Zum Glück brannte ich darauf, etwas aus mir zu machen (und hatte ehrlich gesagt schreckliche Angst, dass ich es zu nichts bringen würde). Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich vielleicht genauso wie meine Caddie-Kollegen nur danebengestanden und zugeschaut.
Zum ersten Mal lernte ich die unglaubliche Macht der Beziehungen durch Mrs. Pohland kennen. Caryl Pohlands Mann gehörte das große Holzlager in unserer Stadt. Ihr Sohn Brett war so alt wie ich und wir waren befreundet. Sie gingen in dieselbe Kirche wie wir. Ich glaube, ich wäre damals gern Brett gewesen (toller Sportler, reich, alle Mädchen liefen ihm nach).
Im Golfklub war ich Mrs. Pohlands Caddie. Ich war ironischerweise als Einziger darauf bedacht, ihre Zigaretten zu verstecken. Ich riss mir ein Bein aus, damit sie alle Turniere gewann. Am Morgen vor dem Turnier lief ich den Golf-Parcours ab, um zu sehen, wo die schwierigen Stellen waren, und prüfte, wie schnell man auf den Greens war. Mrs. Pohland sackte einen Sieg nach dem anderen ein. Ich machte meine Arbeit an allen „Ladies’ Days“ so gut, dass sie bei ihren Freundinnen mit mir prahlte. Schon bald forderten auch andere mich an.
Als Caddie schaffte ich 36 Löcher am Tag, wenn ich so viel Arbeit bekam, und ich behandelte den Obercaddie, als wäre er ein König. In meinem ersten Jahr gewann ich den Preis als bester Caddie und bekam dadurch die Chance, für Arnold Palmer als Caddie zu arbeiten, als er einmal vorbeikam und auf dem Golfplatz seiner Heimatstadt spielte. Arnie hatte selbst als Caddie im Latrobe Country Club angefangen und später gehörte ihm der Klub. Ich sah in ihm ein Vorbild. Er war der lebende Beweis dafür, dass Erfolg im Golf und im Leben nichts mit der Gesellschaftsschicht zu tun hat, aus der man stammt, sondern vielmehr mit Zugangsmöglichkeiten (ja, und in seinem Fall natürlich mit Talent). Manche Menschen bekamen den Zugang durch Geld oder Geburt. Andere waren einfach fantastisch gut in dem, was sie taten – wie Arnold Palmer. Ich wusste, dass mir meine Initiative und mein Antrieb einen Vorteil verschafften. Arnie war der inspirierende Beweis dafür, dass die Vergangenheit nicht das Vorspiel zur Zukunft zu sein braucht.
Jahrelang gehörte ich de facto zur Familie Pohland; ich fuhr mit ihnen in Urlaub und war fast jeden Tag bei ihnen zu Hause. Brett und ich waren unzertrennlich und ich liebte diese Familie wie meine eigene. Mrs. Pohland sorgte dafür, dass ich im Klub jeden kennenlernte, der mir helfen konnte; und wenn ich trödelte, dann sagte sie es mir auch. Ich half ihr auf dem Golfplatz, und da sie meine Mühen und die Sorgfalt, die ich ihr angedeihen ließ, zu schätzen wusste, half sie mir in meinem Leben. Sie lehrte mich eine einfache, aber wichtige Lektion über die Macht der Großzügigkeit. Wenn man anderen hilft, helfen sie einem häufig auch. Das „Gegenseitigkeitsprinzip“ – so nennen die Menschen dieses zeitlose Prinzip im späteren Verlauf ihres Lebens. Ich kannte nur das Wort „mögen“. Wir mochten uns und gaben uns alle Mühe, uns gegenseitig Gutes zu tun.
Dank dieser Zeit und besonders dank dieser Lektion begriff ich im ersten Semester auf der HBS, dass die ganzen hyper-wettbewerbsorientierten und individualistischen Studenten einen großen Fehler machten. Auf allen Gebieten, aber ganz besonders in der Wirtschaft, stellt sich der Erfolg ein, wenn man nicht gegen die Menschen, sondern mit ihnen zusammenarbeitet. Gegen diese Tatsache kommen keine Tabellen, keine Dollars und keine Cents an: Das Geschäftsleben ist ein menschliches Unterfangen, es wird von Menschen betrieben und gesteuert.
Das zweite Semester war noch nicht weit fortgeschritten, da sagte ich schon scherzhaft zu mir selbst: „Wie in aller Welt sind eigentlich die anderen hierhergekommen?“
Ich stellte fest, dass vielen meiner Mitstudenten die Fähigkeiten und Strategien fehlten, die zum Aufbau und zur Erhaltung von Beziehungen gehören. In Amerika und vor allem in der Welt der Wirtschaft, wird man dazu erzogen, den Individualismus à la John Wayne hochzuhalten. Menschen, die anderen bewusst den Hof machen, damit sie an ihrem Leben teilhaben können, gelten als Schleimer, Arschkriecher und schmierige Speichellecker.
Im Laufe der Jahre lernte ich, dass die gewaltige Anzahl der Vorurteile, die das Bild der aktiven Beziehungsaufbauer verdüstern, nur noch von der Anzahl der Falschauffassungen darüber erreicht wird, wie der richtige Aufbau von Beziehungen funktioniert. Was ich auf dem Golfplatz erlebt hatte – dass Freunde ihren Freunden und Familien anderen Familien halfen, die ihnen etwas bedeuteten –, hatte nichts mit Manipulation oder mit Gegenleistungen zu tun. Nur selten wurde darauf geachtet, wer was für wen getan hatte, oder gab es eine Strategie, die man ausheckte, um etwas zurückzubekommen.
Nach und nach betrachtete ich das Zugehen auf Menschen als Möglichkeit, sowohl im Leben anderer Menschen etwas zu bewirken als auch mein eigenes Leben zu erforschen, daraus zu lernen und es zu bereichern; es wurde die bewusste Konstruktion meines Lebensweges. Als ich meine Networking-Bemühungen in diesem Licht betrachtete, gestattete ich mir, sie in allen Bereichen meines beruflichen und privaten Lebens hemmungslos fortzusetzen. Ich empfand das aber nicht als so kalt und unpersönlich, wie ich das Wort „Networking“ verstand. Es war eher so, dass ich „ Verbindungen “ herstellte – ich teilte mein Wissen, meine Mittel, Zeit und Energie, Freunde und Kollegen, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl in dem stetigen Bemühen, anderen Nutzen zu bieten, wobei ich gleichzeitig meinen eigenen Nutzen steigerte. Wenn man als „Connector“ – als Bindeglied, als soziale Schaltstelle – fungiert, geht es genauso wie beim Geschäft an sich nicht um das Managen von Transaktionen, sondern um das Managen von Beziehungen.
Menschen, die instinktiv ein starkes Beziehungsnetz aufbauen, haben schon immer großartige Unternehmen geschaffen. Wenn man die Geschäftswelt auf das Wesentliche reduziert, geht es nach wie vor darum, dass Menschen anderen Menschen etwas verkaufen. In dem gewaltigen Brimborium, das die Geschäftswelt unaufhörlich um alles Mögliche macht, um Marken, um Technologie, um Design, um Preisüberlegungen und die endlose Suche nach dem ultimativen Wettbewerbsvorteil, geht der Grundgedanke leicht verloren. Aber fragen Sie einen beliebigen gestandenen CEO, Unternehmer oder sonstigen Geschäftsprofi, wie er seinen Erfolg erreicht hat; ich garantiere Ihnen, dass Sie kaum Geschäftsjargon zu hören bekommen. Vor allem werden ihnen diese von denjenigen Menschen erzählen, die ihnen den Weg geebnet haben – falls der Befragte ehrlich und nicht zu sehr von seinem eigenen Erfolg eingenommen ist.
Nachdem ich jahrzehntelang in meinem Leben und in meiner Karriere die Macht der Beziehungen mit Erfolg angewendet habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass „Connecting“ zu den wichtigsten Fertigkeiten gehört, die man im Beruf – und im Leben – je lernen wird. Warum? Weil, ehrlich gesagt, Menschen einfach lieber Geschäfte mit jemandem machen, den sie kennen und mögen. Karrieren funktionieren – auf allen erdenklichen Feldern – auf die gleiche Weise. Und wie Bibliotheken füllende Forschungen bewiesen haben, werden selbst unser allgemeines Wohlbefinden und unser Glückgefühl zum großen Teil von der Unterstützung, der Leitung und der Liebe diktiert, die wir von der Gemeinschaft empfangen, die wir uns aufbauen.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich genau herausgefunden hatte, wie man Verbindungen zu anderen knüpft. Aber eines wusste ich mit Gewissheit: Egal ob ich Präsident der Vereinigten Staaten oder Präsident des Elternbeirats werden wollte, auf jeden Fall gab es viele andere Menschen, deren Hilfe ich auf dem Weg dorthin benötigen würde.
Selbsthilfe – eine falsche Bezeichnung
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