In der westlichen Landeshälfte hatte eine extreme Realteilung 25zu Besitzzersplitterung geführt, die es den Familien fast unmöglich machte, sich vom eigenen Grund und Boden zu ernähren. Das Einkommen besserte man sich durch Tagwerk, Saisonarbeit, Wanderhandel, in den nahe an der Schweizer Grenze gelegenen Dörfern auch durch Schmuggeln auf 26. Überzählige Arbeitskräfte suchten sich anderswo, auch außerhalb des Tales, Arbeit. Es gab wenig erwachsene Dienstboten, da die Arbeit auf Grund der geringen Hofgröße in der Regel von den Familienmitgliedern erledigt werden konnte. Waren keine eigenen oder nur kleine Kinder da, holte man sich in den Sommermonaten Kinder von anderen Bauern oder hielt ganzjährig „Kostkinder“.
Dass viele Familien in diesen Gebieten ständig ums Überleben kämpfen mussten, schildern eindringlich Frauen aus dem oberen Vinschgau. „Da wo der Bettelmann still Wache gestanden ist“ und da, wo er „af dr Lottr umkeahrt isch, da sind wir daheim gewesen“ . So beschreibt Helena Blaas aus St. Valentin ihre Herkunft. Maria Ortler aus Prad drückt es folgendermaßen aus: „Es hat zu der Zeit Arme gegeben und weniger Arme. Wir waren nicht die Ärmsten, aber wir waren trotzdem arm, arm wie alle.“ Die Familien lebten hier auf engstem Raum. Infolge der Realteilung wurden nicht nur die Felder zerstückelt, sondern auch die Häuser aufgeteilt. In Prad lebten um 1885 in dreizehn zumeist einstöckigen Häusern 42 Parteien, 1902 waren es vierzig Parteien in 26 Wohnungen. 27Auf dem abgelegenen Hof Wartamstein oberhalb von Agums, wo Josefa Brunner aufwuchs, teilten sich zwei Parteien nicht nur den Hof, sondern auch die Küche, die Grenze verlief mitten durch den Herd.
Der ohnehin nur geringe Anteil der deutsch- und ladinischsprachigen Beamten nahm während der Zeit des italienischen Faschismus weiter ab, an ihre Stelle traten italienische Beamte. 28Der Vater von Hanni Kostner aus Bruneck, er war vor dem Krieg österreichischer Bahnangestellter gewesen, wurde nach Piacenza versetzt. Auch viele Lehrer mussten eine Versetzung in die altitalienischen Provinzen hinnehmen, um ihre Arbeit nicht zu verlieren. In der Regel waren Lehrer und Beamte nicht besonders begütert.
Beruf des Vaters und Anzahl der Kinder in der Familie
Name |
Beruf des Vaters |
Kinder |
Mathilde Andergassen |
Bauer, im Krieg gefallen |
7 |
Rosa Asper |
Bauer und Bergführer |
14 |
Antonia Auer |
Kleinbauer |
16 |
Helena und Klara Blaas |
Bauer |
7 |
Maria Blaas |
Kleinbauer und Portier in der Schweiz |
7 |
Josefa Brunner |
Bergbauer |
7 |
Karolina Ebner* |
Weinbauer |
6 |
Anna Egger |
Eisenbahner |
8 |
Anna Ennemoser |
Großbauer |
6 |
Maria Erlacher |
Kleinbauer |
8 |
Herma Felderer * |
früh verstorben |
8 |
Barbara Foppa |
Tischler bei der Eisenbahn, verstarb früh |
4 |
Anna Frank |
Kleinbauer |
9 |
Antonia Fuchs |
Schuster und Bäcker |
10 |
Edith Genta |
Kleinbauer, Tagwerker |
8 |
Maria Girardi |
Kleinbauer, Taglöhner |
18 |
Gius Schwestern |
Bauer, verschuldet |
4 |
Maria Elisabeth Gruber* |
Bauer |
4 |
Sofia Höchenberger |
Schuster |
2 |
Kaserer Schwestern* |
Pächter |
7 |
Rosa Kobler* |
Bauer, Müller und Sagmeister |
6 |
Hanni Kostner |
Bahnbeamter |
4 |
Irma Kuen |
Bahnbeamter, Maurer |
3 |
Luise Mader |
Gastbetrieb (Konkurs) |
4 |
Kreszenzia Mair* |
Bauer |
13 |
Anna Morandell* |
Bauer |
6 |
Rosa Moser |
Bergbauer |
14 |
Annamaria Mussner |
Bauer, Müller und Inhaber eines Geschäfts |
9 |
Ida Noggler* |
Bauer, Kriegsgefallener |
6 |
Paula Nössing |
Zimmermann und Sägewerkbesitzer |
3 |
Maria Ortler |
Bauer |
8 |
Anna Ortner |
Hotelbesitzer |
6 |
Pamer Schwestern |
Kleinbauer |
7 |
Marianna Parth |
Bauer |
5 |
Anna Pinggera |
Zimmermann (Winter), Hirt in der Schweiz |
9 |
Hilde Pinggera |
Zimmermann, dann Inhaber eines Geschäfts und Bauer |
6 |
Hedwig Platter |
Kleinbauer, früh verunglückt |
8 |
Amalie Ramoser |
Kleinbauer |
11 |
Lidwina Rungg* |
Kleinbauer und Gerber |
3 |
Rebekka Rungg |
Bauer |
6 |
Emma Sagmeister* |
Metzger, Fuhrunternehmer, Bauer |
11 |
Antonia Saurer* |
Bauer |
5 |
Maria Theresia Sauer* |
Kleinbauer und Tagwerker |
4 |
Rosa Stofner |
Bauer |
16 |
Maria Stolzlechner |
weichender Bauernsohn, Kutscher, Pächter |
8 |
Maria Straudi* |
Sattler |
12 |
Tappeiner Schwestern |
Bauer |
12 |
Anna Telfser |
Metzger, Kriegsinvalide |
3 |
Elisabeth Thöni |
Bergführer, im Krieg gefallen |
3 |
Tschenett Schwestern |
landwirtschaftlicher Arbeiter, früh verstorben |
6 |
Anna Unterthiner |
Kleinbauer, Bergwerksarbeiter |
13 |
Regina Walcher |
landwirtschaftlicher Arbeiter, später Inhaber eines Hofes |
12 |
Hedwig und Sofie Wallnöfer* |
Rädermacher und Kleinbauer |
14 |
Johanna und Schwestern Wallnöfer |
Bäcker, Fuhrunternehmer, früh verstorben |
7 |
Paula Wallnöfer |
Bäcker, Bauer |
6 |
Toni Wallnöfer |
Angestellter beim Forstamt, Bauer, Gelegenheitsarbeiter |
7 |
Josefine Wieser* |
Pächter |
9 |
Paula Wörndle |
zuerst Bäcker, dann Bauer |
3 |
Maria Wunderer |
Fuhrunternehmer, Bauer und Müller |
6 |
Elisabeth* und Schwestern Zischg |
Kleinbauer, im Krieg verstorben |
5 |
Sofia Höchenberger mit ihrem Bruder Franz, Lichtenberg/Prad 1931
Familie Kaserer, Afing 1910
Familie Mair vom Joggelehof in Videgg/Tall
Mutter von Emma Terza, St. Vigil/Enneberg
Familie Pinggera, Lichtenberg. Hilde, 3. von links
Читать дальше