Biologische Baumwolle
Faire Produktion
Ökologisch und hautfreundlich
CO2-neutral
Rückverfolgbar bis zum Anbau
Es gibt unzählige Stellschrauben und Parameter, die die Lieferkette beeinflussen können. Zu ihnen zählen klimatische und kulturelle Gegebenheiten, regulatorische Bestimmungen, Infrastrukturen und Innovationen, Trends und nicht zuletzt die Bereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten, komplizierte Prozesse zu verstehen, finanziell und ideell mitzutragen. Partnerschaftliche Beziehungen und gegenseitiges Verständnis sind wichtig auf dem Weg zu Kleidungsstücken, die mit der Natur und mit den Menschen und nicht gegen sie produziert werden.
Eine Kindheit in Alexandria
»Ich bin schon sehr früh einem Ruf gefolgt.«
Treibende Kraft in der Familie, in die Patrick Hohmann hineingeboren wurde, war zweifelsohne seine Mutter. Ellen Hohmann, geborene Collins, wurde 1920 im französischen Städtchen Bar-sur-Aube geboren. Ihr Vater Charles Collins war ein nach Amerika ausgewanderter Ire mit britischem Pass. Im Ersten Weltkrieg musste Collins nach Europa zurückkehren, um unter britischer Flagge zu kämpfen. Irland war damals noch nicht unabhängig, sondern Teil des Vereinigten Königreiches. Als Collins sich in die Französin Annemarie Thierry verliebte, heiratete er und blieb bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Bar-sur-Aube.
In den Adern von Ellen Hohmann Collins floss das Blut der Revolution. Zu ihren Vorfahren gehörte nämlich Daniel O’Connell (1775–1847), dem in jeder irischen Kleinstadt eine Straße gewidmet ist. Daniel O’Connell war ein Freiheitskämpfer, der die Gleichstellung von Katholiken und Protestanten anstrebte und auch erreichte. Er strebte außerdem die Gleichberechtigung der Bauern und der Juden an. Das zweite große Anliegen von Daniel O’Connell als Abgeordneter im britischen Unterhaus war die Aufhebung der Union von Großbritannien und Irland. Dabei setzte der überaus populäre Politiker auf Massendemonstrationen und gewaltfreien Widerstand. Seine Prophezeiung, dass dieser Kampf ein gewaltsames Ende nehmen würde, wenn sich die britische Elite nicht rechtzeitig bewege, sollte sich leider bewahrheiten.
Ellen Collins war eine groß gewachsene, überaus intelligente und attraktive junge Frau, die umgehend gegen die Nazis Stellung bezog, als diese in Europa an die Macht kamen. Noch minderjährig, bewarb sie sich bei der Royal Air Force, konnte aber die Stelle nicht antreten, weil ihr der Vater die Unterschrift verweigerte: Irland war inzwischen unabhängig geworden, und eine Collins sollte seiner Ansicht nach nicht freiwillig unter britischer Flagge kämpfen.
Als die Deutschen im Frühling 1940 den Blitzkrieg beginnen und Frankreich besetzen, flüchtet die Familie mit dem letzten Schiff nach Dover und von dort aus nach London. Inzwischen ist Ellen Collins volljährig. Sie bewirbt sich erneut als Teletypistin bei der Royal Air Force und wird angenommen. Sie ist bereits auf dem Schiff auf dem Weg zu ihrem Posten in Palästina, als es dort zu Bombardierungen kommt. Das Schiff wird umgeleitet und landet schließlich in Alexandria, Ägypten.
Eine ganz andere Vorgeschichte hat der Vater von Patrick Hohmann. Gerhart Wilhelm Hohmann, geboren 1910, ist ein Waisenkind und stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater stirbt 1926 an einem Herzversagen, kurz darauf erkrankt seine Mutter an Tuberkulose und stirbt ebenfalls.
Für Gerhart, den ältesten von insgesamt vier Brüdern, organisiert sein Vormund ein Zimmer bei einer Familie, damit er seine Lehre als Kaufmann beenden kann. Seine Brüder werden im Waisenhaus untergebracht. Gerhart Hohmann besteht die Lehrabschlussprüfungen mit einem so glänzenden Resultat, dass man ihm gleich eine Stelle bei der Reinhart AG in Winterthur anbietet. Der Name des Unternehmens ist der breiteren Öffentlichkeit vor allem aufgrund des Mäzenatentums der Gründer geläufig. So ist etwa die Sammlung Reinhart in Winterthur mit ihren Kunstschätzen international als Kleinod von hoher Qualität geachtet. Weniger präsent ist die Tatsache, dass die Firma bis heute zu den größten Baumwollhändlern der Welt gehört: 5–6% der gesamten Jahresproduktion an Baumwolle werden nach wie vor an den Tischen der Reinhart AG in Winterthur abgewickelt.
Für Gerhart Hohmann erweist sich die Stelle bei der Reinhart AG als Glücksfall. 1929 wird dem jungen Kaufmann eine aussichtsreiche Stelle angeboten: Er kann als persönlicher Sekretär von Albert Reinhart entweder in Indien oder Ägypten arbeiten. Hohmann entscheidet sich für Ägypten. Von dort aus nämlich ist es einfacher, in die Schweiz zu reisen, um seine Brüder, die nach wie vor im Waisenhaus leben, zu besuchen. 1949 – Gerhart Hohmann hat sich inzwischen in der Firma Reinhart zum vollamtlichen Baumwollhändler hochgearbeitet – wird er Teilhaber der in Ägypten domizilierten Escher AG, einer Handelsfirma für Baumwolle, die er schließlich ganz übernimmt.
Die Ehe der Eltern war wie Feuer und Wasser. Auf der einen Seite der stille, tüchtige und gewissenhafte Vater mit einem ausgeprägten Hang zum Abenteuer. Wenn ihn seine Frau nicht daran gehindert hätte, wäre Gerhart Hohmann ohne Weiteres alleine im Faltboot den Weißen Nil entlanggepaddelt. Auf der anderen Seite die standesbewusste, temperamentvolle Frau aus guter Familie, die nach all den im Bunker verbrachten Bombennächten in London eine leise Verachtung für die vom Krieg verschonten Schweizer pflegte. Ellen Hohmann Collins weiß sich auf dem gesellschaftlichen Parkett in Alexandria sicher zu bewegen, ihrem Ehemann gefällt das. Sie hat ausgezeichnete Manieren, ist geistreich und gebildet. In Ägypten beginnt sie, sich mit Archäologie zu beschäftigen, das einzige Hobby, das ihren Ehemann ebenso sehr begeistert wie sie selbst. Im Übrigen wird Ellen Hohmann Collins eine schwierige Persönlichkeit nachgesagt. Wertschätzung für die Leistungen anderer Menschen zu zeigen fällt ihr nicht leicht. Sie hat eine genaue Vorstellung davon, wie die Dinge zu sein haben. Spielraum für Verhandlungen gibt es nicht. So wird sie – ganz dickköpfige Irin – ihrem Mann bis ans Ende seines Lebens zusetzen und ihn dazu drängen, zum Katholizismus zu konvertieren. Gerhart Hohmann bleibt Protestant, ist aber einverstanden, dass seine Söhne eine katholische Erziehung genießen.
Читать дальше