Die geflickten, schmutzigen Treibsegel standen straff vor dem Winde; überhaupt schien das kleine Schiff all seine Segel gesetzt zu haben. Der Himmel war klar, die Sonne halbwegs den westlichen Horizont hinunter; lange, schaumgekrönte Wogen begleiteten uns. Wir gingen am Steuermann vorbei nach Backbord und blickten auf das Wasser, das schäumend unter den Stern lief, und auf die Blasen, die im Kielwasser tanzten und verschwanden. Ich drehte mich um und blickte das ekelhafte Schiffsdeck entlang.
»Ist dies eine Meeresmenagerie?« fragte ich.
»Sieht fast so aus«, sagte Montgomery.
»Was sollen die wilden Tiere? Ware? Meint der Kapitän, er wird sie irgendwo in der Südsee loswerden?«
»Es sieht so aus, nicht wahr?« sagte Montgomery und wandte sich wieder dem Kielwasser zu.
Plötzlich hörten wir von der Schottluke her einen Schrei und eine Ladung von Flüchen, und der ungestalte Mensch mit dem schwarzen Gesicht kletterte eilig herauf. Dicht hinter ihm folgte ein untersetzter, rothaariger Mann mit einer weißen Mütze. Beim Anblick des ersteren wurden die Hetzhunde, die mittlerweile alle des Bellens müde geworden waren, wütend aufgeregt, heulten und sprangen an ihren Ketten. Der Schwarze zögerte vor ihnen, und das gab dem Rothaarigen Zeit, ihn einzuholen und ihm einen furchtbaren Stoß zwischen die Schulterblätter zu versetzen. Der arme Teufel flog hin wie ein gefällter Ochs und rollte unter die wütend aufgeregten Hunde. Es war sein Glück, dass ihnen das Maul verbunden war. Der Rothaarige grunzte triumphierend, taumelte und geriet, wie mir schien, in ernstliche Gefahr, entweder rückwärts die Kajütstreppe hinunterzustürzen, oder vorwärts über sein Opfer zu stolpern.
Als der zweite Mann erschien, fuhr Montgomery heftig auf. »Sachte da vorn!« rief er warnend. Ein paar Matrosen erschienen am Bug.
Der Mann mit dem schwarzen Gesicht rollte unter den Pfoten der Tiere umher und heulte mit merkwürdiger Stimme. Niemand versuchte ihm zu helfen. Die Tiere taten ihr Bestes, um ihn zu zerreißen, indem sie mit den Schnauzen nach ihm stießen. Ihre geschmeidigen grauen Leiber vollführten einen behänden Tanz über der plumpen, gestürzten Gestalt. Die Matrosen vorn riefen ihnen zu, als sei es ein ausgezeichneter Ulk. Montgomery stieß einen zornigen Ausruf aus und ging weiter über das Deck. Ich folgte ihm.
In der nächsten Sekunde hatte sich der Mann mit dem schwarzen Gesicht aufgerafft und taumelte vorwärts. Er stolperte bei den Wanten, blieb keuchend stehen und sah sich über die Schulter weg nach den Hunden um. Der Rothaarige lachte ein befriedigtes Lachen.
»Hören Sie, Kapitän«, sagte Montgomery, stärker lispelnd als gewöhnlich, während er den Rothaarigen bei den Ellenbogen packte: »Das geht nicht.«
Ich stand hinter Montgomery. Der Kapitän drehte sich halb um und sah ihn mit den stumpfen und feierlichen Augen eines Betrunkenen an. »Was geht nicht?« fragte er; und nachdem er Montgomery eine Minute lang schläfrig ins Gesicht geblickt hatte, fügte er hinzu: »Verdammter Knochensäger!«
Mit einer plötzlichen Bewegung wollte er die Arme freischütteln, und nach zwei wirkungslosen Versuchen steckte er die mit Sommersprossen bedeckten Hände in die Seitentaschen.
»Der Mann ist Passagier«, sagte Montgomery. »Ich rate Ihnen, die Hände von ihm zu lassen.«
»Gehen Sie zur Hölle!« rief der Kapitän laut. Plötzlich drehte er sich um und taumelte zur Seite. »Tu was ich will auf meinem eigenen Schiff«, sagte er.
Ich meine, Montgomery hätte ihn jetzt lassen können – da der Kerl nun einmal betrunken war. Aber er wurde nur um einen Schatten blasser und folgte dem Kapitän zur Reling.
»Hören Sie, Kapitän«, sagte er. »Der Mann da soll nicht misshandelt werden. Er ist gequält worden, seit er an Bord kam.«
Eine Minute lang war der Kapitän sprachlos in seinen alkoholischen Dünsten. »Verdammter Knochensäger!« war alles, was er dazu zu sagen hatte.
Ich konnte sehen, dass Montgomery von jenem langsamen, hartnäckigen Temperament war, das sich allmählich aufheizt, bis es zur Weißglut kommt und sich nie wieder bis zur Verzeihung abkühlt; und ich sah auch, dass dieser Streit seit einiger Zeit schwelte. »Der Mann ist betrunken«, sagte ich, vielleicht aufdringlich; »Sie werden nichts ausrichten.«
Montgomery zog seine hängende Lippe hässlich schief. »Er ist immer betrunken. Meinen Sie, das entschuldigte ihn, wenn er seine Passagiere angreift?«
»Mein Schiff«, begann der Kapitän, indem er die Hand unsicher gegen die Käfige hob, »war ein sauberes Schiff. Sehen Sie's jetzt an.« Es war sicherlich alles andere als sauber. »Mannschaft«, fuhr der Kapitän fort, »saubere, ehrenwerte Mannschaft.«
»Sie waren bereit, die Tiere mitzunehmen.«
»Ich wollt', mir wär' Ihre höllische Insel nie vor Augen gekommen. Was zum Teufel ... brauchen Sie Tiere für so eine Insel? Und dann Ihr Mann da ... Wohlverstanden, wenn er 'n Mann war. Er ist 'n Verrückter. Und er hatte hinten nichts zu suchen. Meinen Sie, das ganze Satansschiff gehört Ihnen?«
»Ihre Leute begannen den armen Teufel zu quälen, sowie er an Bord kam.«
»Er ist 'n Teufel, 'n hässlicher Teufel. Meine Leute können ihn nicht ausstehen. Ich kann ihn nicht ausstehen. Keiner von uns kann ihn ausstehen. Und Sie auch nicht.«
Montgomery wandte sich ab. »Sie lassen den Mann auf jeden Fall in Ruhe«, sagte er und nickte beim Sprechen mit dem Kopf.
Aber jetzt wollte der Kapitän streiten. Er erhob die Stimme: »Wenn er noch mal auf dies Ende vom Schiff kommt, kehr' ich ihm die Gedärme nach außen, sage ich Ihnen. Schneid' ihm seine verdammten Gedärme heraus. Wer sind Sie, dass Sie mir sagen wollen, was ich tun soll? Ich sage Ihnen, ich bin Kapitän auf dem Schiff – Kapitän und Eigentümer. Ich bin das Gesetz hier, sag' ich Ihnen – das Gesetz und die Propheten. Ich hab' mich verpflichtet, einen Mann und seinen Diener nach Arica und wieder zurück zu bringen und noch ein paar Tiere mitzunehmen. Ich hab' mich nie verpflichtet, einen tollen Teufel und einen albernen Knochensäger zu transportieren, einen ...«
Nun, einerlei, wie er Montgomery nannte. Ich sah, dass dieser einen Schritt vorwärts tat, und ich trat dazwischen. »Er ist betrunken«, sagte ich. Der Kapitän begann noch schlimmer zu schimpfen. »Hören Sie auf«, sagte ich, während ich mich scharf zu ihm wandte, denn ich hatte in Montgomerys weißem Gesicht Gefahr gesehen. Damit lenkte ich den Guss auf mich selber.
Ich war jedoch froh, etwas zu verhindern, was einer Schlägerei ungemein nahekam, selbst um den Preis, der betrunkenen Wut des Kapitäns ausgesetzt zu werden. Ich glaube nicht, dass ich je zuvor soviel gemeine Worte in so ununterbrochenem Strom von den Lippen irgendeines Menschen hatte fließen hören, obgleich ich genügend in exzentrischer Gesellschaft verkehrt hatte. Einiges ertrug ich nur schwer, obgleich ich ein Mann von mildem Temperament bin. Aber auf jeden Fall hatte ich, als ich dem Kapitän sagte, er solle aufhören, vergessen, dass ich nur ein Stück menschlichen Strandguts war, von meinen Hilfsquellen abgeschnitten, mit unbezahlter Passage, nichts als ein Obdachloser, der von der Güte – oder dem spekulativen Unternehmungsgeist des Schiffseigners – abhing. Er erinnerte mich mit beträchtlichem Nachdruck daran. Aber auf jeden Fall hatte ich einen Kampf verhütet.
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