„Warum würdest du so etwas wollen?“
„Weil du nicht länger jemandes süße, reine, naive Prinzessin bist. Du lebst nicht mehr in deinem Elfenbeinturm. Du besitzt ihn. Du wirst lernen von ihm aus zu herrschen, denn das ist, was es bedeutet eine königliche Calavera zu sein. Und dieses Kleid ist weitaus passender für eine Königin.“
Eine Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper, bei dieser Androhung, diesem Versprechen, dass ich ab jetzt eine von ihnen war. Eine Calavera. Wie eine Krone verwandelte mich schwarze Spitze von der erwartungsvollen Braut in die First Lady eines Kartells. Die komplizierte Korsage legte sich um meine Brust und meine Taille, und der breite Ausschnitt ging bis zu den Schultern, legte sie beinahe frei.
Von hinten fuhr Cristiano mit den Händen über den Stoff der über meinen Brüsten lag und kam an meiner Taille zum Stillstand.
„Der Gedanke, dass den ganzen Abend lang nichts außer Spitzenstoff zwischen uns sein wird, reicht aus, um mich in den Wahnsinn zu treiben.“ Härte lag in seinen Worten und die Rauheit in seiner Stimme brachte Körperstellen zum Vibrieren, die mich beschämten. „Aber ich will nicht, dass andere Männer sich an dir aufgeilen. Vielleicht sollte ich sie warnen, bevor wir ankommen. Dass ich jedem der seine Blicke zu lang auf dich legt die Augäpfel herausschneiden werde.“
„Was für Männer?“ Meine Atmung ging schneller bei seiner vielsagenden Berührung und dieser detaillierten Androhung. „Wo ankommen?“
„Ich vermute, sie wissen es bereits.“ Fuhr Cristiano mit seinen lauten Überlegungen fort, wobei er seine Hüften gegen meinen unteren Rücken schob und mir sein Verlangen damit deutlich machte. „Nach all den Umständen, die ich mir gemacht habe, um dich zu kriegen und die Opfer, die ich gebracht habe, werden sie nicht infrage stellen, dass das, was mir ist, auch mir gehört.“
Ich war hilflos in seinem Griff. Seine großen Hände griffen fester um meine Taille, seine Erektion lag kraftvoll an meinem Rücken. Konnte eine gewisse Art von Zufriedenheit darin liegen, dass ich mich selbst dem Unausweichlichen auslieferte? Darin mich einem Mann zu unterwerfen, der so stark und selbstsicher war und Dinge mit mir vorhatte? Bei der Art wie er mich herumkommandierte begann mein Herz zu klopfen. Ich vermutete, es lag eine gewisse Schönheit darin, sich in Resignation wiederzufinden.
Doch diese Befriedigung würde ich ihm nicht geben.
Ich konnte es mir nicht leisten mich daran zu erinnern, dass es einmal eine Zeit gab, in der ich mich bei ihm sicher gefühlt hatte. Sogar vor elf Jahren, als verängstigtes kleines Mädchen, das gerade ins Zimmer gekommen war, als Cristiano über dem leblosen Körper meiner Mutter stand. Später hatte ich das seltsame und unerwartete Gefühl von Trost in seinen Armen empfunden. Als er mich in den rabenschwarzen Tunnel heruntergetragen hatte.
„Du behauptest, dass das, was dir gehört, deins ist. Aber ich habe Gerüchte gehört über deine Leute. Wirst du zulassen, dass sie mich anfassen? Mich benutzen? Sag es mir jetzt, damit ich weiß, was ich zu erwarten habe. Gehöre ich dir oder dem Calavera Kartell?“
Er schob seine Hand hoch über meinen Brustkorb. Seine Haut war warm auf meiner und legte sich locker um meinen Hals. „Was auch immer geschehen wird, glaube mir. Du wirst es lieben.“
Nein.
Der Gedanke mehreren Männern zu dienen löste in mir mehr Fluchtinstinkte aus, als alles andere, was bisher passiert war. Und die Andeutung, dass ich es genießen würde? Das war genauso obszön und furchterregend.
„Ich werde dich für jetzt loslassen, denn sonst würde ich dich in Gottes Haus nehmen. Und ich wäre vielleicht nicht in der Lage, vor dem Morgengrauen damit aufzuhören.“
Er ließ ab von mir und ich blieb atemlos und verwirrt zurück. Meine Beine zitterten, während ich mich vorbeugte und meine Sachen aufnahm.
„Lass das alles liegen. Meine Leute werden es entsorgen.“
Ich hob die kostbare elfenbeinfarbene Spitze meines heruntergefallenen Hochzeitskleides auf und fuhr mit dem Fingernagel über den langen Riss darin. „Ich will es mitnehmen.“
„Dort, wo wir hingehen wirst du es nicht benötigen. Max hat deine Koffer schon ins Auto geladen.“
„Es gehörte meiner Mutter“, sagte ich schnell.
Ich sah zu ihm hoch, genau wie vor elf Jahren, als er über ihr stand während sie ausblutete. Über mir stand. Mit Blut an der Hose und einer Waffe in der Hand. Ich erinnerte mich an ihn, als den allerbrutalsten und doch beschützendsten Mann auf der ganzen Welt.
Seine Kraft und Stärke hatten sich seither vervielfacht.
Seine Lippen formten eine Linie, als er sich vorbeugte und mir den Stoff aus den Händen nahm. Nachdem er das Kleid und meinen BH aufgehoben hatte, stellte er sich aufrecht hin.
„Komm.“
„Wo gehen wir hin?“
„Nach Hause.“
Natalia
Trotz des grauen Himmels waren am Ostersonntag viele Menschen auf der Plaza versammelt. Der Duft von frittierten Kochbananen lag in der Luft. Die Einwohner tanzten, tranken Horchata und verspeisten Empanadas während die Kinder um Süßigkeiten, Ballons und Spielsachen von den Ständen bettelten.
Es sah aus, als ob Diego der einzige Mensch war, der bei all diesen Festivitäten fehlte.
Ein paar schwarze Land Rover mit getönten Scheiben parkten am Straßenrand vor der Kirche. Cristiano geleitete mich zu dem zweiten, übergab meine Sachen dem Fahrer und öffnete die Tür zu den Rücksitzen.
Einzusteigen war gleichbedeutend mit meiner Unterwerfung Cristiano gegenüber. Sowie ich drin wäre, wäre ich für die Welt so gut wie verloren. Mein Handy war in der Tasche, die ich zur Kirche mitgebracht und die man irgendwo hingeschafft hatte. Ich war nicht so naiv zu denken, dass ich so schnell wieder zurückkommen würde. Wenn überhaupt. Ich sah zu dem Platz herüber.
„Barto sollte mich jeden Augenblick abholen kommen. Er denkt, er bringt mich zum Flughafen zu meinem Vater.“
„Dann solltest du lieber einsteigen, damit ich mit ihm nicht aneinander gerate. Lass die Verzögerungstaktiken.“
Ich bückte mich, um den Riemen an meinem Schuh zu öffnen. „Mir tun die Füße weh“, erklärte ich und blickte dabei verstohlen auf die Stufen der Treppe zur Kirche und dann in die Menschenmenge, um nach Diego zu schauen. Ihn noch ein letztes Mal zu sehen würde mir nichts helfen, aber es fühlte sich nicht richtig an, einfach wegzufahren.
„Wenn er weiß, was gut für ihn ist, ist er weg“, sagte Cristiano und mein Blick schoss zu ihm hoch. Er sah auf mich hinab.
Von einem Augenblick auf den anderen hatte sich mein gesamtes Leben umgekrempelt. Diego war nirgends zu sehen, sein Bruder nahm mein gesamtes Sichtfeld ein und nannte mich jetzt seine Frau.
„Vergiss die Schuhe“, sagte Cristiano. „Steig ein und erwähne nicht mehr seinen Namen, sonst, so wahr mir Gott helfe, werde ich …“
„Was?“ Ich stellte mich aufrecht hin. „Wirst du mich von den mir liebsten Menschen trennen und mich zu einem Leben verdammen, das ich niemals führen wollte?“
Er verengte den Blick. Was sollte er auch sagen, es war die Wahrheit. Mein Schicksal war besiegelt.
Ich stieg ein, bevor Cristiano etwas erwidern konnte. Er zog das Jackett aus, während er zunächst zu dem ersten SUV ging und mit dem Fahrer sprach. Ich blickte aus dem Seitenfenster, betrachtete den Marktplatz. Bis ich Diego wiedersah, würde die Niedergeschlagenheit in seiner Haltung, als Cristiano jeden außer mir aus der Kirche befohlen hatte, meine letzte Erinnerung an ihn sein.
Das Herz wurde mir schwer. Diego hatte mich weggegeben. Er hatte keine Wahl gehabt. Cristiano hatte entschieden, dass er unsere Familien und sein Kartell mit dem meines Vaters miteinander verbinden wollte, also hatte er es möglich gemacht. Nichts hätte ihn aufhalten können.
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