Es gelang den Forschern bis heute also nicht, einen Nachweis über SARS-CoV-1 in Fledermäusen zu führen, der mit dem Pandemievirus von 2002 aus Guandong identisch war. Alle entdeckten Viren aus den Fledermäusen (SL-CoV) waren bis ins Jahr 2012 nur um 76 bis 92 Prozent mit SARS-CoV-1 ähnlich. Die Viren waren bis dahin für die Infizierung von Menschen völlig ungeeignet!
Abb. 18
“Batwomen” Professor Zeng-Li Shi
Dann entdeckten die Forscher in SL-CoV zwei besondere Viren, die zwar keine 100-prozentige, aber eine Ähnlichkeit von mindestens 95 Prozent mit SARS-CoV-1 aufwiesen. Das Besondere an WIV-1 (RsSHC014 und Rs3367) waren die Vero E6-Zellen, die eine typische Coronavirus-Morphologie und eine Sequenzidentität von 99,9 Prozent mit Rs3367 zuließen und über ACE2 als Eintrittsrezeptor von Menschen verwendet werden konnten: “Unsere Ergebnisse liefern den bislang stärksten Beweis dafür, dass chinesische Hufeisenfledermäuse natürliche Reservoire für SARS-CoV sind und dass Zwischenwirte möglicherweise nicht für eine direkte Infektion des Menschen durch einige Fledermaus-SL-CoVs erforderlich sind.”
Nach der Entdeckung der Fähigkeiten von Rs3367 folgten weitere Experimente in der Forschungsgruppe mit folgendem Resultat: “Die Gesamtidentität der Nukleotidsequenzen dieser beiden Genome ist weitaus enger mit SARS-CoV verwandt als alle zuvor identifizierten Fledermaus-Coronaviren. Wir fanden heraus, dass WIV1 ACE2 unterschiedlicher Herkunft verwendet und in den ACE2-exprimierenden Zellen effizient replizieren kann.”
Weitere Tests ergaben, dass sowohl monoklonale Antikörper- als auch Impfstoffansätze unter Verwendung des neuen Spike-Proteins nicht neutralisiert und vor einer Infektion mit Coronaviren geschützt werden konnten. “Auf der Grundlage dieser Ergebnisse haben wir ein infektiöses rekombinantes SHC014-Virus voller Länge synthetisch neu abgeleitet”, schreiben die Virologen. Daraufhin wurde eine neue 15-köpfige Arbeitsgruppe um Zheng-Li Shi und den amerikanischen Virologen Ralph S. Baric gebildet, die sowohl in China als auch in den USA an weiteren synthetischen Varianten von SHC014 arbeiteten. In Folge dieser Neuentdeckungen experimentierten die Forscher munter weiter und isolierten gewisse Bausteine, die dann vermehrt wurden, um sie mit Fledermauszellen, Mäusezellen und Menschenzellen zu rekombinieren.
Dabei sollte die Anpassungsfähigkeit unter Wirtsbedingungen des synthetisierten SHC014-CoV-A, SHC014-CoV-B, SHC014-CoV-C, SHC014-CoV-D, SHC014-CoV-E und SHC014-CoV-F, die von einzigartigen BglI-Stellen flankiert sind und eine gerichtete Assemblierung der cDNS voller Länge ermöglichten, geprüft werden. Am 9. November 2015 erschienen die Arbeitsergebnisse dann in einem Artikel in “Nature Medicine”: “Nachdem wir festgestellt haben, dass der SHC014-Spike die Infektion menschlicher Zellen vermitteln und bei Mäusen Krankheiten verursachen kann, synthetisierten wir als Nächstes einen SHC014-CoV-infektiösen Klon in voller Länge, basierend auf dem für SARS-CoV verwendeten Ansatz.”
Hat also erst das synthetisch im Labor mit Menschenzellen veränderte SHC014-CoV somit das 2019-nCoV ausgelöst? Ganz offensichtlich!
Die “Labor-Frankensteine” schufen ein chimäres Virus, das aus einem Oberflächenprotein von SHC014 und dem Rückgrat eines SARS-Virus besteht, das zuerst “synthetisch” an die Bedingungen angepasst wurde, um nicht nur in Mäusen zu wachsen, sondern auch menschliche Krankheiten in Mäusen nachzuahmen. Diese in Mäuse eingesetzten Chimären infizierten menschliche Atemwegszellen und sind der Beweis dafür, dass das Oberflächenprotein von SHC014-CoV genau wie 2019-nCoV die notwendige Struktur besitzt, um diese an einen Schlüsselrezeptor auf den menschlichen Zellen zu binden und diese zu infizieren.
Abb. 19
SARS-ähnliche Viren replizieren sich in menschlichen Atemwegszellen
Schon kurze Zeit nach Veröffentlichung dieser Arbeit stellten einige unabhängige Virologen bereits 2015 die Frage, ob “die aus dem Experiment gewonnenen Informationen das potenzielle Risiko überhaupt rechtfertigen” würden. Obwohl das Ausmaß eines Risikos schwer einzuschätzen ist, wies der Virologe Simon Wain-Hobson vom Pasteur-Institut in Paris darauf hin, dass die Forscher ein neuartiges Virus entwickelt hätten, das vornehmlich in den menschlichen Zellen “bemerkenswert gut wächst”. “Wenn das Virus jedoch entkommen sollte, könnte niemand die genaue Flugbahn vorhersagen, die es nehmen wird”, bemerkte er abschließend. Heute wissen wir zumindest, wo das SHC014-CoV gelandet ist – mit verheerenden Folgen für Menschen auf der ganzen Welt!
Wie viele Influenza-Virologen verwendete auch John Steel von der Emory University in Atlanta häufig einen schwachen Influenza-Laborstamm, um zu untersuchen, wie sich die saisonale Grippe ausbreitet. “Es ist ein böses Virus, wenn Sie eine Maus sind”, sagte der Virologe über den 80 Jahre alten Laborstamm, der als PR8 bekannt ist.
Es gab jedoch in den Laboren vermehrt Sicherheitslücken, wobei dutzende Mitarbeiter ohne ihr Wissen entflohenen Viren und Bakterien ausgesetzt wurden. Man entdeckte in einem seit langem vergessenen Karton sogar gefüllte “Pockenflächen”, die in unmittelbarer Nähe von Washington herumlagen. Deswegen sah sich US-Präsident Barak Obama veranlasst, die GOF-Experimente mit Influenza, MERS und SARS zu stoppen. Im Oktober 2014 forderte Steel auf Anordnung der Dachorganisation “National Institutes of Health” (NIH) seine beiden Mitarbeiter, die mit PR8 arbeiteten, auf, ihre Experimente zu unterbrechen, während das NIH entscheide, ob die Arbeit unter ein vorübergehendes Risikoverbot für Virusexperimente falle.
Die Obama-Regierung hatte ab Oktober 2014 tatsächlich eine “Pause” bei der Bundesfinanzierung für GOF-Projekte und die damit verbundenen Virologiestudien angekündigt, bei denen Influenza-, MERS- und SARS-Viren genetisch so “gefährlich” optimiert werden, dass sie dadurch bei Säugetieren deutlich übertragbarer oder pathogener werden. In den 11 Briefen an Einrichtungen mit Zuschüssen hieß es allerdings, dass die Einstellung der Arbeiten “freiwillig” wäre, da die Studien bereits finanziert seien. Sobald diese Mittel jedoch aufgebraucht sind, müsse die Arbeit eingestellt werden.
Die Kontrollaufsicht darüber übernahm die von Anthony Stephen Fauci geleitete US-Behörde “National Institute of Allergy and Infectious Diseases” (NIAID). Die Ermittler hatten 90 Tage Zeit, um NIAID mitzuteilen, welche Experimente gestoppt werden und in welche Richtungen die Ersatzforschungen gehen könnten. Weil der NIH-Direktor Ausnahmen für Forschungsarbeiten genehmigen kann, die zum Beispiel dringend zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sind, verhandelten viele Ermittler mit der NIAID, ob denn bestimmte Forschungen wirklich der GOF-Definition der Richtlinie entsprechen oder für die öffentliche Gesundheit doch wichtig genug seien, damit sie weiterarbeiten dürfen. Schließlich wurden die ungeduldigen “Labor-Frankensteine” von US-Präsident Donald Trump belohnt, der den GOF-Forschungsstopp ab 2017 wieder aufheben ließ. “Die potenziellen Vorteile der Vorbereitung auf Krankheiten überwiegen die Risiken”, hieß es in der Begründung. Dabei wurde das Verbot 2014 nach peinlichen Sicherheitslücken und Sicherheitsverletzungen bei Bundesinstitutionen mit Anthrax und Vogelgrippe verhängt. Dennoch sagte der Vorsitzende Samuel Stanley der NIH: “Grundlagenforschung zu diesen Wirkstoffen durch Laboratorien, die gezeigt haben, dass sie diese Arbeit sicher ausführen können, ist der Schlüssel zur globalen Sicherheit.”
Читать дальше