Wer loslässt, wird frei für Neues. Wer die Vergebungsbereitschaft verweigert, bleibt selbst gefangen. Die fortwährende Beschäftigung mit dem erlittenen Unrecht kann die Offenheit für neue Wege verhindern. Und sie macht blind für das viele Gute, das uns dennoch geschenkt ist. Wenn Gott uns zum Vergeben auffordert, liegt darin zugleich seine Zusage, dass er für uns sorgt und neue Lebensmöglichkeiten für uns bereithält. Dem dürfen wir vertrauen und wissen, dass die endgültige Klärung von Recht und Unrecht in seinen Händen liegt. Bei allem sollten wir nicht vergessen: Wir leben selbst ja von Gottes Vergebung in Jesus Christus.
Monika Riwar
»DER TRATSCH MACHT UNS KAPUTT!«
»In unserem Hauskreis ist es im Moment ganz furchtbar. Bisher haben wir uns immer gut verstanden, aber seit einigen Monaten ist es so, dass scheinbar jeder über jeden tratscht. Niemand weiß so genau, wie es dazu kommen konnte. Mittlerweile ist das Klima fast schon vollkommen vergiftet. Was können wir tun, damit wir wieder miteinander ins Reine kommen?«
Kleingruppen innerhalb einer größeren Gemeinde sind eine tolle Einrichtung, weil sie über den Gottesdienst hinaus Nähe, Geborgenheit und Alltagsbegleitung in persönlichen Fragen und Nöten anbieten. Jede christliche Gemeinschaft kann sich glücklich schätzen, wenn sie gut funktionierende Hauskreise hat, durch die auch junge Christen und neue Gemeindemitglieder in eine persönliche Gemeinschaft aufgenommen werden können. Wichtig ist, dass eine solche Gruppe zwei konkrete Ziele verfolgt: die Förderung des persönlichen Glaubenswachstums und dazu die Unterstützung der Gesamtaufgabe Gemeinde.
Die Gefahr, als Tratsch- und Klatschkreis mit oberflächlicher Sinngebung zu enden, ist immer gegeben. Eine Hilfe ist es, von der Gemeindeleitung Impulse zu bekommen, im Kreis eine anerkannte Leitung und Schwerpunktthemen zu akzeptieren und die gemeinsamen Rahmenbedingungen übereinstimmend festzulegen (z. B. das Gebet füreinander, Ehrlichkeit untereinander, Verbindlichkeit der Mitglieder).
Wenn nun theologische, persönliche und andere Probleme auftreten, ist es notwendig, diese Schwierigkeiten offen zu diskutieren. Jeder sollte sich dabei etwas sagen lassen, und die Bitte um Entschuldigung sollte angesprochen und gewährt werden. Bei Bedarf sollte ein Vermittler (Pastor, Älteste o. Ä.) zurate gezogen werden.
Dass Konflikte entstehen, wo Menschen sich treffen – auch wenn es sich bei ihnen um Christen handelt –, ist menschlich. Dass man sie aber unter den Teppich kehrt oder sich verärgert trennt, entspricht nicht dem, was Gott sich von uns wünscht (siehe u. a. Philipper 2,3 ff.; Galater 5,13-15; Galater 6,1-4). Doch wenn Sie es gemeinsam schaffen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, können Sie als Gruppe neu und intensiver zusammenwachsen und einander dienen.
Linda und Hans-Jörg Karbe
»Ich (41) werde immer wieder von Neidgefühlen geplagt. In meiner Kirchengemeinde leite ich das Musikteam. Vor Kurzem haben wir einen wirklich guten Sänger hinzubekommen. Eigentlich müsste ich mich freuen, aber die Wahrheit ist: Wenn andere ihn loben, bin ich neidisch! Es hat lange gedauert, bis ich mir mein Problem eingestehen konnte: Ich fühle mich ihm unterlegen und von Gott benachteiligt. Wie bekomme ich den Neid in den Griff?«
Sie erleben viel innere Spannung. Als Christ möchten Sie nicht neidisch sein, so verbergen Sie sorgfältig Ihre Gefühle. Viele Menschen verbergen vor anderen ihre sogenannten »schwachen« oder negativen Seiten wie Trauer, Bedürftigkeit, Angst oder eben Neid. Da erzählt eine Mutter, dass sie oft von Ängsten geplagt wird. Doch sie habe gelernt, selbstsicher aufzutreten. Denn: »Wenn die wüssten, wer ich wirklich bin, wer würde mich dann noch mögen?«
Andere vergraben Wünsche und Sehnsüchte tief im Herzen, um nicht verletzt oder enttäuscht zu werden. Ein junger Mann hat sich verliebt, achtet aber sorgfältig darauf, dass diese Frau es nicht merkt: »Es würde mich sehr verletzten, zurückgewiesen zu werden.«
Beide zahlen einen hohen Preis für ihren vermeintlichen Schutz. Zum einen werden sie falsch eingeschätzt: Der junge Mann wird für unnahbar gehalten, und an der Mutter lässt man allen Frust aus, weil sie ja so stark wirkt. So wird der vermeintliche Schutz zur Belastung.
Wir Menschen können uns nicht nur vor anderen verbergen, sondern wir auch vor uns selbst. Vor allem dann, wenn wir Dinge erleben und tun, die dem Idealbild von uns selbst nicht entsprechen. Jesus Christus lädt uns ein, ehrlich zu werden vor ihm. Nichts, was wir je an uns entdeckt haben oder entdecken werden, ist ihm verborgen – und so hat er Ja zu uns gesagt! Deshalb können wir ihm rückhaltlos vertrauen. In dieser Sicherheit können wir unsere eigenen Motive und Ängste ehrlich anschauen.
Sie haben es gewagt, ehrlich zu werden, und nennen eine Motivation Ihrer Neidgefühle: Sie fühlen sich unterlegen. Ihr Neid und Ihre Wut können als Versuch verstanden werden, das Unterlegenheitsgefühl auszugleichen. Doch Sie spüren, dass Neid als Lösungsversuch nur noch mehr Konflikte bringt.
Es ist durchaus positiv, dass Sie sich bemühen, Ihren Neid nicht an anderen »auszulassen«. Sie dürfen sich daran freuen, wenn es Ihnen gelingt. Das ist keine Heuchelei. Würden Sie Ihren Neid »ausleben«, wäre das Klima im Musikteam schnell vergiftet. Doch ist es wichtig, dass Sie darüber hinaus weitere Wege finden:
Akzeptieren Sie Ihr gegenwärtiges Erleben, indem Sie es mit Jesus teilen. Verzichten Sie dabei auf Selbstabwertung im Sinne von: »Ich dürfte nicht …, ich müsste doch …« usw. Solche Selbstvorwürfe verstärken nur die Wut und motivieren nicht zur Veränderung. Sie dürfen stattdessen um Jesu Vergebung für Ihre Haltung bitten. Sprechen Sie auch mit einem Menschen, dem Sie vertrauen, über Ihr Erleben.
Überlegen Sie, welches Erleben für Sie besser, »neutraler« wäre als Neid, z. B.: »Ich bin traurig, dass ich nicht so gut singen kann wie er.« Betrübt zu sein wäre zwar noch keine sogenannte »positive Empfindung«, doch wäre der direkte Sprung vom Unterlegenheitsgefühl zur Freude über die Gabe des anderen eine Selbstüberforderung. Achten Sie dabei auf verallgemeinernde und übertreibende Schlussfolgerungen in Bezug auf sich selbst. Korrigieren Sie diese bewusst, z. B. mit dem Satz: »Es ist schade, dass ich weniger Lob erhalte als XY, aber deshalb bin ich noch lange nicht unnütz.«
Erwecken Sie bei anderen den Eindruck, Lob sei für Sie bedeutungslos? Wir brauchen die Anerkennung von anderen. Achten Sie bewusst darauf, wo und wie andere Ihnen gegenüber Anerkennung ausdrücken. Nehmen Sie Komplimente an, ohne sie innerlich abzuwerten. Neid wird zunehmend weniger, wenn wir lernen, Wünsche angemessen auszudrücken, über inneres Erleben zu reden, bei unterschiedlichen Bedürfnissen zu verhandeln und Konflikte anzusprechen.
Vertiefen Sie sich in das Bild vom »einen Leib« (1. Korinther 12). Gott hat es so eingerichtet, dass kein Glied am Leib alle Vorzüge in sich vereinigt. Es wird immer so sein, dass andere Menschen Gaben und Fähigkeiten haben, die uns fehlen, und umgekehrt. Wer sein Wohlbefinden ausschließlich auf seine vermeintlichen Vorzüge anderen gegenüber gründet, endet zwangsläufig in einer Sackgasse. Versuchen Sie, Ihre Gaben konkret zu benennen. Suchen Sie dazu das Gespräch mit anderen Menschen. Beschränken Sie sich dabei nicht nur auf die Dinge, die Sie »besser« können als andere, sondern beziehen Sie alles ein, was Sie »nur gut« können, was Ihnen Freude macht und was andere an Ihnen schätzen. So können Sie die vielen Aspekte entdecken, die Sie als Person unverwechselbar ausmachen.
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