Sabria David - Die Sehnsucht nach dem nächsten Klick

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Soziale Medien und digitale Technologien haben unser Leben binnen kurzer Zeit radikal verändert. Doch wie können wir diesen grundlegenden Wandel selbstbestimmt mitsteuern?
Sabria David prägt für diesen positiven und souveränen Umgang mit Smartphone & Co. den Begriff der Medienresilienz. Es geht darum, die Digitalisierung nicht als ein rein technisches Phänomen misszuverstehen, sondern die urmenschlichen Sehnsüchte und Ängste, die uns ins Netz ziehen, in den Blick zu nehmen. Denn so können wir auch die Frage beantworten, was wir tun können, um in einer digitalen Welt glücklich und erfüllt zu leben.

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Sabria David

Die Sehnsucht nach dem nächsten Klick

Medienresilienz – wie wir glücklich werden in einer digitalen Welt

Patmos Verlag

Inhalt

Vorwort

Auftakt: Verstehen, was passiert

Glück in einer digitalen Welt

Suchen und Sehnen: Was uns ins Netz zieht

Bindung macht glücklich

Kontakt und Bezug

Die Rückkehr der Mündlichkeit

Narration – Geschichten, die uns mit der Welt verbinden

Reoralisierung – Das Gespräch hält Einzug in die Schriftkultur

You are the poet – Die Auflösung der Grenzen zwischen Sender und Empfänger

Der Wunsch nach Teilen, Mitteilen, Austauschen

Teilhabe, Partizipation, Prosumenten

Verantwortung und Selbstorganisation

Plattformkapitalismus und Sharing-Culture

Das Netz als Spiegel und Zeugnis meiner selbst

Spuren der Selbstbezeugung

Entfremdung und Verlust

»Ich« und »Wir« im digitalen Raum

Raum, Heimat und Grenzen

Grenzen in Zeiten der Globalisierung

Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes

Und wir brauchen sie doch: Heimat

Permanent beta: Alles fließt. Leben in ständiger Veränderung

Medienresilienz in der Praxis

Praxis Arbeit: Wie eine gute digitale Arbeitskultur gelingt

Praxis Bildung: Früh übt sich in Elternhäusern und Schulen

Praxis Gesellschaft: Was uns verbindet

Schluss und Ausblick

Dank

Nachbemerkung

Literatur

Anmerkungen

Über die Autorin

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Vorwort

»Das macht voll glücklich!«, sagte ein mir vertrauter, sehr lieber junger Mensch, strahlend von seinem Handy aufsehend. Glücklich? Ein Handy? Kann Technik jemanden glücklich machen?

Ja. Und nein. Es ist natürlich nicht die Technik selbst, die diesen jungen Menschen glücklich macht. Es ist der Kontakt mit der geliebten besten Freundin, der ihn in diesem Moment mit Strahlen und Glück erfüllt.

»Daran ist die Digitalisierung schuld!«, höre ich auf der anderen Seite oft. Ob Arbeitsplatzabbau, Bildungsdefizite, Hatespeech, der Verfall der Sprache, die Verrohung der Gesellschaft oder allgemein der Niedergang der Menschheit – die Digitalisierung muss (ausgesprochen oder unterschwellig) als Ursache für viele Übel unserer Zeit herhalten. Ist das so? Ist die Digitalisierung schuld an allem, was in unserer Gesellschaft schiefläuft? Natürlich nicht. An den meisten Effekten, die wir als negativ wahrnehmen, ist nicht die Digitalisierung selbst schuld, sondern unser Umgang mit ihr. Oder: das, was wir aus der Digitalisierung und mit ihr machen. Oft ergeben sich gerade aus der Kombination von Wirtschaftlichkeitslogik und digitalen Einsparpotenzialen Entscheidungen, die zwar wirtschaftlich effizient sind, sich aber ungut auf die Gesellschaft als Ganze auswirken. Tun wir uns einen Gefallen damit, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte von Entscheidungen isoliert zu betrachten?

Wenn es demnächst keine Kassiererinnen mehr gibt, die uns an der Supermarktkasse beim Bezahlen unserer Alltagswaren – ­wenigstens kurz – in die Augen sehen, dann ist das nicht eine zwangsläufige Folge aus der Möglichkeit, den Kaufprozess zu digitalisieren. Wenn Menschen, die Zeugen eines Autounfalls werden, die Rettungskräfte behindern, die Verletzten filmen und die Videos zeitgleich online posten, dann ist auch da nicht die Digitalisierung das eigentliche Problem.

Wenn ein Bildungssystem entscheidet, in den Grundschulen auf das Einüben einer Handschrift zu verzichten (Wegen der Digitalisierung! Es schreibt ja eh keiner mehr mit der Hand!), dann ist auch das eine Entscheidung und keine Notwendigkeit. Die Tatsache fortschreitender digitaler Kommunikation und Texterfassung zwingt in keiner Weise dazu, eine jahrtausendealte, bewährte und neurophysiologisch relevante Kulturtechnik wie die Handschrift abzuschaffen. Im Gegenteil könnte man daraus auch folgern, dass es umso notwendiger ist, die verschiedenen Kommunikationsformen sattelfest und trennscharf zu beherrschen: Befinde ich mich gerade in mündlicher oder schriftlicher Kommunikation? In Schrift oder gesprochener Sprache? Wie kann ich meinen Gedanken in welcher Form Ausdruck verleihen? Digitalisierung wird hier oft zu einem Feigenblatt für ganz andere gesellschaftliche Prozesse, die nicht immer auf den ersten Blick sichtbar sind. Sind diese Entscheidungen im Kontext der Digitalisierung getroffen, wirken sie sich wiederum auf die Gesellschaft und unseren öffentlichen Raum aus: Wird es demnächst noch Straßenschilder und Wegweiser geben, wenn sich die Menschen zunehmend mit Navigationssystemen orientieren? Gibt es dann noch einen Weg zurück, wenn das Navi ausfällt? Welche Auswirkungen hat es auf die Weltmärkte, wenn Hochfrequenzhandel nur noch automatisiert erfolgt? Verändert es die Gesellschaft, wenn nicht mehr Busfahrer, sondern künstliche Stimmen die Haltestellen ansagen?

Alle Digitalisierungsprozesse sollten auch auf mögliche gesellschaftliche Auswirkungen überprüft werden. Das hilft, Digitalisierung wirklich produktiv, sinnvoll und effektiv – zum Guten – zu nutzen, damit sie ihre Potenziale entfalten kann. Herauszufinden und zu definieren, was dieses »gut« für uns bedeutet, ist dabei eine wichtige gesellschaftliche Debatte, der wir nicht ausweichen sollten. Sie wird uns helfen, eine positive Vision zu entwickeln, die unserer Gesellschaft eine Richtung gibt.

Wenn es üblich wird, sich ausführlich im Einzelhandel zu beratungsintensiven Produkten beraten zu lassen und dann nach Hause zu gehen und sie sich online billiger zu bestellen, wird das Folgen haben. Es wird Folgen für die Geschäfte haben, die ihre Ladenmieten und die beratenden Mitarbeiter bezahlen müssen, ohne ihre Produkte verkaufen zu können. Werden diese Läden aufgegeben, wird sich das auf unsere Innenstädte auswirken, auf unseren öffentlichen Raum, auf uns alle. Man kann das so entscheiden. Aber an den Folgen ist nicht die Digitalisierung schuld, sondern eher ein gesellschaftliches Klima, in dem Solidarität kaum Wert hat und das isolierte Betrachten des Eigeninteresses legitimiert und begünstigt wird.

Alles hängt mit allem zusammen, ob wir wollen oder nicht. Gerade in Zeiten der Globalisierung. Die seltenen Erden in unseren Mobiltelefonen stammen aus afrikanischen Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht, vor dem Menschen nach Europa fliehen. Unsere preisgünstigen Möbel bestehen aus Sperrholz, für das in Rumänien Wälder abgeholzt werden. Unsere T-Shirts werden in asiatischen Textilfabriken hergestellt, in denen Kinder arbeiten, anstatt zur Schule zu gehen. Ein Virus kann sich über unsere Reiseroutinen blitzschnell um den Globus verbreiten. Und wenn die weltweite Zulieferung von Autoteilen, Desinfektions- und Arzneimitteln sich auf wenige Monopole einer Weltregion beschränkt, betrifft uns das alle. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Wenn wir also von Verantwortung sprechen, müssen wir von uns sprechen. Denn wir können zwar die Digitalisierung von den Folgen der Veränderungen freisprechen, aber nicht uns selbst. Wir tragen die Verantwortung dafür, wie wir mit einem so mächtigen ­Instrument wie digitaler Technik umgehen. Wir tragen die Verantwortung dafür, wo wir ihre Fähigkeiten nutzen und wo wir auf das Machbare verzichten, weil es uns in die falsche Richtung führt.

Was aber ist die falsche Richtung? Also: Was ist die richtige Richtung? Wo wollen wir hin? Wo wollen wir hin mit uns, mit unserer Gesellschaft? Wo soll uns unser Fortschritt hinführen?

Das genau ist unsere Verantwortung: Uns Gedanken darüber zu machen, welche digitale Gesellschaft wir überhaupt haben wollen; inmitten von ständiger Veränderung den Mut zu Visionen zu haben, und die Welt um uns herum so zu gestalten, wie wir es erstrebenswert finden.

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