Jenes Spezialgebiet der Technik, das Podesta virtuos beherrschte, war die Elektronik und innerhalb dieser wieder der Bau von Homorobots. Roboter baute man ja schon lange. Diese Roboter, auch Maschinenroboter genannt, unterschieden sich von gewöhnlichen Maschinen lediglich dadurch, daß sie ein sogenanntes elektronisches Gehirn hatten, das es ihnen ermöglichte, größere und zum Teil sogar ziemlich komplizierte Arbeitsvorgänge ohne zusätzliche menschliche Steuerung auszuführen.
Die Homorobots nun unterschieden sich von den Maschinenrobotern lediglich durch ihre äußere Gestalt. Es waren menschengroße Puppen, die zuerst auf Betreiben des Militärs zu Versuchszwecken entwickelt worden waren, dann vom Film verwendet wurden und schließlich in großem Maß von der Vergnügungsindustrie. Es gab zum Beispiel eine große Vergnügungs-AG, die mit Homorobots riesige Gladiatorenkämpfe veranstaltete. Während man den in Serie hergestellten Homorobots ihren Puppencharakter sofort ankannte, war dies bei den von Podesta gebauten Einzelstücken sehr schwierig, ja, für Laien beinahe unmöglich.
Dieser Umstand allein hätte natürlich nicht dazu ausgereicht, Podesta für ein Ungeheuer zu halten. Den Ruf eines Ungeheuers verdankte Podesta ausschließlich der Tatsache, das heißt dem einen ganzen Komplex von Tatsachen umschließenden Umstand, daß er mit einigen der von ihm gebauten Homorobots ein Automaten-Bordell (er nannte es aus Tarnungsgründen gegenüber der von den Rechtschreibekünsten ihrer Klienten nur eine geringe Meinung habenden Gewerbebehörde: Automaten-Puffet) eröffnete, einen Selbstbedienungsladen der niederen Leidenschaften sozusagen.
Hatte nun diese Idee und ihre Verwirklichung zweifellos an sich schon etwas Ungeheuerliches und Verruchtes, so schien Podesta durch die Art, wie er sein Unternehmen rechtfertigte und verteidigte, durch die Argumente, die er dabei verwendete, noch um vieles verruchter. Kaltschnäuzig behauptete er zum Beispiel, seine Sexrobots, wie er diese spezielle Art der Homorobots nannte, gäben der Menschheit während ihrer jahrtausendealten Geschichte das erste Mal Gelegenheit zur Verwirklichung der wahren Freiheit des Individuums. Seine Sexrobots, reine Geschöpfe des Verstandes, ohne eigentliches Leben, durch spezielle Gedächtnisschaltungen jedoch geladen mit erotischen Lavamassen und so imstande, Phantasie schlagartig in greif- und fühlbare Wirklichkeit umzusetzen, seien ein eklatanter Beweis für das Primat des Geistes. Keine Religion der Erde, dies war eines seiner Hauptargumente, kenne den Begriff eines sündhaften Umganges mit Maschinen.
Seine Sexrobots erschlössen neue Wirklichkeiten, sie seien der Schnittpunkt des Menschen mit der Idee der Technik schlechthin, in ihnen transzendiere die Technik in das Menschliche, sie ermöglichten das erste Mal, der sokratischen Forderung des „Erkenne dich selbst“ im vollen Seinsumfang zu entsprechen, sie stellten die Existenz des Individuums in Frage und gäben sie ihm gerade dadurch wieder zurück, sie erhöben die Sinnlichkeit zur Seinlichkeit, triebhafte, amorphe Gelüste durch die Gedächtnisschaltung zu profiliertem, beharrendem Sein, sein Sein seien sie Seiendem und so weiter und so fort.
Dies aber war nur eine Seite der Podestaischen Rechtfertigungen. Er scheute sich nämlich nicht, die Frage der Sexrobots etwa auch im Lichte der Fremdenverkehrswirtschaft zu betrachten, und hatte sogar die Stirn, in einem öffentlichen Brief ihre Umwandlung in ein Staatsmonopol zu beantragen.
Ebensowenig scheute er sich natürlich, für sein Unternehmen regelrechte Reklame zu betreiben, die zur Hauptsache auf die Billigkeit und Harmlosigkeit seiner Sexrobots hinwies.
Aber es sollte nicht lange dauern, und die zunächst schockierte Öffentlichkeit holte zu vernichtenden Gegenschlägen aus, die schließlich zur polizeilichen Schließung des Unternehmens führten. Es war das Präsidium des Verbandes bodenständiger Bordellbesitzer, das in einer aufrührenden Resolution zuerst flammenden Protest gegen das Bestehen des Podestaischen Automaten-Puffets einlegte.
In der Resolution wurden die Sexrobots als grober Betrug am gesunden Volksempfinden, als eine unabsehbare Gefährdung der Volksgesundheit und damit als verfassungswidrig bezeichnet und ihre vollständige Vernichtung gefordert.
Natürlich fehlte es nicht an Stimmen, die hämisch die moralische Entrüstung, die aus jedem Wort dieser Resolution sprach, als puren Geschäftsneid in den Dreck zu ziehen versuchten, aber sie verstummten, als bald darauf der Verband abendländischer Militärtechniker in einer kurzen Veröffentlichung lakonisch mitteilte, daß Podesta wegen unehrenhafter Erfindungen aus dem Verband ausgeschlossen worden sei. Ein hervorragendes Mitglied des Verbandes führte dazu im Rahmen einer allgemeinen Pressekonferenz erläuternd aus, daß die modernen Kriegsmethoden zwar durchaus Möglichkeiten für den Einsatz von Sexrobots böten, und zwar nicht nur im verhältnismäßig begrenzten Gebiet des Nachrichtendienstes; daß aber ihre Art zu funktionieren im Gegensatz zu den herkömmlichen Waffen wie Atombomben, Gasgranaten et cetera den fundamentalsten Begriffen der Menschlichkeit und Fairness widerspräche und daher ein internationales Verbot zu erwirken sei, das ihre Anwendung strengstens untersage.
Der Verband kommunistischer Militärtechniker schloß sich dieser Forderung sofort an und führte dazu in einem längeren Artikel seines Zentralorgans „Für Frieden und Freiheit“ aus, die Sexrobots des Scheusals Podesta, ursprünglich dazu bestimmt, die Werktätigen von ihren wahren Interessen abzulenken, hätten sich, zurückprallend von der geschlossenen Front aller wahrhaft fortschrittlich denkenden Menschen, in einen Bumerang verwandelt, der nun seine Urheber, die in den kapitalistischen Sümpfen hausenden Verbrecher, Banditen, Blutsauger und Ohrenschmalzfresser, selbst bedrohe. Deshalb fordere man auf kapitalistischer Seite dieses Verbot.
Eine Forderung, der man sich anschließe, nicht weil man von Sexrobots etwas zu befürchten hätte, sondern weil man im Gegensatz zur Dekadenz der verfallenen und verkommenen kapitalistischen Welt den Mut habe, eine Sache auch dann zu verbieten, wenn sie einem nicht schaden könne.
Und nun erfolgten in nicht abreißender Reihenfolge Proteste auf Proteste. Jeder Protest von rechts löste einen solchen von links aus und umgekehrt, und die Eintracht, mit der Podestas Sexrobots abgelehnt wurden, hätte durchaus echt gewirkt, hätten nicht gewisse Erscheinungen am Rande des Geschehens unübersehbar davor gewarnt, sie tatsächlich für echt zu halten. Erscheinungen, die bald erkennen ließen, daß diese sogenannte Einheit der Aktion, wie ein diesbezüglicher Leitartikel einer parteilosen Kulturzeitung betitelt war, lediglich in dem kümmerlichen Feuerchen bestand, auf dem alle ihr Süppchen kochen wollten. Was Wunder, daß es dabei ausging.
Nachdem ein antiklerikales Winkelblättchen in einer groß aufgemachten Sondernummer sich zu der Behauptung verstiegen hatte, Podesta sei ein jüdischjesuitischer Freimaurer, der mit Hilfe seiner bolschewistischen Helfershelfer im Auftrage Wallstreets die gesunden, nationalen Kräfte …, nachdem dies geschehen war, griff die Staatsanwaltschaft endlich ein.
Zu ihrer Ehre muß festgestellt werden, daß sie zuerst jene Sondernummer beschlagnahmte und dann erst an die Beschlagnahme und Schließung des Podestaischen Automaten-Puffets schritt. Zum Glück fand sich ein alter Paragraph, der es gestattete, Podesta den Prozess zu machen und sein Eigentum für verfallen zu erklären. Denn es wäre nicht auszudenken gewesen, was passiert wäre, hätte die Rechtslage eine Entschädigung Podestas für die unumgänglich notwendig gewordene Enteignung seines Besitzes erfordert. Eine Revolution oder gar ein Niedergang der allgemeinen Steuermoral wäre die ebenso unausbleibliche wie katastrophale Folge gewesen.
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