So erlebte ich meine eigene, erste kurze Rückführung, die dem Workshop zum Leben und Tod vorangestellt war. Oh ja, es war wie eine Art Fernsehen, aber mit Gefühl und Geruch und interaktiver Teilnahme. Es war beides gleichzeitig: mitspielen und sich selbst von außen zusehen. Seitdem habe ich noch einige dieser Erfahrungen mit mir selbst und Welten und Leben in kurzen Flashbacks oder längeren Wachträumen erleben dürfen.
Als ich vor diesem Baum stand mit dem aufgehenden Licht, wusste ich, ich war zu Hause. Einfach nur noch eintreten und dann ist alles gut. Ein Gefühl, das noch viel intensiver war, als wenn man nach einem knirschenden Winterspaziergang, bei dem die Kälte sich schon in die Knochen bohrt, die Wohnungstür aufschließt mit einer großen Tasse heißen Kakaos vor Augen. Es war zusätzlich noch das warme und beglückende Wissen, dass alles, was man will und braucht, dort ist und nur darauf wartet, dass man eintritt. Natürlich weiß ich nicht, wie es dort aussieht und ob dort wirklich ein Baum steht. Vielleicht steht dort auch nur einer für mich, weil das eben meine eigene persönliche Allegorie ist, wie ich nach meiner letzten Inkarnation wieder ins Licht gegangen bin.
Was aber habe ich gesehen und wo bin ich gewesen, als ich als Seele des Fährmanns mein letztes Leben verlassen habe? Was waren die Vögel? Wer waren diese Gestalten, die ich in dem schwarzen Raum vorgefunden habe? Was war dieser schwarze Raum überhaupt? Erleben das alle so? Wenn ich mich daran zurück erinnern konnte, können alle anderen das auch? Meine Großmutter hatte von Licht gesprochen, kurz bevor sie starb, mein Großvater hingegen von Wasser. Erlebt jeder in diesem Moment etwas anderes?
Im Zusammenhang mit dem Tod gibt es Fragen über Fragen. Leider trauen sich nur die wenigsten, sich auch damit zu beschäftigen. Der Tod ist tabuisiert und wird beiseitegeschoben, so lange es geht. Trotz aller Bemühungen: Abschalten lassen sich die Gedanken nicht. Während des gesamten Lebens gibt es immer wieder Momente, die uns direkt oder indirekt mit dem Tod konfrontieren und zwingen, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen. Immer wieder beim Tod von Angehörigen, Haustieren, Nachbarn, bei Unglücken, über die in Zeitungen berichtet wird. Wenn wir es zulassen, macht es uns nachdenklich und wir sinnen darüber nach: Wie ist das Sterben wirklich? Kommt etwas danach, wie es viele Religionen und Mythen erzählen? Gibt es eine Reinkarnation? Gibt es mehr als ein Leben? Was passiert nach dem Tod? Wie ist das Leben – oder Sein – nach dem Tod? Wie schlimm ist Sterben? Was sind Seelen? Was ist Bewusstsein? Was sind Geister?
Fragen über Fragen und vermeintlich wenig konkrete Antworten.
Menschen, denen ein Blick ins Totenreich erlaubt war, gibt es seit Urzeiten. Schamanen, Heilern, Hohepriestern und Hellsehern wird diese Fähigkeit nachgesagt. In der heutigen Zeit heißen sie zudem Medien, Parapsychologen, mediale/geistige Heiler oder Lebensberater. Über alle wurde gerade in den letzten zweitausend Jahren viel Spott ausgeschüttet, von drastischeren Methoden wie Verbrennungen und Inquisitionen einmal abgesehen. Vor niemandem hatte die Menschheit aber auch so viel Respekt wie vor ihnen – positiv wie negativ.
Seit den 1980er Jahren erleben die alten Denkweisen und Lehren eine Renaissance. Neben frühen schriftlichen Quellen und einem neuen Verständnis dafür, erweisen sich z. B. Schamanen indigener Völker als Hüter der Schätze des alten Wissens. Erst seit jüngerer Zeit wird dieses Wissen gemäß den Beschlüssen der Ältesten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Immer mehr Informationen, immer mehr Wissen der Naturreligionen kommen wieder ans Licht. Alte Völker brechen erstmals ihr Schweigen, neue Beweise aus alten Zeiten tauchen auf und werden in viele Sprachen übersetzt. In unserem digitalen Zeitalter mit seinem vielfältigen Informationszugang sowie globalen Reisemöglichkeiten findet das Wissen, das vor Tausenden von Jahren an anderen Punkten der Erde Realität und Glaube war, eine breite Schicht dafür offener Menschen. Das alles schafft nicht nur Wissen, sondern auch Bewusstsein.
Ich selbst bin mit der Welt „des Schamanismus“ in Kontakt getreten, als ich die Möglichkeit hatte, einige Zeit bei einem Stamm der indigenen Völker Nordamerikas zu verbringen. Die Tohono O‘Odham leben in der Wüste Arizonas zwischen Tucson und Phoenix in kleineren Siedlungen. Ich war beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit sie mit der Natur und den Dingen des Lebens umgehen. Jetzt soll dieses Buch natürlich kein Plädoyer für die natürliche Lebensweise der „Natives“ werden, obgleich ich der Meinung bin, wir alle könnten uns davon nicht nur dünne Scheibchen abschneiden. Vielmehr möchte ich die Verständlichkeit reflektieren, die sie dem Tod von Lebewesen gegenüberbringen. Ich glaube, dass ich dort, ähnlich wie bei dem Tod meiner Mutter, wichtige Dinge ganz nebenbei gelernt habe.
„Ein jedes Lebewesen hat das Recht, seinen Tod in Ruhe und auf seine Art zu erleben“, ermahnte ein Stammesmitglied meinen kleinen Sohn, der sich über einen halbtoten Vogel beugte, um ihn genauer zu untersuchen. Liebevoll zog er ihn zur Seite, während er ihm beschrieb, dass der Vogel nunmehr in ein anderes Reich ginge, wo er ihn dereinst, wenn seine Zeit gekommen sei, wohl wiederfinden wür-de.
Auf meine Frage zum Thema Leben und Tod und Seelen und Geist, reichte man mir wortlos den ersten Band von Carlos Castanedas Erzählungen über Don Matus. Manche halten es für Belletristik. Mir erzählte man dort, man habe Castaneda gekannt. Er wäre in dieser Gegend unterwegs gewesen. Sie waren davon überzeugt, dass die Bücher des Anthropologen authentisch waren.
„Wenn Du einen Schamanen treffen willst, um eine Lösung für Deine Probleme zu erbitten“, sagte mir ein Freund auf meine Frage hin, „kann ich Dich gerne mit einem bekannt machen. Aber bedenke, was auch immer er machen wird, wird Auswirkungen auch auf Dein Leben haben. Alles ist Eins und hängt miteinander zusammen. Die Folgen treffen auch immer Dich.“
Ich entschied mich daraufhin, die Hilfe eines Schamanen nicht in Anspruch zu nehmen, und aus der Reaktion meines Freundes konnte ich sehen, dass es die richtige war.
Natürlich hat mich dieser Aufenthalt in meiner Neugier bestärkt, als ich wieder zurück in Europa war. Ich nahm sogar an einem Workshop über schamanisches Reisen teil. Veranstaltet von der Foundation for Shamanic Studies fand ich es unglaublich, wie einfach es war, von der Wirklichkeit in die „Nicht-Wirklichkeit“ abzugleiten und doch im Hier und Jetzt verankert zu bleiben.
Seit ich dies einmal gelernt habe, möchte ich die Technik in meinem Leben nicht mehr missen. Ich lege mir oft die Trommel-Musik auf und reise dazu in die Gefilde, in denen mein Krafttier auf mich wartet. Manchmal, weil ich eine Frage habe, manchmal aber auch einfach nur, um dort einen Bummel zu machen und mich an meiner persönlichen Quelle zu erfrischen. Manchmal reise ich in die oberen Welten und begegne dem Wesen, von dem ich glaube, es ist mein Höheres Selbst. Sie – ich glaube, es ist eine Sie, ihrem Gesicht und ihrer Kleidung nach zu urteilen, aber sie kann genauso gut auch geschlechtslos sein – ist immer für mich da und ich kann Probleme bei ihr abladen oder mit ihr besprechen.
Der guten Ordnung halber möchte ich hier darauf hinweisen, dass ich keinesfalls schamanische Fähigkeiten habe oder mich gar als Schamanin bezeichne. Ich habe gelernt, zur Trommel mental zu reisen, nicht mehr und nicht weniger. Eine Ausbildung ist sehr spezifisch und intensiv und dauert meines Wissens mit Sicherheit viele Jahre. Ich persönlich würde daher von „Wochenend-Schamanen“ und ihren Angeboten Abstand nehmen.
Im weiteren Verlauf des Buches werde ich auch von Bewusstseins- oder Traum Reisen sprechen, von denen ich auch einige gemeinsam mit einem Mental-Coach und Psychologen unternommen habe. Sie lesen die Geschichten, die ich auf meinem Weg, hinter die Kulissen zu blicken, erfahren, sehen oder mitunter sogar genießen durfte und woraus sich mein persönliches Weltbild über Leben, Tod, Geist, Seele, Bewusstsein und dem inkarnierten Mensch-Sein gebildet hat, das ich hier mit Ihnen teilen möchte.
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