Frau K. hat augenscheinlich Geburtstag: auf ihrem Schreibtisch stehen Blumensträuße und eingewickelte Flaschen mit Wein oder Likör. Doch ist sie noch nicht da, R. geht in sein Zimmer zurück und schließt die Tür, wie gewöhnlich.
Dann kommt sie, R. hört Dirk Bickel und Christel Doppler ihr gratulieren. R. zögert einen Augenblick, dann geht er hinaus und auf sie zu, »herzlichen Glückwunsch.« – »Ach, Sie auch! Danke!« – Vielleicht hat sie es sich ausgemalt während der Herfahrt, dass R. ihr gewiss nicht gratulieren werde zum Geburtstag.
»Wie alt werden Sie denn?«, fragt R. mit einem Grinsen, das ausdrückt: so etwas fragt man eine Frau nicht. – »Zweiunddreißig«, antwortet sie mit einem anderen Grinsen, das ausdrückt, dass sie nicht zu den Frauen gehört, die man so etwas nicht fragt.
J. R. Ewing interessiert sich für eine aufstrebende Country-Sängerin, die eigentlich Ray, dem Verwalter der Southfork-Ranch angehört. J. R. verschafft ihr einen Schallplattenvertrag; mit der Sonderklausel, dass sie beim Inkrafttreten nur noch ihm zur Verfügung stehe. Mit Ray unter Vorwänden Schluss zu machen bleibt ihr erspart, weil er die beiden in ihrer Wohnung im Bett ertappt.
»Die Leute sind wirklich aus Styropor«, erklärt Kathrin. – »Und man könnte nicht sagen, dass sie vögeln oder gar ficken, nein, allenfalls pimpern sie.«
Die Stadtgartendirektion berichtet, dass an den Bäumen in den Münchner Parks und Straßen erhebliche Schäden festzustellen sind, verursacht durch Wassermangel, Abgase, Bodenverdichtungen, Hitzeeinwirkung. Die Münchner Stadtgärtner betreuen 78700 Alleebäume; rund 6000 weisen Schäden auf. In den letzten Jahren mussten, um erkrankte Bäume zu ersetzen, rund 400 Bäume neu gepflanzt werden.
»In genau derselben Zeit, in der ich immer tiefer in die Überzeugung versank, schon der einfache Ablauf der Zeit wende alle Dinge zum Schlechtesten, in genau dieser Zeit vervollkommnete sie ihre Orgasmustechnik außerordentlich.«
Im Kino, erzählt Regina, habe direkt vor ihr eine große Frau gesessen und ihr den Blick auf die Leinwand verdeckt.
Ob sie, bitte, ihr den Blick freimachen und sich auf die andere Seite ihres Freundes setzen könne? Da habe die Frau geschluckt und erklärt, der junge Mann neben ihr – das sei nicht ihr Freund, sondern ihr Sohn!
Regina begeistert die Geschichte. Vielleicht weil sie, in Varianten, im Fernsehen als Reklamespot für Kosmetika lief? Endlich etwas erlebt, was man bislang nur aus dem TV kannte. »Das gibt es also wirklich.«
Frau K. und R. sitzen in Michels Zimmer, als das Telefon klingelt. Er nimmt ab, sagt wie gewöhnlich »ja« und hört eine Weile stumm zu. R. beobachtet sein Gesicht und phantasiert, Michel erhalte die Nachricht vom Tod eines nahen Verwandten. Während er weiter zuhört, schreibt er was auf seinen Block und reicht ihn Frau K. R. kann mitlesen, »Sadat ist erschossen worden«.
Christoph Tholen, der R. zu einem Vortrag eingeladen hatte, ruft an und bekräftigt die Einladung an die Kasseler Universität.
Freilich habe Helmut Junker schwer über R. geschimpft, und zwar wegen seines Auftritts bei dem Suhrkamp-Fest (Tholen kann nicht erklären, warum Junker schimpfte); doch sei jetzt alles klar.
R. fällt sogleich eine Deutung ein, die ihn nicht wieder verlässt. Professor Junker war gekränkt, weil R. sich an jenem Abend nicht ausführlicher mit ihm befasste. Dabei hielt R. sich nur deshalb zurück, weil Junker ihn gleich eingangs gekränkt hatte: Als R. ihn begrüßte, reagierte er herablassend: »Ja, wir haben uns mal kennengelernt.« Statt der Verhältnisse zwischen Angestellten erkennt man hier also solche zwischen Höflingen.
Auf seiner rechten Schulter wächst, gleich am Hals, eine Art Warze, aber aus dem Stoff der Leberflecke. Heute entdeckt R. auf der Innenseite seines rechten Fußes ein feines violettes Aderngeflecht, wie alte Leute es zeigen. Dann betrachtet R. den Hund, auf dem seit einiger Zeit eine ganze Reihe von Warzen und Leberflecken wuchern, und bedenkt schmerzlich, dass er sterben wird.
Sie besuchen Bernd und Gabi Dürr. Bevor die das Abendessen auftragen, geht R. nach nebenan und klingelt.
Goetz macht auf, scheint völlig verwirrt und sagt »ach!« Dann führt er R. in sein Arbeitszimmer. Doch scheint ihm das allzu unordentlich, weshalb sie in die Küche gehen. Ja, er lerne pausenlos für die Prüfung am Dienstag. Das Schlimme sei, dass ihm die Wissenschaft wieder richtig Spaß mache; manches verstehe er erst jetzt genauer, beispielsweise die Sache mit dem Kalium. Dann zeigt er R., wie er seine Bücherregale neu aufgestellt hat, R. verabschiedet sich und geht zum Essen bei den Dürrs.
Den ganzen Abend wartet R., dass Goetz kommen werde, jetzt sei’s genug mit dem Lernen. Er kommt aber nicht.
M. erzählt am Telefon, dass Reinhard Hübner, zum Firmenjubiläum aus Brasilien zurückgekehrt, seinem Vater eröffnete: er habe die südamerikanische Filiale zwei tüchtigen jungen Leuten übergeben und wolle hier zu Hause die Leitung eines Teilbetriebs übernehmen. Vor allem mithilfe von Margrit, erzählt M., sei es gelungen, ihn von dem Plan ab- und wieder nach Brasilien zurückzubringen.
»Wahrscheinlich verhält es sich so«, so später Kathrin, als R. die Geschichte erzählt, »dass im Grunde die Schwester den Betrieb übernehmen möchte. Ich kann mir die Margrit gut vorstellen als Chefin, Unternehmerin.«
Gegen 17 Uhr beginnt R., bei einer Flasche Weißbier, weiterzuschreiben. Der Text entwickelt sich selbstverständlich und freiwillig – ebenso das Trinken, R. holt sich noch eine zweite Flasche von oben, deren Genuss weiterhin mit dem Fortgang des Schreibens übereinstimmt.
Zu Hause fährt er mit Wein fort, zugleich mit der Arbeit an dem anderen Schreibprojekt. Allerdings verwirrt die Schrift sich immer stärker, obwohl der Faden dessen, was R. formulieren will, nicht abreißt. Doch ist er gegen 21 Uhr so betrunken, dass er ins Bett gehen muss, zum Kummer von Kathrin, die mit ihm zusammen im Fernsehen einen Film anschauen wollte.
Jetzt, sagt Goetz in der Nähe von Ingolstadt, jetzt müsse er einfach ein wenig schlafen. Er könne sich, schlägt R. vor, doch auf der Rückbank ausstrecken.
So fährt R. auf einen Autobahnparkplatz, und Goetz steigt nach hinten um. Beim Weiterfahren liegt er also auf der Rückbank und schläft. Er hat die halbe Nacht mit Lernen verbracht, zur Vorbereitung auf das medizinische Staatsexamen, dessen schriftlichen Teil er heute Morgen noch einmal hinter sich zu bringen versucht hat.
Jetzt fahren sie zur Buchmesse in Frankfurt.
Bei dem Suhrkamp-Fest, erzählt Goetz, habe sich Frau K. dicht zu ihm gestellt und ihre Brüste an ihm gerieben. Zur Antwort habe er sie angelacht, unsicher, verlegen – sie habe zurückgelacht und das Reiben gleich noch einmal wiederholt.
»Marianne«, sagt R. und fasst sie leicht am Oberarm, »Sie kennen wohl unseren Autor Bodo Kirchhoff noch nicht.« – »Nein«, sagt sie und wendet sich ihm zu. Sie geben sich die Hand, und er mustert sie männlich. »Wir haben wohl einmal miteinander telefoniert«, sagt er. – »Ja«, sagt sie, »wegen Geld – ich bin ja ohnehin nur die Geldkuh.«
R. hört nicht weiter hin und redet weiter mit Sperling über die Buchmesse einst und jetzt.
Nach dem Geschlechtsverkehr am Nachmittag konnte er keine Arbeit mehr in Angriff nehmen. Er konnte sich nur noch die Fingernägel schneiden.
Beim Spaziergang auf dem Flaucher setzt sich schließlich ein durchdringender Unwille durch, schlechte Laune. Eine Zeitlang flottiert sie frei, dann konzentriert sie sich allmählich auf den Hund: weil er, wo immer sie sich befinden, mit äußerstem Eigensinn in Richtung des Wassers strebt, unbeeinflussbar durch Rufe und Befehle. Bevor es bei R. zu einem richtigen Wutanfall kommt, sagt er sich: Es sei die selbständige Beweglichkeit des Tiers, sein eigener Wille, die ihn empört. Das beruhigt ein wenig.
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