Nur diesem Glauben habe ich es zu verdanken, dass ich imstande war, meinem Aufstieg in den innersten Zirkel der Freimaurerei ein Ende zu setzen. Wie die meisten Freimaurer, die oft aufrichtige Menschen sind, war ich von der Philosophie der Gruppe, der ich meinen Eid geschworen hatte, derart »absorbiert«, dass ich die Tragweite dieses Initiationsprozesses nicht hatte einschätzen können.
Als ich im Februar 1989 den Freimaurern beigetreten war, hatte ich mich von der List des bösen Feindes täuschen lassen und ihm, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein, die Schlüssel zu meiner Seele ausgehändigt. »Praktiken, die auf die Entfaltung okkulten Wissens oder okkulter Fähigkeiten abzielen, sind immer stillschweigende Pakte, Verträge mit dem Dämon.« 11Tatsächlich ist die Freimaurerei ein Werkzeug des Teufels und zieht einen Pakt mit dem Bösen nach sich, der oft unbewusst geschlossen wird. Ich sage dies nicht, um die zahlreichen Freimaurer an den Pranger zu stellen, denn auch sie sind in aller Regel unfreiwillige Opfer: »Heute benutzt er [der Teufel] die Freimaurerei, um unter dem Vorwand, sie der göttlichen Autorität zu entziehen, möglichst viele Seelen in seinen Netzen zu fangen. Dieser erbitterte Krieg gegen die Kirche, den man im 18. Jahrhundert im Namen der Aufklärung geführt hat und der heute im barbarischen Namen des Laizismus geführt wird, lässt sich nur mit dem Einfluss des Geistes der Bosheit erklären.« 12
Wie wir im Verlauf dieses Buches sehen werden, ist das Vorgehen Luzifers durch die Freimaurerei so gefährlich, weil es nicht explizit zutage tritt. Wer sich um die Teilnahme am freimaurerischen Abenteuer bewirbt – und bereits der allgemeinen Entchristianisierung verfallen ist –, ahnt nichts von seiner tatsächlichen Wirksamkeit. Wie die meisten anderen hatte auch ich das »Licht« gesucht, ohne zu wissen, dass es in der Liebe Christi schon längst an meiner Seite war. 300 Jahre der »Entkatholisierung« Frankreichs – eine direkte Folge freimaurerischer Umtriebe – hatten mich, so wie viele meiner Logenbrüder und -schwestern, von der Kirche entfernt. Und in diesem spirituellen Vakuum, in dem ich mich befunden hatte, war ich aufrichtig davon überzeugt gewesen, dass die Freimaurerei sich für das »Glück der Menschheit« einsetzte. Wer würde sich daran nicht beteiligen wollen? Doch die freimaurerischen Worte waren raffinierte Tricks, hinter denen sich andere, weniger lobenswerte Ziele verbargen: Geschäftemacherei, politische Intrigen, das Knüpfen vorteilhafter Beziehungen – und vor allem Zugang zu den Mächtigen durch die Einführung durch Bekannte. Am Ende begriff ich, dass das »Glück« nach freimaurerischem Verständnis nichts mit dem »Heil« zu tun hat, das Jesus uns gelehrt und zu dem er uns den Weg gewiesen hat. Den Freimaurern ging es um eine andere Art von »Glück«. Ein »Glück«, das sie mit der sofortigen und uneingeschränkten Verwirklichung ihres persönlichen Vergnügens verwechselten: Das, was die Freimaurerei für echte Freiheit hält, ist in Wirklichkeit blanker Individualismus.
I. Im Schatten der Symbole
Sinn und Tragweite der freimaurerischen Symbole
Die freimaurerischen Symbole sind alles andere als harmlos. Sie öffnen, wie wir noch sehen werden, der Esoterik Tür und Tor. Sie führen den Eingeweihten in ein vollkommen anderes Denk- und Wertesystem hinein.
Vom ersten Tag seiner Initiation stürmt diese neue Welt auf den Adepten ein, der mit jedem Grad neue Symbole entdeckt. Die freimaurerischen Symbole sind materiell – Hammer, Meißel, Maßstab, Winkelmaß, Zirkel, Senkblei, Brecheisen, Schurze, freimaurerische Handschuhe und Schärpen usw. – oder immateriell – Rituale, Platzwechsel in der Loge, Sitzordnung der Freimaurer gemäß ihrem Grad, Sitzordnung der Beamten, Regeln, die es bei Wortmeldungen zu beachten gilt, rituelle Vorrechte der Beamten, Worte, die gesprochen, und Texte, die rezitiert werden, sowie Gesten bei den Zeremonien der Einweihung oder der Erhebung zu den verschiedenen Graden. Auch kosmogonische 1Darstellungen wie die Tierkreiszeichen, der Mond und die Sonne oder metaphysische Darstellungen können Symbole sein: in den blauen Logen etwa das Allsehende Auge oder der Flammenstern, in den Hochgraden das Synthem: ein schwarzer Kreis auf blauem Grund, darin ein weißes gleichseitiges Dreieck, innerhalb dessen sich ein goldener fünfzackiger Stern befindet (im IV. Grad des Geheimen Meisters), und Jupiter, symbolisiert durch einen goldenen Stern hinter dem Platz des Erhabenen Großmeisters 2(im XII. Grad des Großarchitekten).
Man muss wissen, dass das freimaurerische Symbol seiner Natur nach absolut nichts mit der christlichen Symbolik zu tun hat. Letztere dient allein dem Zweck, eine geoffenbarte Wahrheit darzustellen. Das freimaurerische Symbol dagegen soll ein Wissen bewusst machen, das der Eingeweihte unbewusst in sich trägt: »Die freimaurerischen Symbole sind also dazu da, uns die Wahrheiten zu veranschaulichen, die in uns sind. Sie sind ein getreues Abbild dessen, was in unserem Geist vorhanden ist.« 3
Daher können die freimaurerischen Symbole auf mehreren Ebenen gedeutet werden: auf einer exoterischen, das heißt erkennbaren und allgemein verständlichen Ebene, und auf einer esoterischen Ebene, die nur im Initiationsgeheimnis zugänglich wird. Die erstgenannte Ebene appelliert somit an den gesunden Menschenverstand der »profanen« Vorstellungswelt. Die zweitgenannte dagegen verweist auf das, was verborgen, geheim und nur dem Eingeweihten zugänglich ist.
Der Schurz, den die Freimaurer tragen, gehört zum Beispiel zu den typischsten Symbolen der Initiationsgemeinschaft. 4Dieses Kleidungsstück – darin besteht seine übliche und profane Funktion – soll seinen Träger schützen. Das ist auch die objektive Bedeutung, die ihm die Freimaurerei beimisst. Darüber hinaus aber hat der Schurz in der Loge einen verborgenen, mehr esoterischen Sinn: Der Lehrling trägt einen Schurz, dessen dreieckige Klappe nach oben zeigt. Profan gesprochen dient dies, wie oben gesehen, dem Schutz des Solarplexus. Doch auf der Ebene der geheimen Symbolik entspricht dieser Teil des Körpers, wie ein besonders eingeweihter und sachkundiger Autor schreibt, »dem Nabelchakra , von dem die ›Gefühle‹ und ›Emotionen‹ abhängen, vor denen sich vor allem der Lehrling schützen muss, um zu jener Heiterkeit des Geistes zu gelangen, die ihn zu einem echten Eingeweihten machen wird«. 5Aus diesem Grund tragen der Geselle und der Meister die Klappe ihres Schurzes nach unten geklappt: Sie verfügen über ein Wissen der Eingeweihten, aufgrund dessen sie nicht länger befürchten müssen, dass ihre Suche von ihren Emotionen und Gefühlen beherrscht wird.
Nach seiner Initiationszeremonie, bei der man ihm sagt: »Hier 6ist alles Symbol« und: »Suche, und du wirst finden« 7, hat der Freimaurer genau verstanden, dass außer der Symbolik in der Loge nichts existiert. Die »Wahrheit« selbst wird auf geheime 8Weise vom Symbol getragen, und gleichzeitig gewährt das Symbol Zugang zu dieser freimaurerischen Wahrheit .
Das Symbol spielt in dieser Geheimgesellschaft eine so wichtige Rolle, dass die Freimaurerei ohne ihre Symbole völlig substanzlos wäre: »Man muss sich einfach bewusst machen und als grundlegende Gegebenheit anerkennen, dass dieses symbolische Universum mit der Freimaurerei im Wesentlichen identisch ist, mehr noch, dass diese ohne es jedwede Besonderheit oder gar ihre ganze Bedeutung und ihren eigentlichen Daseinsgrund verlieren würde. Mit anderen Worten, ohne die Symbole und die Dynamik, die sie daraus schöpft, gäbe es die Freimaurerei nicht mehr.« 9
Während meiner Zeit als Freimaurer, in der ich mich vom Grad des Lehrlings zu dem eines Großarchitekten hochgearbeitet und unter anderem die Ämter des Schaffners, des Zeremonienmeisters, des Zweiten Aufsehers und des Meisters vom Stuhl bekleidet habe, konnte ich beobachten, dass die Wirksamkeit der Symbole durchaus real ist: Das Symbol wirkt tatsächlich insgeheim auf den menschlichen Geist. Darüber werden wir im vorliegenden Buch noch Genaueres erfahren, wenn wir uns mit einer Symbolik befassen, die in Ritualen organisiert ist: in Ritualen, die einer regelrechten Magie Tür und Tor öffnen und sich sogar ganz unmissverständlich auf Luzifer beziehen. Besagte Symbolik soll, wie ich bezeugen kann – und darum geht es in diesem ersten Teil –, im Zuge ihrer fortschreitenden Aneignung durch den Eingeweihten eine Werteskala, eine Weltanschauung und ein gedankliches Bezugssystem bilden, das der freimaurerischen Doxa 10entspricht und allen Freimaurern gemeinsam ist. Zu demselben Ergebnis kommen übrigens auch die eben zitierten Autoren: »Die Freimaurerei ist ›ein allegorisch bemänteltes und durch Symbole veranschaulichtes moralisches System‹.« 11
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