Nicole Müller
PATRICK HOHMANN DER BIO-BAUM- WOLLPIONIER
Die Autorin und der Verlag bedanken sich für
die großzügige Unterstützung bei
Remei AG
Der rüffer&rub Sachbuchverlag wird vom Bundesamt
für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre
2016–2020 unterstützt.
Erste Auflage Frühjahr 2019
Alle Rechte vorbehalten
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Design E-Book: Clara Cendrós
ISBN Book: 978-3-906304-51-9
ISBN E-book: 978-3-906304-58-8
Vorwort | Anne Rüffer
Patrick Hohmann und das weiße Gold
Vom Samen zum Kleidungsstück
Eine Kindheit in Alexandria
Im Schatten der Pfullinger Unterhose
Elisabeth Hohmann Holdener: Ehefrau, Verbündete, Sparringpartner
Ein Baumwollhändler geht pleite
Patrick Hohmann und Jürg Peritz: Zwei Männer engagieren sich für die Nachhaltigkeit
bioRe® India Ltd.
bioRe® Tanzania Ltd.
Remei AG, bioRe® Stiftung, bioRe® Labels
Transparenz und Rückverfolgbarkeit vom fertigen Kleidungsstück bis zum Bauern
Das Lebenswerk loslassen
»Der Lebhag« von Meinrad Inglin
Patrick Hohmann zu seiner Lieblingserzählung »Der Lebhag«
»Der Lebhag« von Meinrad Inglin
Anhang
bioRe® Sustainable Cotton
bioRe® Sustainable Textiles
Welchen Beitrag können Sie als Konsument/in leisten?
Anmerkungen
Bildnachweis
Dank
Autorin
Meiner lieben Dida in Dankbarkeit
Vorwort
Anne Rüffer, Verlegerin
2. Dezember 2015, Genf. Im voll besetzten »Auditorium Ivan Pictet« hat sich ein hochrangiges Publikum versammelt, um die aktuellen Preisträger des Alternativen Nobelpreises zu ehren. Selten stimmt die Adresse eines Ortes so unmissverständlich mit den Inhalten der Veranstaltung überein wie an diesem Abend: »Maison de la Paix«. Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendriks und UN-Generaldirektor Michael Møller eröffnen den Anlass, der unter dem Titel steht: »On the Frontlines and in the Courtrooms: Forging Human Security.«
In der darauf folgenden Diskussion der vier Preisträger von 2015 fällt auf einmal die Aussage, die mich elektrisiert: »Die UN wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um nachfolgende Generationen vor der Geisel des Kriegs zu bewahren. Seither hat es über 170 Konflikte gegeben – und ihr habt die Möglichkeit einer Abschaffung von Kriegen nie diskutiert? Come on, guys, das ist doch unglaublich!« Verlegenes Gelächter und ungläubiges Staunen im Publikum, doch Dr. Gino Strada, Gründer der internationalen Hilfsorganisation »Emergency« weiß nur zu gut, wovon er spricht: Seit den frühen 1990er-Jahren baut er Kliniken in Kriegsregionen und kümmert sich um die zivilen Opfer – 10% sind Kämpfer der verschiedenen Kriegsparteien, 90% Zivilisten. Er beendete sein Statement mit der Feststellung: »Nennt mich ruhig einen Utopisten, denn alles ist eine Utopie, bis jemand seine Idee in die Tat umsetzt.«
Einer der wohl meistzitierten Sätze der letzten Jahrzehnte lautet: »I have a dream.« Nicht nur Martin Luther King hatte einen Traum – viele Menschen träumen von einer gerechteren Welt für alle. Und es sind einige darunter – mehr als wir wissen und noch lange nicht genug –, die ihren Traum mit Engagement, Herz und Verstand realisieren. Es sind Pioniere in ihren Bereichen, man mag sie – wie Gino Strada, Martin Luther King, Mutter Teresa oder Jody Williams – durchaus Utopisten nennen. Doch: Jede große Errungenschaft begann mit einer Idee, einer Hoffnung, einer Vision.
Den Funken einer Idee, einer Hoffnung, einer Vision weiterzutragen und damit ein Feuer des persönlichen Engagements zu entzünden, das ist die Absicht, die wir mit unserer neuen Reihe – wir nennen sie »rüffer&rub visionär« – verfolgen. Im Mittelpunkt steht die persönliche Auseinandersetzung der Autoren mit ihrem jeweiligen Thema. In packenden Worten berichten sie, wie sie auf die wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Frage aufmerksam geworden sind, und was sie dazu veranlasste, sich der Suche nach fundierten Antworten und nachhaltigen Lösungen zu verpflichten. Es sind engagierte Texte, die darlegen, was es heißt, eine persönliche Verpflichtung zu entwickeln und zu leben. Ob es sich um politische, gesellschaftliche, wissenschaftliche oder spirituelle Visionen handelt – allen Autoren gemeinsam ist die Sehnsucht nach einer besseren Welt und die Bereitschaft, sich mit aller Kraft dafür zu engagieren.
So vielfältig ihre Themen und Aktivitäten auch sein mögen – ihr Handeln geschieht aus der tiefen Überzeugung, dass eine bessere Zukunft auf einem gesunden Planeten für alle möglich ist. Und: Wir sind davon überzeugt, dass jeder von uns durch eigenes Handeln ein Teil der Lösung werden kann.
Patrick Hohmann und das weiße Gold
»Es kann nicht sein, dass ein Bauer aus Indien mein T-Shirt subventioniert.«
Ein Frühsommertag, es ist kalt und windig. Im Garten des Restaurants »Tisch + Bar«, in Riesch-Rotkreuz, haschen die Kellnerinnen nach den Speisekarten, die davonsegeln, während die Gäste mit dem Gewicht ihrer Hand die Servietten am Davonflattern hindern. Ein Kellner kniet am Boden und fegt die Scherben eines hinuntergefallenen Glases aus dem Kies. Patrick Hohmann will zahlen. Er beugt sich über das Kartenlesegerät, das ihm die Kellnerin entgegenschiebt, hält das Gerät mit beiden Händen umfangen. »Ich sehe ja nichts«, sagt er und lacht. Ein erster Tippversuch misslingt. Hohmann blickt auf und blinzelt hoch zum Gesicht der Kellnerin, geblendet vom Licht. »Ich kann nichts sehen«, sagt er und lacht noch immer, entzückt wie ein Kind, das mehrere Male hintereinander in eine Pfütze springt. Erneut beugt sich der groß gewachsene Mann über das Tippfeld, die Augen ganz nah am kleinen Bildschirm. »Jetzt hat es geklappt«, sagt er zufrieden und lehnt sich zurück. Nichts sehen und es doch nochmals versuchen. Hinausgehen ins Ungefähre, scheitern und einen weiteren Versuch unternehmen. Sich auf das Eigene konzentrieren, während die Welt davonfliegt. Es ist, als würde in dieser winzigen Szene im Kleinen sichtbar, was Patrick Hohmann als Unternehmer im Ganzen ausmacht.
Patrick Hohmann ist ein Pionier der Bio-Baumwolle. Die Firma Remei, die er zusammen mit seiner Frau Elisabeth Hohmann Holdener und weiteren Freunden gegründet hat, ist der größte Anbieter von Bio-Baumwolle weltweit. Die zertifizierte bioRe® Baumwolle und die bioRe® Textilien, die aus ihr hergestellt werden, genügen fünf Kriterien: Sie basieren auf biologischem Anbau, sind fair produziert, CO2-neutral, ökologisch und hautfreundlich. Darüber hinaus herrscht volle Transparenz über die gesamte Produktionskette. Konsumentinnen und Konsumenten können jeden einzelnen Zuarbeiter digital überprüfen, die ganze Linie zurück bis zum Bauern, der die Baumwolle ausgesät, großgezogen und geerntet hat.
Patrick Hohmann betrachtet das Geschäftsmodell, das er entwickelt hat, als Folge reiner Logik. Für den studierten Textilingenieur ist es selbstverständlich, dass man die Natur nicht mutwillig zerstört, wo sie doch die Lebensgrundlage aller Menschen ist, ganz gleich, auf welchem Kontinent sie leben. Auf Vernunft gründet für ihn auch ein Gemeinwesen, das in der Balance ist. Die ungleiche Behandlung von Menschen und die Tatsache, dass die Globalisierung den Armen ein asymmetrisches Risiko aufbürdet: Alles unlogisch. »Es kann doch nicht sein, dass ein indischer Bauer mein T-Shirt subventioniert«, so Hohmann.
Bis in die 1990er-Jahre hinein war Patrick Hohmann ein Garn- und Baumwollhändler wie andere auch. Eines Tages jedoch kommt Hohmann mit einem indischen Baumwollbauern ins Gespräch: »Ich wollte wissen, wie viel er verdient. Rund 1 Dollar pro Kilogramm. Und wie viel er davon in Chemie investiere: 70 Cents. Weil der Einsatz der Pestizide vom Staat zu 50% subventioniert ist, gehen gleichzeitig nochmals 70 Cents an die Chemie. Für wen arbeitet der Bauer also? Er hat keine Beziehung zum Händler oder zum Kunden, produziert ins Leere und verschuldet sich dabei erst noch.« Die betriebswirtschaftliche Absurdität geht Hohmann nicht mehr aus dem Kopf. Wie kann es sein, dass ein Produkt, das mehr als 1,40 Dollar Aufwand erzeugt, nur einen Dollar einbringt? Und wie kommt es, dass die Menschen in der Landwirtschaft kaum etwas verdienen, während am anderen Ende der Produktionskette, beim Geschäft mit der fertigen Kleidung, die Gewinne nur so sprudeln?
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