Nicht umsonst hängt euch die Lippe herab: – ein kleiner Erden-Wunsch sitzt noch darauf! Und im Auge – schwimmt da nicht ein Wölkchen unvergessner Erden-Lust?
Es giebt auf Erden viel gute Erfindungen, die einen nützlich, die andern angenehm: derentwegen ist die Erde zu lieben.
Und mancherlei so gut Erfundenes giebt es da, dass es ist wie des Weibes Busen: nützlich zugleich und angenehm.
Ihr Welt-Müden aber! Ihr Erden-Faulen! Euch soll man mit Ruthen streichen! Mit Ruthenstreichen soll man euch wieder muntre Beine machen.
Denn: seid ihr nicht Kranke und verlebte Wichte, deren die Erde müde ist, so seid ihr schlaue Faulthiere oder naschhafte verkrochene Lust-Katzen. Und wollt ihr nicht wieder lustig laufen , so sollt ihr – dahinfahren!
An Unheilbaren soll man nicht Arzt sein wollen: also lehrt es Zarathustra: – so sollt ihr dahinfahren!
Aber es gehört mehr Muth dazu, ein Ende zu machen, als einen neuen Vers: das wissen alle Ärzte und Dichter. –
Oh meine Brüder, es giebt Tafeln, welche die Ermüdung, und Tafeln, welche die Faulheit schuf, die faulige: ob sie schon gleich reden, so wollen sie doch ungleich gehört sein. –
Seht hier diesen Verschmachtenden! Nur eine Spanne weit ist er noch von seinem Ziele, aber vor Müdigkeit hat er sich trotzig hier in den Staub gelegt: dieser Tapfere!
Vor Müdigkeit gähnt er Weg und Erde und Ziel und sich selber an: keinen Schritt will er noch weiter thun, – dieser Tapfere!
Nun glüht die Sonne auf ihn, und die Hunde lecken nach seinem Schweisse: aber er liegt da in seinem Trotze und will lieber verschmachten: –
– eine Spanne weit von seinem Ziele verschmachten! Wahrlich, ihr werdet ihn noch an den Haaren in seinen Himmel ziehen müssen, – diesen Helden!
Besser noch, ihr lasst ihn liegen, wohin er sich gelegt hat, dass der Schlaf ihm komme, der Tröster, mit kühlendem Rausche-Regen:
Lasst ihn liegen, bis er von selber wach wird, bis er von selber alle Müdigkeit widerruft und was Müdigkeit aus ihm lehrte!
Nur, meine Brüder, dass ihr die Hunde von ihm scheucht, die faulen Schleicher, und all das schwärmende Geschmeiss: –
– all das schwärmende Geschmeiss der »Gebildeten«, das sich am Schweisse jedes Helden – gütlich thut! –
Ich schliesse Kreise um mich und heilige Grenzen; immer Wenigere steigen mit mir auf immer höhere Berge, – ich baue ein Gebirge aus immer heiligeren Bergen. –
Wohin ihr aber auch mit mir steigen mögt, oh meine Brüder: seht zu, dass nicht ein Schmarotzer mit euch steige!
Schmarotzer: das ist ein Gewürm, ein kriechendes, geschmiegtes, das fett werden will an euren kranken wunden Winkeln.
Und das ist seine Kunst, dass er steigende Seelen erräth, wo sie müde sind: in euren Gram und Unmuth, in eure zarte Scham baut er sein ekles Nest.
Wo der Starke schwach, der Edle allzumild ist, – dahinein baut er sein ekles Nest: der Schmarotzer wohnt, wo der Grosse kleine wunde Winkel hat.
Was ist die höchste Art alles Seienden und was die geringste? Der Schmarotzer ist die geringste Art; wer aber höchster Art ist, der ernährt die meisten Schmarotzer.
Die Seele nämlich, welche die längste Leiter hat und am tiefsten hinunter kann: wie sollten nicht an der die meisten Schmarotzer sitzen? –
– die umfänglichste Seele, welche am weitesten in sich laufen und irren und schweifen kann; die nothwendigste, welche sich aus Lust in den Zufall stürzt: –
– die seiende Seele, welche in’s Werden taucht; die habende, welche in’s Wollen und Verlangen will : –
– die sich selber fliehende, die sich selber im weitesten Kreise einholt; die weiseste Seele, welcher die Narrheit am süssesten zuredet: –
– die sich selber liebendste, in der alle Dinge ihr Strömen und Wiederströmen und Ebbe und Fluth haben: – oh wie sollte die höchste Seele nicht die schlimmsten Schmarotzer haben?
Oh meine Brüder, bin ich denn grausam? Aber ich sage: was fällt, das soll man auch noch stossen!
Das Alles von Heute – das fällt, das verfällt: wer wollte es halten! Aber ich – ich will es noch stossen!
Kennt ihr die Wollust, die Steine in steile Tiefen rollt? – Diese Menschen von heute: seht sie doch, wie sie in meine Tiefen rollen!
Ein Vorspiel bin ich besserer Spieler, oh meine Brüder! Ein Beispiel! Thut nach meinem Beispiele!
Und wen ihr nicht fliegen lehrt, den lehrt mir – schneller fallen ! –
Ich liebe die Tapferen: aber es ist nicht genug, Hau-Degen sein, – man muss auch wissen Hau-schau- Wen !
Und oft ist mehr Tapferkeit darin, dass Einer an sich hält und vorübergeht: damit er sich dem würdigeren Feinde aufspare!
Ich sollt nur Feinde haben, die zu hassen sind, aber nicht Feinde zum Verachten: ihr müsst stolz auf euren Feind sein: also lehrte ich schon Ein Mal.
Dem würdigeren Feinde, oh meine Freunde, sollt ihr euch aufsparen: darum müsst ihr an Vielem vorübergehn, –
– sonderlich an vielem Gesindel, das euch in die Ohren lärmt von Volk und Völkern.
Haltet euer Auge rein von ihrem Für und Wider! Da giebt es viel Recht, viel Unrecht: wer da zusieht, wird zornig.
Dreinschaun, dreinhaun – das ist da Eins: darum geht weg in die Wälder und legt euer Schwert schlafen!
Geht eure Wege! Und lasst Volk und Völker die ihren gehn! – dunkle Wege wahrlich, auf denen auch nicht Eine Hoffnung mehr wetterleuchtet!
Mag da der Krämer herrschen, wo Alles, was noch glänzt – Krämer-Gold ist! Es ist die Zeit der Könige nicht mehr: was sich heute Volk heisst, verdient keine Könige.
Seht doch, wie diese Völker jetzt selber den Krämern gleich thun: sie lesen sich die kleinsten Vortheile noch aus jedem Kehricht!
Sie lauern einander auf, sie lauern einander Etwas ab, – das heissen sie »gute Nachbarschaft.« Oh selige ferne Zeit, wo ein Volk sich sagte: »ich will über Völker – Herr sein!«
Denn, meine Brüder: das Beste soll herrschen, das Beste will auch herrschen! Und wo die Lehre anders lautet, da – fehlt es am Besten.
Wenn Die – Brod umsonst hätten, wehe! Wonach würden Die schrein! Ihr Unterhalt – das ist ihre rechte Unterhaltung; und sie sollen es schwer haben!
Raubthiere sind es.- in ihrem »Arbeiten« – da ist auch noch Rauben, in ihrem »Verdienen« – da ist auch noch Überlisten! Darum sollen sie es schwer haben!
Bessere Raubthiere sollen sie also werden, feinere, klügere, menschen-ähnlichere : der Mensch nämlich ist das beste Raubthier.
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