geht es dem General?«, fragte er gepresst.
»Er ist mit seiner Weisheit am Ende«, antwortete David. »Angesichts der Art von Freunden, die er hat, und der Menge an Feuerkraft, die ihm zur Verfügung steht, kannst du dir wahrscheinlich selbst ausmalen, warum die Regierung Ihrer Majestät bestrebt ist, zu verhindern, dass er direkt an einer Such- und Rettungsaktion beteiligt ist.«
»Zur Hölle, ja.«
Der General leitete ein hervorragend organisiertes und äußerst leistungsfähiges Team von privaten militärischen Auftragnehmern. Dan hatte keine Ahnung, was David und seine Kollegen dem General versprochen haben könnten, um zu verhindern, dass dieser voller Angriffslust in Afrika auftauchte, aber lange würde es bestimmt nicht so bleiben.
»Weiß er, dass du mit mir redest?«, fragte Dan.
»Du warst sogar seine Idee«, antwortete David trocken. »Eigentlich warst du sogar mehr sein Ultimatum«, fügte er hinzu. » Schafft Dan Taylor dorthin oder ich gehe selbst – ich schätze mal, du verstehst.«
»In Ordnung«, sagte Dan. »Dann lass uns reden.«
»Triff uns in zwanzig Minuten im Argan Hotel«, erwiderte David.
»Ich werde da sein.«
»Großartig«, sagte Mel. »Soll ich schon mal den Wasserkocher anmachen?«
»Sehr komisch.« Dan beendete den Anruf und drängte sich an der kleinen Gruppe von Leuten vorbei, die noch immer auf den Liegeplatz seines Bootes zusteuerten.
Aus der Ferne erklang jetzt das verloren klingende Sirenengeheul des einzigen Feuerwehrfahrzeugs der Stadt.
Ein Mann, den seine Kleidung und die sonnenverbrannte faltige Haut als Einheimischen auswies, hielt seine Hand in die Höhe und stoppte Dan auf seinem Weg.
»Wo ist der Engländer?«
»Das bin ich«, antwortete Dan alarmiert.
Der Mann grinste und hielt ihm einen Karton entgegen.
»Neue Kraftstoffpumpe.« Er strahlte und hielt Dan ein Klemmbrett und einen Stift hin. »Einhundert Dollar, bei Lieferung. Unterschreiben Sie hier.«
Dan blinzelte den Kurier fassungslos an und blickte dann über seine Schulter zum anderen Ende des Steges, wo gerade der letzte Rest seines Bootes in den Wellen versank.
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