Sie versprach bei einem Schönheitswettbewerb Paris, dem Sohn des Trojanerkönigs Priamos, die schönste Frau der Welt, wenn er ihr den goldenen Apfel mit der Aufschrift »Der Schönsten« zugestehen würde. Die schönste Sterbliche aber, Helena, war mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet, Paris muss sie entführen – und Aphrodite hatte im Vorbeigehen mit ihren Machenschaften den verheerenden Trojanischen Krieg ausgelöst. Nur vordergründig geht es um Krieg, im Untergrund wütet die erotische Leidenschaft. Und die »goldene Aphrodite« zieht die Fäden. Sie begünstigt selbstherrlich den Ehebruch und den kriegerischen Konflikt. In den nur wenig später, im 6. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Homerischen Götterhymnen ist Aphrodite, »die das Lächeln liebt«, immerzu von Goldattributen gekennzeichnet, trägt einen goldenen Kranz, Ohrschmuck aus Gold, Armreifen, Halsketten aus selbstverständlich demselben, erotisch aufgeladenen Material.
Von der Dichterin Sappho (um 630 bis 570 v. Chr.), die auf der Insel Lesbos lebte, ist nur ein zarter Scherbenhaufen von Fragmenten erhalten geblieben, selten genug ein Gedicht, dort ein paar Verse, hier ein paar Wörter, auf eine Tonscherbe eingekritzt, auf einem fragilen Papyrusstreifen fixiert. Sappho spiegelt sich gerne in der Liebesgöttin und ihrem unbezwingbaren erotischen Reiz. Aphrodite, die das »goldene Haus des Vaters verlassen« hat, ist »goldbekränzt«, schenkt aus »goldglänzenden Schalen« zum Trinken und Feiern großzügig Nektar aus. Die Göttin der Morgenröte, Eos, trägt »goldene Sandalen«, ist sozusagen golden beschuht. Das Fragment stammt vielleicht aus Sapphos Hochzeitsliedern. Und dann ein anderes, das einen sogenannten »Supra-Superlativ« vorführt: »… Selbst noch den Harfenklang süß überklingend, / goldener noch als Gold …« Gold ist also das erotische Edelmetall, das die Macht in sich hat, noch sich selbst zu übertreffen.
Der Dichter Pindar (520 bis 446 v. Chr.), der in »gottgegebenen Gesängen« Preislieder auf die Sieger in sportlichen Wettkämpfen schuf – Olympische, Pythische, Nemeische, Isthmische Oden, je nach dem Austragungsort der Spiele –, geht besonders freigebig mit dem Beiwort »golden« um, um das ewig glänzende Metall der Göttlichkeit auch in seinen Lobes-Oden aufleuchten zu lassen, um auch ihnen Glanz zu verleihen. Bei Pindar meint »golden« immer auch »auf das Göttliche verweisend«, das Edelmetall schlägt eine Brücke zwischen der Sphäre der Götter und jener der Sterblichen.
Was ist nicht alles »golden« bei ihm, unmöglich, alles aufzuzählen: goldene Olive, goldene Stuten, goldene Wagen, goldgekrönte Musen, goldgelockter Apoll, goldene Siegesgöttin Nike, goldene Spindel, und – besonders verblüffend, in der 7. Isthmischen Ode – »goldener Schnee«: »Als du um Mitternacht in goldenem Schnee empfingst den höchsten der Götter«. Angesprochen werden das »selige Theben« und die Episode, als Zeus die Frau des Amphitryon besuchte, Alkmene, um mit ihr Herakles zu zeugen. Der »goldene Schnee« bedeutet also Zeus’ göttlichen Samen.
In der ersten Olympischen Ode, für Hieron den Syrakuser, den Sieger beim Wettkampf mit dem Rennpferd, liefert Pindar gleich auch noch einen Werbespot für die Olympischen Spiele: »Am köstlichsten ist Wasser, und Gold sticht hervor / wie brennendes Feuer bei Nacht aus dem Reichtum, der Männer beflügelt; / wenn du aber Wettkämpfe besingen willst, mein Herz, / spähe nicht neben der Sonne nach einem anderen Gestirn, das wärmer leuchten / würde bei Tag durch den einsamen Äther – / einen herrlicheren Wettstreit als den von Olympia gibt es nicht zu preisen!«
Und was ist mit der olympischen Goldmedaille? Fehlanzeige, die war eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, sie besteht im Übrigen zu 92,5 Prozent aus Silber, hat einzig einen goldenen Überzug, der nur sechs Gramm Gold enthält. Aber die »goldene Aura« hat sie dennoch, auch wenn sie nur wenig von dem Stoff enthält. Pindars Olympiasieger erhielten als Preis einen Kranz aus Olivenzweigen um das Siegerhaupt und Amphoren voll kostbaren Olivenöls aus Athenas heiligen Hainen.
Gold war lange vor seiner »Vermünzung« zumeist tragbares Gold, das ein König oder Pharao auf oder an seinem Körper trug in Kronen, Armreifen, Halsketten, Fingerringen usw. Es hatte eine ursprüngliche Talisman-Funktion, sollte den Körper vor bösen Kräften schützen, und eine schmückende Funktion, die dem Träger Bedeutung und Würde, aber auch Schönheit und Anmut verleihen sollte. Ohne Gold keine gelassene Fahrt durch das Jenseits. Vielleicht sogar: kein Jenseits überhaupt.
Goldenes Widderfell & das Gold der Toten
Der wahre Nutzen des Edelmetalls musste erst gefunden werden. Der römische Dichter und Philosoph Lukrez (98 bis 55 v. Chr.) postuliert in seinem gewaltigen Lehrgedicht Von der Natur der Dinge den Aufbau der Welt aus Atomen und spricht im fünften Buch unter anderem von der Entstehung der Metalle und deren wechselnder Wertschätzung. »Und nicht seltener als aus kräftiger Bronze, diesem harten und zähen Material, versuchten sie zunächst, solche Werkzeuge auch aus Gold und Silber zu fertigen. Ohne Erfolg jedoch. Denn jene versagten den Dienst und verbogen sich, hielten harter Arbeit nicht stand. Damals geriet Bronze hoch in Kurs, vom Gold hielt man weniger, nutzlos wie es war mit stumpf verbogener Schneide. Heute dagegen schätzt man Bronze geringer, Gold kam zu höchsten Ehren. So, in ihrem Lauf, wandelt die Zeit, was die Dinge bedeuten« (deutsch von Klaus Binder).
Die Weichheit des Goldes machte dieses Metall hervorragend geeignet für Götterstatuen, Kultgegenstände, königlichen Schmuck – aber nicht für Waffen und nicht für nützliches Gerät. Dafür waren Bronze und Eisen viel geeigneter. Gold ist dafür zu nachgiebig, die Klinge verbiegt sich, wird stumpf. Glänzend und Ewigkeit versprechend, doch für praktisches Gerät völlig ungeeignet. Ein leuchtendes Paradox: Das Wertvollste ist nutzlos, zumindest in einem praktischen Sinne. Nietzsche nennt es in Also sprach Zarathustra (1883-1885) »ungemein«, also selten, und »unnützlich«: »Sagt mir doch: wie kam Gold zum höchsten Werte? Darum, dass es ungemein ist und unnützlich und leuchtend und mild im Glanze; es schenkt sich immer. Nur als Abbild der höchsten Tugend kam Gold zum höchsten Werte. Goldgleich leuchtet der Blick dem Schenkenden. Goldes-Glanz schließt Friede zwischen Mond und Sonne.«
Wenn das Wertvollste selten und nutzlos ist, ist Gold immerhin berufen, das Gold der Träume, der Wünsche, der Sehnsüchte zu sein. Laut der griechischen Sage hatte Jason auf dem Schiff Argo mit seinen fünfzig Gefährten das Goldene Vlies – das Fell des mythischen Widders Chrysomallos, der fliegen und sprechen konnte – in Kolchis aufzuspüren und zu rauben. Gewaltige Anstrengungen und Hindernisse, eine gefährliche Expedition, um ein golden glänzendes Widderfell zu gewinnen. Schon Homer bezog sich auf die Argonautensage, sie war also älter als die Ilias und die Odyssee (8. Jh. v. Chr.) . Fünf Jahrhunderte später schilderte Apollonios von Rhodos (295 bis 215 v. Chr.) im Versepos Die Fahrt der Argonauten das packende Geschehen, eine Art antikes Roadmovie, aber meist zur See.
Es war natürlich eine »unmögliche Mission«, die König Pelias seinem Neffen Jason auferlegte, weil ihm laut einem Orakelspruch von einem »Einschuhigen« Gefahr drohen sollte (Jason verlor einen Schuh, als er der Göttermutter Hera half, einen Bach zu überqueren). Zwar erlangt Jason dank der Zauberkünste Medeas das goldene Fell, muss aber für seine Untreue bitter büßen: Die verlassene Medea tötet die gemeinsamen Kinder, Jason kommt in Korinth zwar noch knapp auf den Königsthron, doch nimmt er sich in seiner Verzweiflung bald das Leben.
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