»Und jetzt saug an dem Ding!«, forderte ihn Pickett auf.
Als Marten anfing, den Lauf zu lutschen, nickte Pickett zufrieden. »Sehr gut! Schaut ihn euch an!« Er lachte laut auf und schlug sich auf die Knie.
»Tu mir einen Gefallen und puste sein Gehirn heraus!«, sagte er dann sanft in Willards Richtung. Martens Augen blickten entsetzt. Doch Willard drückte unbarmherzig ab. Der Knall war stark gedämpft. Für einen Moment war das überraschte Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen noch da, im nächsten Moment schoss eine Feuerlanze aus dem Hinterkopf des armen Kerls, gefolgt von einer Blutfontäne und feinen Knochensplittern. Zuckend fiel der Körper zu Boden.
Fasziniert beobachtete Pickett das Todesspiel. Er spürte die Erregung in seiner Hose. Es fiel ihm schwer, nicht sein Glied herauszuholen und vor der versammelten Mannschaft zu masturbieren. Mühsam unterdrückte er die aufkommende Gier und wandte sich wieder an seine Männer: »Ich möchte, dass ihr meine Regeln und Gesetze respektiert. Wer auch immer sich an meiner Frau vergreift, wird dafür teuer bezahlen. Ist das klar?«
»JA, SIR!«, ertönte es lautstark.
»Sehr gut, sehr gut!« Pickett war zufrieden. Er wandte sich an Gary, der auf dem Planwagen Platz genommen hatte, um die Hinrichtung zu beobachten. »Gary, mein Lieber, ich fürchte, du musst zurück nach Cheops.«
»Geht klar, Boss!«, antwortete Gary und rutschte vom Wagen.
»Nimm den fetten Mexikaner … Ricardo … mit. Ihr beide seid ein eingespieltes Team.«
»Was sollen wir tun, Boss?«
»Such den General-Store auf und töte jeden einzelnen von Tonys Familie.«
»Okay … auch die Kinder?«
»Welches Wort von ›Töte jeden einzelnen von Tonys Familie‹ verstehst du nicht?«, fragte Desmond Pickett und eine Spur von neuerlichem Zorn schlich sich in seine Stimme.
»Wir brechen gleich auf, Boss!«
Pickett nickte zufrieden. »Lass uns zurück ins Haus gehen. Ich muss mich um meine geliebte russische Raubkatze kümmern. Katerina hat die ganze Sache sicherlich sehr zugesetzt!«
»Ich komme mit. Zu deiner eigenen Sicherheit!«, meinte Willard.
»Kümmert euch um die beiden Wichser hier!«, sagte Pickett zu niemand Bestimmten und deutete auf die Toten. »Meine Ameisen sind sehr, sehr hungrig.« Mit einer kurzen Handbewegung entließ er seine Leute und stiefelte mit Willard im Schlepptau zurück ins Haupthaus.
Fast hundertfünfzig Jahre später …
Die Sonne tauchte gemächlich hinter den Bergen auf und überflutete die Hutzwiese mit einem warmen goldenen Licht. Es sollte ein heißer Tag werden. In der Ferne erklang das Blöken einiger Schafe. Auf der verwilderten Gartenmauer war hier und da eine Zauneidechse zu sehen, die mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen aus ihrem Versteck gekrochen kam. Die Wiesen am Wegrand wirkten saftig und grün, ein leicht welliges Meer, das mit bunten Sommerblumen besprenkelt war. Einige Wanderer waren schon in den frühen Morgenstunden aufgebrochen, um sich an der schönen Odenwälder Natur zu ergötzen. Hier, inmitten der wunderbaren Wildnis, konnte man die Seele baumeln lassen.
Mit einem unguten Gefühl der Anspannung kehrte Don Tiki zur Hutzwiese zurück. Er achtete nicht auf die grüne Landschaft rings um ihn herum. Heute war der erste Tag, den er wieder zu Hause verbringen würde. Die erste Nacht alleine in seinem Haus! Drei Nächte durfte er auf dem Bauernhof verbringen. Die Frau von Bauer Fehndrich – ein resolutes Weib vor dem Herrn – hatte ihm gestern klar zu verstehen gegeben, dass die Zeit gekommen war, seine Zelte auf dem Hof abzubrechen. Man betreibe schließlich einen Bauernhof und keine Pension. Man müsse sich jetzt Gedanken machen, wie es weitergehe mit den heutigen Milchpreisen. Das alte Lied der Familie Fehndrich.
Und so war der Mann im bunten Hawaiihemd frühmorgens aufgebrochen, um nach Hause zu laufen. Einen Führerschein besaß er nicht mehr – den hatte er wegen Trunkenheit am Steuer verloren. Mit 2,1 Promille war er durch die Reichelsheimer Straßen gefahren, bevor er im Vollrausch an der Mauer der Kurklinik Göttmann hängen geblieben war. Da er über 1,6 Promille im Blut hatte, wurde von der Führerscheinstelle in Erbach eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet. War die Trunkenheitsfahrt nicht schon peinlich genug, so musste er jetzt auch noch zum Idiotentest. Die Prüfung hatte er bislang nicht angetreten. Er würde sie auch nie antreten. Sein Alkoholkonsum hatte mittlerweile eine Ebene erreicht, wo es ihm schwerfiel, aufs Trinken zu verzichten. Es waren die ersten Anzeichen einer Sucht, die sich in sein Trinkverhalten schlichen. Er selbst redete sich ein, dass zu einem waschechten Tiki-Fan auch ein richtiger Cocktail gehört. Mit einem Mocktail wollte und konnte er sich nicht anfreunden.
Im Sommer war es ganz angenehm, bei warmem Wetter längere Strecken zurückzulegen. Der Winter dagegen war die reinste Qual. Während Don Tiki schnaufend der Landstraße folgte, schaute er auf sein Handy, doch es hatte keine Anrufe in den letzten drei Tagen gegeben. Sein Freund Mike hatte sich nicht gemeldet! Das beunruhigte den Mann im Hawaiihemd ebenso sehr wie die Tatsache, dass er heute wieder zu Hause schlafen musste. Mike meldete sich sonst immer. Er überlegte, ob er die Polizei einschalten sollte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Gegen ihn lief noch eine Anzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Er war zwar auf das Polizeirevier in Erbach vorgeladen worden, aber zu dem Termin nie erschienen. Den beiden Polizisten, die ihm anschließend einen Besuch abstatteten, hatte er nicht die Tür geöffnet und toter Mann gespielt. Schon deshalb konnte er die Polizei nicht einschalten. Doch die Sache mit Mike bereitete ihm Sorgen. Auf dem Rückweg von Klein-Gumpen war er an Mikes Wohnhaus vorbeigekommen, hatte geklingelt, doch niemand hatte ihm aufgemacht. Er war ums Haus geschlichen, hatte durch die Verandatür ins Wohnzimmer geschaut, doch alles schien verlassen zu sein. Auch der Briefkasten war nicht geleert worden; die Werbung steckte noch immer im Briefkastenschlitz. Irgendetwas war vorgefallen und es stand in Verbindung mit den seltsamen Wesen im Wald. In seinem Kopf drehten sich die Gedanken im Kreis. Sein ganzes Denken war von seiner Entdeckung im Wald und dem Verschwinden von Mike bestimmt. Er malte sich die fürchterlichsten Horrorszenarien aus: wie ihn die Wesen des Nachts aufsuchten und aus seinem Bett zogen, um ihn später in dem alten verlassenen Bunker zu foltern. Es waren wahnsinnige Gedankengänge, die ihn nur schwer zur Ruhe kommen ließen.
Don Tiki atmete tief ein und aus, als er sein kleines Fachwerkhaus in der Ferne erblickte und beschloss, sich jetzt erst einmal einen ordentlichen Cocktail zu mixen. Bei der Hitze wirkte ein Long Island Ice Tea wahre Wunder.
Einige Autos fuhren an ihm vorbei; mit großen Augen schauten die Beifahrer ihn an. Er war halt durch und durch ein Freak. Ein Reichelsheimer Original! Dieser Gedanke zauberte für einen kurzen Augenblick ein Lächeln auf seine Lippen und er schloss fast beschwingt die Tür seines Wohnhauses auf. Drinnen war es kühler als draußen. Es roch muffig, denn die Fenster waren während seiner Abwesenheit allesamt geschlossen geblieben. Hastig eilte er zum Kühlschrank, kramte mehrere Flaschen Rum heraus und machte sich an die Arbeit, den gewünschten Cocktail zu kreieren. Er ging mit den Rumflaschen sehr großzügig um, denn er mochte seine Cocktails sehr stark. Es sollte eine großzügige Mischung werden. Nachdem er die ersten Schlucke genommen hatte, schienen sich seine aufgedrehten Gedanken wieder zu beruhigen. Der Alkohol wärmte seinen Magen; in seinen Gliedern breitete sich eine angenehme Schwere aus. Rum war die beste Medizin! Mit einem Seufzen schleuderte er seine Straßenschuhe von sich und schlüpfte in seine Sandalen. Von der Fensterbank nahm er seinen Hulakranz und legte ihn sich um den Hals. Jetzt bin ich wieder ein richtiger Mann! Er schlurfte zurück in den Hof und ließ sich schwerfällig in seinen Liegestuhl fallen. Von hier aus hatte er einen hervorragenden Blick auf die Wälder hinter der Wiese. Was auch immer passieren würde, seinen Augen würde nichts entgehen. In der rechten Hand hielt er sein kitschiges Cocktailglas, das einer Tiki-Gottheit nachempfunden war, und in der linken fest umschlossen sein Smartphone. Wenn dort oben in den Wäldern irgendetwas passierte, dann würde er es mit der Kamera festhalten. Dann hatte er einen Beweis!
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