Jörg Rehmann - Herr Wunderwelt

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1989: Kurz nach seiner Ausreise nach Westberlin findet sich Dirk als Pfleger in der Residenz am Grunewald in Berlin wieder. Nicht, dass er eine Ausbildung hätte. Nicht, dass er jemals bleiben wollte. Er hatte eindeutig Größeres vor!
In alternativen Identitäten und erfundenen Biografien schummelt Dirk sich durch seine Wunderwelt: Mal spielt
er für eine transsexuelle Prostituierte den bissigen Hund, mal tanzt er für Ceausescu in New Yorks Straßen oder mimt im Ecstasy-Rausch den gelehrten Psychologen.
Jörg Rehmanns Debütroman ist ein tragikomisches Panoptikum einer Kindheit in der DDR und der Schwulenszene im Berlin der Neunzigerjahre.

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Von mir aus konnte Hedwig Courths-Mahler eine verlogene Sonstwasautorin sein. In ihren Büchern tauchte sie das Leben in Zuckerguss, und ich verschlang Seite für Seite. Ich wollte Gesellschaftsdame werden, bei einer Fürstin oder Gräfin. Page 55Oder im Westen in einem Reihenendhaus wohnen, wo ein Zwergkaninchen über den Rasen vor der Terrasse hoppelte, und im Sommer immer nach Italien in den Urlaub fliegen, in ein Hotel aus dem Reiseteil des OTTO-Katalogs. Meine Tante Irene aus Münster hatte zwei herausgerissene Seiten dagelassen. Nach der Kitschromanlektüre widmete ich mich den Reiseangeboten. Nie konnte ich mich entscheiden. Jedes Hotel im OTTO-Katalog lockte. Meinem Vater hatte Tante Irene einen Shell-Atlas geschenkt. Dort fand ich die Routen der Fähren nach Italien. Sie waren mit roten, dünnen Linien gekennzeichnet, darüber stand die Fahrtdauer. Am kürzesten war es von Dubrovnik nach Venedig. Vorher müsste ich es nach Jugoslawien schaffen. In der Jungen Welt hatte ich gelesen, dass die FDJ-Reisebüros sogar Reisen in das nichtsozialistische Ausland anboten. Ich nahm die Straßenbahn nach Merseburg. Im Jugendreisebüro sagten sie mir, ich solle wiederkommen, wenn ich achtzehn und in der Partei wäre, da man in Jugoslawien zwar einen Sozialismus aufbaue, aber einen, den wir nicht befürworteten.

Seit der achten Klasse wurde über meine Fehlzeiten im Schwimmunterricht gelacht. Meine Mitschüler prophezeiten, an welchem Tag ich wieder hohes Fieber bekommen würde. Ich wollte, dass sie sich schämen. Vor dem Schwimmunterricht hatten wir eine Stunde Englisch, und neben mir saß Steffen Schlumm mit den gut Page 56gepolsterten Oberschenkeln. In der Englischstunde simulierte ich einen Ohnmachtsanfall und landete auf Steffens Polster. Als der Krankenwagen kam und mit Blaulicht nach Merseburg fuhr, verstummten selbst die größten Lästermäuler in meiner Klasse. Im Krankenhaus würden sie entdecken, dass ich kerngesund war. Doch ich hatte vorgesorgt und mir ein paar blutdrucksenkende Tabletten aus dem Nachtschränkchen meiner Mutter eingepfiffen. Zur Beobachtung musste ich ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Das ließ hoffentlich die letzten Zweifler in meiner Klasse verstummen. Die Lehrer sprachen mich nie an. Ich bekam nur zu hören, dass sie in jeder Schwimmstunde beim Eintrag der Anwesenheit das Gesicht verzogen, wenn sie meinen Namen nannten.

Ich war der FDJ-Sekretär mit gesundheitlichen Handicaps. Erst in der zehnten Klasse riss Herrn Hoffmann, meinem Sportlehrer, der Geduldsfaden. Wieder hatten wir Englisch vor der Schwimmstunde, und ich wollte mich verdünnisieren und nach Hause gehen. Dieses Mal hatte ich die Rechnung ohne Herrn Hoffmann gemacht. Er wartete vor dem Unterrichtsraum auf mich, packte mich mit der rechten Hand am Nacken und ließ mich erst los, als wir das Buna-Bad erreicht hatten. Herr Hoffmann wartete vor der Umkleidekabine auf mich. Dort legte ich einen epileptischen Anfall vom Feinsten hin, krampfte, würgte und lallte. Der Krankenwagen kam nach wenigen Minuten, Page 57und Herrn Hoffmann wurde angst und bange. Ich durfte nie wieder auch nur eine Kletterstange berühren. Das war mehr, als ich erhofft hatte. In Sport erhielt ich eine Eins.

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In der Residenz spielte ich artiges Dummerchen. Seit sechs Monaten. Niemand sagte mir, dass ich die Probezeit bestanden hatte. Mein Name stand auf dem Dienstplan des nächsten Monats. Das genügte. Von nun an lockten Krankschreibungen. Die waren wie große Ferien und Kostproben des Rentnerdaseins. Sie versprachen Erlösung auf Zeit. Vor Doktor Max’ Praxis in der Reichenberger Straße standen die Patienten Schlange. Kleine gelbe stellte die Sprechstundenhilfe im Vorzimmer aus. Wer schwul war und drei Wochen blau machen wollte, musste mit Doktor Max essen gehen. Für vier Wochen war ein Fick fällig.

Meine Krankschreibungen nahmen immer unverschämtere Ausmaße an, und so lernte ich nach und nach alle Räumlichkeiten der Praxis um Mitternacht kennen. Doktor Max empfing mich dort in Stiefeln und Military-Hosen. Nach dem Sex musste ich mir Klagen über die Gängeleien der Krankenkassen und die Budgetierungen anhören. Es grenzte an ein Wunder, dass die deutsche Ärzteschaft noch nicht an einer Hungersnot verendet war. Ich ließ ihn jammern. Dann diktierte ich ihm die gewünschten Daten meiner Krankschreibung.

Später stellte mich Doktor Max’ Pensionierung vor neue Herausforderungen. In anderen Arztpraxen bot ich Kostproben meines schauspielerischen Talents. Fast immer wurde ich Page 59krankgeschrieben, aber meist nur für ein oder zwei Wochen. Das genügte mir nicht. Ich begann, von Krankheiten mit langwierigen Verläufen und Rückschlägen zu träumen. Ich pokerte mit meiner Gesundheit. Eine Ansteckung mit Salmonellen war kein großes Problem, zumindest nicht im Hochsommer, wenn man Döner Kebab aß, abends, wenn die Joghurtsoßen hoffentlich schon verdorben waren. Es funktionierte. In den nächsten Jahren bekam ich Salmonellen und die Ruhr, als könnte ich Krankheiten herbeizaubern. Der Preis dafür waren Krämpfe, Diäten und Gelbfärbungen. Ich zögerte die Abgabe der Stuhlproben hinaus. Nach drei negativen Ergebnissen war der Zaubertrick vorbei, und wieder drohte die Residenz.

Frau Bühling erwachte dort meist nach 22 Uhr, verließ ihr Bett und verfolgte mich mit ihrem Rollator. Frau Bühling fuhr Slalom. In jedem ihrer Tippelschritte lauerte ein Sturz. Aber sie stürzte niemals. Immer, wenn ich sie zurück in ihr Bett gebracht hatte, stand sie sofort wieder auf.

»Du spinnst doch, in der Nacht zu arbeiten!« Frau Bühling hatte Recht. Wer brauchte mich in der Villa, heute Nacht, jetzt? Heute war Samstag, und in Schöneberg im New Action tobte das schwule Leben. Ich verschloss die Villa, ging zur Haltestelle und fuhr mit dem Nachtbus zum Wittenbergplatz. Im New Action stand ich herum. Die Pornofilme auf den Monitoren störten mich. Es stank nach Bier und Pisse. Mit einer Flasche Page 60Incidinspray hätte man den Laden durchaus aufwerten können. Ich langweilte mich mehr als in der Residenz. Morgen früh würde alles auffliegen. Fristlos gekündigt wegen rektaler Auswärtsspiele. Im New Action nüchtern herumzustehen war so aufregend wie eine Teambesprechung unter Leitung der Äbtissin. Gegen vier Uhr kehrte ich in die Villa zurück, duschte, trank eine Kanne Kaffee und eröffnete die Waschstraße.

Mein Ausflug blieb unentdeckt. Von nun an übernahm ich an den Wochenenden gern den Nachtdienst. Nach Mitternacht versank ich im schwulen Bermudadreieck zwischen Nollendorf- und Wittenbergplatz. Eines Nachts sah ich dort Gregor. Ich erkannte ihn sofort. Seine Augen verrieten ihn. Ein Mann mit Mädchenaugen. Später sagte mir Gregor, mein Blick habe ihm Angst gemacht.

Es war eine laue Sommernacht, und vor Toms Bar standen Grüppchen schwuler Männer. Gregor stand allein, wie ich. Wenn mir damals, Anfang der neunziger Jahre, etwas panische Angst einflößen konnte, dann der wachsende Rechtsradikalismus in Deutschland. Die brennenden Asylantenheime, die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien, rechte Aufkleber an Straßenlaternen paralysierten mich. Ich las alles, was ich über Rechtsradikalismus in Zeitungen und Buchhandlungen finden konnte. Oft hatte ich geträumt, von Neonazis zusammengeschlagen zu werden. Ich wusste, wer vor mir stand. Gregor Fönzke, Chef der Nationalen Page 61Alternative in Dresden. Ich ging auf ihn zu und sprach ihn an. In dieser Nacht log er mir das Blaue vom Himmel herunter. Er nannte sich William und erfand eine abstruse Biografie, einen Kauderwelsch aus Ich-bin-Kanadier-studiere-Slawistik-in-Moskau-Berlin-ist-nur-eine-Zwischenstation-just-for-fun. So stellte ich mir einen Mann von Welt vor. Kanada! Moskau! Berlin just for fun! Und ich? Irmgard-Breugel-Haus, Station 4. Gregor war ein hochintelligenter, gesprächiger Mann, der mich zum Abschied küsste. Wir tauschten unsere Telefonnummern.

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