ES IST ANGERICHTET
Sein TROPFT SIE SCHON? war eine rein rhetorische Frage, denn erstens musste er davon ausgehen, nach alldem, was die beiden in den letzten Wochen miteinander besprochen hatten, und zweitens wartete er ihre Antwort gar nicht mehr ab. Wahrscheinlich verließ er auf der Stelle sein Zuhause.
Deshalb wollte Stella keine Zeit verlieren. Sie hatte jetzt Pi mal Daumen eine halbe Stunde Zeit, bis Sascha eintraf und ihr die Pussy wund leckte. Das reichte allemal, um unter die Dusche zu springen. Rasiert war sie und viel anziehen würde sie eh nicht.
Sie entschied sich für eine Unterwäsche, die sie kürzlich im KaDeWe erstanden hatte. Sie genoss Einkäufe dieser Art und bei vulgären Outfits konnte es passieren, dass sie auf dem Weg nach Hause nass wurde und in ihrer Wohnung, spätestens bei der Anprobe, erst einmal Hand anlegen musste.
Fürsorglich nahm sie die Reizwäsche aus einer der drei Schubladen, die ausschließlich Dessous beinhalteten und ihr Allerheiligtum darstellten. Der transparente Stoff, der über den Nippeln und ihrer Schnecke mit Löchern versehen war, schimmerte schwarz und wurde außen von einer kleinen violetten Kante umrandet. Satinbänder aus zartem Rosa waren an den jeweiligen Öffnungen befestigt, um als Schleife gebunden oder bei Bedarf geöffnet zu werden. Sie hatte sich für die Kategorie sinnlich verrucht entschieden, weil das nach ihrer Einschätzung am ehesten dem Naturell ihres Besuchers entsprach. Nachdem sie eine wohlriechende Bodylotion auf ihrer Haut verteilt hatte, zog sie ihre neuen Lieblingsstücke an. Dann trat Stella in ihrem Ensemble vor den großen Standspiegel, der sich im Schlafzimmer neben dem Bett befand, um das Ergebnis zu betrachten. Nicht übel. Für Drüber tat es das kleine Schwarze, das sie mit roten Lackpumps kombinierte. Ihre Mähne war locker hochgesteckt und verlieh dem Ganzen einen Hauch von Sweet Sixteen. Stella, der kleine blonde Unschuldsengel.
Zufrieden schloss sie ihren Kleiderschrank, beseitigte im Bad die letzten Duschspuren und staunte nicht schlecht, dass es in diesem Moment an ihrer Wohnungstür klopfte. Normalerweise war die Tür unten abgeschlossen und die Besucher des Hauses mussten klingeln, um eingelassen zu werden. Verwundert stöckelte Stella zur Tür. Ihre Schritte hallten auf den alten Dielen nach. Zum Glück gab es einen Spion, der sie vor den ganz bösen Überraschungen bewahrte. Als sie hinaus spähte, wedelten drei weiße Calla, die ihr der junge Mann dahinter zur Begrüßung ins Guckloch hielt. Nette Begrüßung. Sie öffnete zaghaft die Tür und schob ihren Kopf hinterher. Die Blumen wurden zur Seite genommen und ein freundliches Paar Augen blinzelte sie an. Das musste Sascha sein.
»Hallo Stella.«
Seine Stimme klang angenehm sanft, was einen deutlichen Kontrast zu seiner stattlichen Figur darstellte. Die braunen Haare waren streng zurück gegelt. Er war Brillenträger und ein dunkles Horn-Modell umrandete seine ebenfalls braunen strahlenden Augen. Für den heutigen Abend hatte auch er sich in Schale geworfen, zumindest war das Stellas Vermutung, wissen konnte sie es nicht. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Bundfaltenhose und einen schwarzen Gürtel. Er machte den Eindruck, als hätte er gute Manieren und wenn er lächelte, vertieften sich seine Grübchen rund um den Mund. Etliche Augenfalten deuteten darauf hin, dass er viel lachte, alles in allem eine sehr sympathische Erscheinung. Es war erstaunlich, in wie wenig Sekunden sich ein erster Eindruck bildete. Auch Stella konnte sich dem ebenso wenig entziehen, andere Menschen innerhalb eines Augenblickes nach dem Bauch zu beurteilten. Dieses Urteil war soeben positiv ausgefallen. Sie nahm die Blumen in die Hand und bedankte sich mit einem Knicks.
»Nicht so förmlich«, scherzte Sascha.
Offenbar gefiel ihm ihr Humor. Damit war das Eis geschmolzen und Stella froh, dass die Chemie stimmte, was die Vorfreude auf das nahende Liebesspiel noch verstärkte. Wenn er hielt, was sein Mitbringsel versprach, konnte sie sich auf einen sündigen Abend freuen. Nur wenige Pflanzen waren so ausdrucksstark wie die exotische Calla und regten die Fantasie bei bloßer Betrachtung an. Dass Sascha überhaupt Blumen mitgebracht hatte, zeugte von Höflichkeit. Denn dass er die Frau, deren Wohnung er gerade betreten hatte, heute würde vernaschen können, war bereits beschlossene Sache.
»Hast du ein Handtuch für mich?«
Stella musste lachen, denn erst jetzt registrierte sie, dass seine Haare vom Regen überrascht worden waren. Bei näherer Betrachtung fiel ihr auf, dass alles an ihm recht nass war. Sie verschwand für einen kurzen Augenblick im Bad und kam mit einem Handtuch zurück. Er hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Ohne Aufforderung entledigte er sich seiner Schuhe. Was für ein Gentleman. Stella war mit ihrer Wahl zufrieden und die lockigen Haare, die nun unter dem Handtuch zum Vorschein kamen, machten ihn noch attraktiver. Er setzte seine Brille wieder auf.
»Darf ich mich umsehen?«
Seine Umgangsformen überzeugten Stella auf Anhieb.
»Gerne«, erwiderte sie. »Darf ich bitten?«
Sie reichte ihm den Arm für eine kleine Führung durch ihr persönliches Reich auf. Die Wohnung einer Person verriet viel über ihr Wesen und ihre Vorlieben. Theoretisch konnte jeder Mann während seines Aufenthaltes die Räume in Augenschein nehmen, aber interessanterweise war bislang niemand auf die Idee gekommen, danach zu fragen.
Der lange Flur, von dem jedes Zimmer abging, war in einem hellen Apricot gestrichen und beherbergte eine Menge Fotografien und Bilder. Stella hatte nie überlegt, sie abzuhängen, denn alle Männer, und es hatte noch keine Ausnahme gegeben, interessierten sich nicht im geringsten für diese Galerie. Sie waren ausschließlich auf das Fleisch fixiert, dem sie gehörte.
»Sind die von dir?«
Saschas Frage galt nicht den Kinderfotos, die Stella im Alter von eins bis 18 zeigten und ein Geschenk ihrer Mutter zum achtzehnten Geburtstag gewesen waren, sondern den Pinselstrichen, die sie zwar selten, aber immer, wenn ihre Launen es zuließen, auf eine Leinwand brachte. Sie bejahte.
»Welches gefällt dir am besten?«
Sascha überlegte einen Augenblick und entschied sich für ein Bild in knalligen Rottönen. Es zeigte eine nackte Frauengestalt, die vor ihrer Scham einen azurblauen Ball in den Händen hielt. Um sie herum loderten Flammen, die dem Betrachter förmlich entgegen züngelten.
Es war lange her, dass dieses Gemälde entstanden war. Wieso erstaunte es sie nicht, dass seine Wahl ausgerechnet auf ihr Lieblingsstück fiel?
»Schade, es ist das Einzige, das ich nicht selbst gemalt habe«, log sie.
Damit trat Stella den Rückzug an. Sie wollte nicht zu viel von sich preisgeben. Die Vertrautheit, die sich zwischen ihnen einschlich, verunsicherte sie. Das war sie nicht gewöhnt und es gehörte nicht zu ihrem Plan. Schnell entfernte sie sich von dem Bild und zog Sascha hinterher in die Küche. Auf dem Tisch lag eine ungeöffnete Packung Chicken Wings. Sie war nicht mehr dazu gekommen, ihr Abendessen zu sich zu nehmen.
»Habe ich dich etwa unterbrochen?«
Saschas Aufmerksamkeit war verblüffend und leugnen zwecklos.
»Wenn ich dich nachher verwöhne, sollst du dich entspannen. Wie kann das mit einem leeren Magen funktionieren?«
Volltreffer! Nicht nur, dass Stella tatsächlich großen Hunger verspürte, auch die Aussicht auf das, was bald mit ihr passieren würde, löste ein Prickeln aus. Ein warmes wohliges Gefühl durchströmte ihren Körper. Sascha schnappte sich die Packung und bewegte sich Richtung »Wohnzimmer?« »Ja.« Sie folgte ihm. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten und die ehemals warme Mahlzeit war vertilgt.
»Darauf verbringst du deine Abende?«, fragte Sascha.
Er stand auf und vertiefte sich in die Anzeigetafel des Crosstrainers. Stella wurde misstrauisch. Vielleicht hatte das Gerät zu wenig Zeit zum Trocknen gehabt; immerhin war es gestern für ein feucht-fröhliches Amüsement missbraucht worden. Die Erinnerung daran zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen und verstohlen warf sie einen flüchtigen Blick in die Dachgeschoss-Wohnung gegenüber. Sascha bekam von alldem nichts mit und zur Antwort das, was er hören wollte.
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