H2.5.2 Mathilde Canetti in Paris
H2.5.3 Der Schwager Georges, ein ewiger Wert
H3. Die Freundeskreise Ferdinandstrasse-Himmelstrasse
H3.1 Heimito von Doderer – dicke Damen vs. Mary K.
H3.2 Hugo von Hofmannsthal – Idol der expressiven Schwärmer
H3.3 Hermann Broch
H3.3.1 Hermann Broch – ein Interdiskurs
H3.3.2 Hermann Broch – ein alter Bekannter
H3.3.3 Hermann Broch – Der Dichter als Hund seiner Zeit
H3.3.4 Hermann Broch – das gefragte Urteil Veza Canettis
H3.4 Die Kreise um Hermann Broch
H3.4.1 Von Ea von Allesch zu Alice Schmutzer
H3.4.2 Dr. Sonne, ein rechter Zionist?
H3.5 Soma Morgenstern – Literaturagentin oder Pesje
H3.6 Veza-Canetti-und-Anna-Mahler-Kreis
H3.6.1 Die Wurzeln der Kreise um Veza Canetti und Anna Mahler
H3.6.2 Die beste Freundin – eine Lichtgestalt
H3.6.3 Das Kreiszentrum – Kultur und/oder Politik?
H3.6.4 Die Kreisperipherie
H3.7 Sozialistische Freunde über den Februar 1934 hinaus
H3.8 Der Zeitungsverleger Jean Hoepffner
J. Flucht und erste Exiljahre in London
J1. Das Netz in die Sicherheit – (wilde) Spekulationen
J2. Exil bis 1945: alte und neue Netzwerke
J2.1 Selbstanalyse der Lebensbedingungen und Netzwerke
J2.2 Die Netzwerke zu den Wohnorten während des Krieges
J2.2.1 King Henry’s Road
J2.2.2 Amersham
ZWISCHEN: Dichterin im Exil – Hoffnung auf Erfolg
Z1. Als Dichterin in England Fuss fassen vs. alte Kontakte in Wien aktivieren
Z2. Der Seher und seine exemplarische Publikationsgeschichte
Z3. Der Seher, das spanische Korpus und die Dichtergattin
Z4. Das Verschwinden aus den Literatenkreisen
Z5. Vom spanischen Korpus über Die Flucht vor der Erde zu Der letzte Wille
K. Die Netzwerke im Exil nach dem Zweiten Weltkrieg
K1. Entwicklung der Freundeskreise aus Wien in London
K2. Familienkosmos im Exil
K2.1 Die neue alte Rolle als Ehefrau von Elias Canetti
K2.1.1 Scheidung oder nicht
K2.1.2 Sekretärin und Literaturagentin für Elias Canetti
K2.2 Georges Canetti
K2.3 Die Verwandten in England
K2.3.1 Der Bruder Morris Calderon
K2.3.2 Alice Asriel und ihre Verwandten in England
K2.3.3 Veza Cansino-Calderon – Manchester/New York
K2.4 Die Verwandten in Österreich, in Sofia und in Amerika
K3. Aktivierung der alten Wiener Netzwerke/Freundschaften
K3.1 Sozialistische Freunde aus Wien
K3.2 Die Künstler- und Dichterfreunde aus Wien
K4. Veza Canettis Literaturdrehscheibe in London
K4.1 Übersetzerin
K4.2. Lektorin, Editorin
K4.3 Texterin für illustrierte Kindergeschichten
K4.4 Literaturagentin
K4.5 Aktivierung der alten beruflichen Netzwerke
K5. Neue Freundschaften – ein Netzwerk?
ZWISCHEN: Misserfolg des Eigenen – Erfolg mit Ghostwriting
Z1. Misserfolg mit dem Eigenen
Z1.1 Erfolglos: die Rolle von Ingeborg Bachmann
Z1.2 Erfolglos: die Rolle von Rudolf Hartung
Z1.3 Erfolglos: Agentur Kalmer und weitere
Z2. Erfolg mit Ghostwriting
Z3. Zusammenarbeit und Zusammenbruch versus Co-Autorschaft
L. Der Tod: kein Netzwerk
Kurzbiografie
Danksagung
Bibliografie
Personenregister
Aus den Recherchen im Elias-Canetti-Nachlass und in verschiedenen Archiven Wiens, aber auch Deutschlands zum Thema Veza Canetti im Kontext des Austromarxismus hat sich eine so grosse Fülle von biografischem Material, Veza Canetti betreffend, ergeben, dass sich das Schreiben einer Biografie geradezu aufgedrängt hat.
Bereits die Korrespondenz Veza Canettis sowie verschiedenes Material aus dem Nachlass von Elias Canetti – der auch den Nachlass von Veza Canetti beinhaltet – offenbart, dass die Autorin schon vor ihrer Zeit mit Elias Canetti mit der Künstler- und Dichterszene Wiens eng verknüpft war. Diese Nähe kann aber auch intertextuell nachgewiesen werden, wie unter anderem Veza Canettis gesellschaftskritische Aufarbeitung von Franz Csokors Theaterstück Die rote Strasse im Roman Die Gelbe Strasse zeigt. Veza Canetti hat sich intertextuell zudem mit Texten von Felix Salten, Hugo von Hofmannsthal und Hermann Broch sowie Karl Kraus auseinandergesetzt.
Genau diese Art von vorhandenem Material, deren Kern immer auf ein In-Beziehung-Treten Veza Canettis zu anderen Künstlern und ihrem Werk hinweist, hat mich dazu bewogen, eine Netzwerk-Biografie zu schreiben. Überdies hat Veza Canetti mit dem Theaterstück Der Tiger und dem Lustspiel Der Palankin selbst Künstler- und Dichternetzwerke in den Städten Wien und London dargestellt. 1
Die vorliegende Arbeit fügt sich in eine Reihe von Forschungsarbeiten ein, die zur Dichterin seit ihrer Wiederentdeckung – knapp dreissig Jahre nach ihrem Tod – anfangs der 90er Jahre erstellt wurden. Eva M. Meidl hat im Band Veza Canettis Sozialkritik der revolutionären Nachkriegszeit schon 1998 darauf aufmerksam gemacht, dass Veza Canetti als Produkt des Roten Wien bezeichnet werden kann. Angelika Schedel verknüpft in ihrer Dissertation von 2002, Sozialismus und Psychoanalyse, bereits ein erstes Mal Leben und Werk der Autorin, ihr gelingt damit ein Quantensprung bezüglich Material und Einordnung. Das Dossier 24 aus dem Verlag Droschl mit dem Titel Veza Canetti versammelt 2005 Aufsätze verschiedener Forscherinnen zur Schriftstellerin, sie wird darin als eine Autorin der Moderne bezeichnet und zwischen Neuer Sachlichkeit und Expressionismus positioniert. Julian Preece geht 2007 in The Rediscovered Writings of Veza Canetti schon von einer literary partnership von Elias und Veza Canetti aus. Meine eigene Dissertation aus dem Jahr 2017, Veza Canetti im Kontext des Austromarxismus, zeigt die verschiedenen Ebenen der Beziehung Veza Canettis zum Roten Wien – vom Empiriokritizismus eines Otto Neurath zu den Sozialwissenschaften Käthe Leichters, zur Individualpsychologie von Alice Rühle-Gerstel und weiter zur austromarxistischen Literaturtheorie Ernst Fischers.
Die Grundstruktur der vorliegenden Netzwerk-Biografie zu Veza Canetti bilden Konvergenzpunkte als soziale Räume oder Felder, deren Akteure sich als Positionen und Disposition dialektisch lesen lassen. Es handelt sich um Räume oder Grossstrukturen, in denen sich die Autorin bewegt hat. Es sind in erster Linie deren zwei, die Vorkriegsräume (vor dem Zweiten Weltkrieg) und die Exilräume, die unterschiedlicher nicht sein können. 2
Die beiden Grossräume werden in je kleinere Räume oder Felder nach Massgabe der Quellen unterteilt und in der kontroversen Dialektik der Akteure gelesen, das heisst, die Räume werden aufgrund ihrer Kontroversität diskursiv herausgearbeitet. Differierende Lesarten der Quellen und Polyfokalität sind Programm des Vorgehens. Temporale Vor- und Rückgriffe werden gezielt eingebaut.
Dabei dienen zeittypische Erzählmuster als Folie sowie künstlerische Handlung als Reaktion auf historisch und milieubedingte Mechanismen. 3Im Zentrum steht dabei die Frage, was die Lebenswirklichkeit und die inszenierte Wirklichkeit unterscheidet. 4Schon aufgrund der Komplexität der Quellenlage ist dies keine einfache Frage. Beispielsweise äussert sich Elias Canetti zu verschiedenen bedeutenden Stationen im Leben von Veza Canetti zum Teil ganz divergent. Der grösste Unterschied ergibt sich zwischen den Publizierten und Unpublizierten Lebenserinnerungen Elias Canettis, aber auch die Aufzeichnungen, Notizbücher weisen je nach Lebensalter des Autors, in dem sie geschrieben wurden, grosse Differenzen auf. Als diskursives Korrektiv von Lebenswirklichkeit und inszenierter Wirklichkeit bei Elias Canetti dienen die Briefe von und an Veza Canetti aus verschiedenen Archiven sowie das erzählerische Werk Veza Canettis selbst. Mit einer gezielten Montagetechnik von Zitaten – einem Vorgehen, wie Veza Canetti es selbst in ihrem literarischen Werk anwendet – soll das Netzwerk der Autorin im Sinne einer Netzwerk-Biografie sichtbar werden.
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