»Stephan!« Reggie schien erfreut, ihn zu sehen. Das war eine positive Überraschung. »Hey, Leute, ich sehe euch gleich im Kurs.« Reggie packte ihn am Oberarm, zog ihn von der verdutzten Gruppe weg und aus der Cafete heraus.
Im Hintergrund sagte Phillip zu Silvia: »Ich hab’s doch gesagt!«
Und Silvia murmelte: »Tarzan.«
***
Reggie zog ihn aus der Cafete hinaus ins Freie, wo er sich auf eine leicht abseits stehende Bank fallen ließ und lautstark ausatmete.
»Was ist los, Redge? Ich dachte gerade, wie toll es ist, dass du schon Freunde hier hast. Und dann benutzt du mich als Fluchtmöglichkeit?« Stephan war verwirrt. Er setzte sich neben Reggie und strich ihm beruhigend über den Rücken. Wie gestern schon, wirkte seine Berührung anscheinend sofort. Reggie entspannte sich sichtlich.
»Vanessa steht auf mich und Silvia hat mich geoutet«, sagte er mit steigender Röte im Gesicht.
»Warte! Du hast ihr gesagt, dass du schwul bist? Und mich versuchst du anzuschwindeln?« Stephan bereute die Worte sofort, denn Reggie sank noch mehr in sich zusammen.
Eine gute Methode, Vertrauen aufzubauen. Klasse Leistung!
»Scheiße. Sorry. Das kam ganz anders rüber, als ich es gemeint habe. Du hast keinen Vorwurf verdient. Ich … Ich war nur überrascht, weil … weil …«
Weil du mein Gefährte bist und über alles mit mir reden können solltest, dachte er den Satz zu Ende. Aber das sollte ich besser nicht sagen, sonst gerät er wieder in Panik.
Und in diesem Moment wusste er, was gestern auf der Straße geschehen war. In dem Augenblick, in dem das Gefährtenband ‚eingerastet‘ war, hatten sie es beide gespürt. Reggie war in Panik geraten, weil Stephan sein Gefährte war. Also wusste er es. Konnte die Situation noch beschissener sein?
Was hat sich das Schicksal nur dabei gedacht?
»Sie hat es irgendwie gemerkt, ich habe es ihr nicht gesagt.« Und damit hatte er es vor ihm zugegeben. Das war ihm offenbar aufgefallen, denn er ließ seine Fassade nun fallen. »Ach Shit! Keiner in meinem Rudel weiß etwas davon, okay? Ich verstecke mich seit Jahren, vor allen. Nur anonyme Dates in der Stadt, wenn ich weit vom Territorium entfernt war, verstehst du? Und hier? Ich bin keine zweiundsiebzig Stunden hier, verdammt!«
Stephan lächelte ihn an, aber Reggie starrte weiterhin auf den Boden. Er wirkte zerbrechlich, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Sein Gefährte sollte stolz und stark sein wie die Raubkatze, die er in sich trug. »Klingt einsam.«
»Ja. Das ist es.«
Stephan zog ihn in eine tröstende Umarmung, und Reggie ließ es glücklicherweise zu. Dieser lehnte seinen Kopf an seine Schulter. Sie saßen schweigend da.
Nach einer Weile räusperte sich Reggie. »Du hast gestern etwas gesagt, was mich überrascht hat«, wechselte er das Thema. »Adoptivvater? Bist du nicht bei deiner Herde aufgewachsen oder so etwas?«
Herde? Stephan schmunzelte innerlich. »Nein.« Er zuckte gelassen mit den Schultern. »Meine leiblichen Eltern starben bei einem Autounfall, als ich noch sehr klein war. Ich saß mit im Auto, aber ich erinnere mich nicht an diesen Tag.« Er lächelte. »Meine Adoptivfamilie ist großartig, sie weiß, was ich bin, und hat mich immer unterstützt. Ich liebe sie wie meine leiblichen Eltern. Sie haben nach meiner Adoption noch zwei Kinder bekommen, daher habe ich einen Bruder und eine Schwester. Da sie beide deutlich jünger sind, haben sie sich meistens gegen mich verschworen. Aber am Ende waren es doch immer wir gegen den Rest der Welt.«
Und oft auch mit Jürgen, dachte er an einen Freund erinnert, der ihm so fremd geworden war.
»Und nur zur Information: Es heißt auch bei Beutetierwandlern Rudel.«
»Oh.« Reggie errötete.
Er lachte. »Schon gut, das konntest du ja nicht wissen.«
Dem einzigen Pferdewandler, dem Stephan je begegnet war, war sein Betreuer gewesen, den der Rat nach seiner ersten Verwandlung und auf Enzos Nachfrage hin geschickt hatte. Der Mann hatte nach wenigen Tagen das Weite gesucht, weil er nach eigenen Angaben nicht der Richtige wäre, um sich um einen Feuerhufer zu kümmern. Eine Erklärung, was es damit auf sich hatte, hatte er nicht bekommen. Für Stephan war das Blödsinn, er war einfach nur etwas zu dominant für einen Pferdewandler.
»Wie alt warst du, als deine Eltern starben?«
»Fünf.«
»Scheiße.« Reggie sah ihn mitfühlend an. »Ich habe wenigstens noch meinen Dad …«
»Was ist mit deiner Mutter?«
»Sie ist mit einem Hubschrauber abgestürzt, da war ich zwölf. Meine Eltern waren keine Gefährten, sie haben sich einfach nur geliebt. Mein Dad wollte ihr nicht die Chance nehmen, ihren wahren Gefährten zu finden, aber ich glaube nicht, dass sie das überhaupt wollte.« Reggie schluckte hart. »Sie starb, als sie anderen das Leben retten wollte. Sie war Notärztin. Sie wollten eine Bergung in den Blue Mountains durchführen. Ein paar Wanderer, die sich über- und das Wetter unterschätzt hatten. Dabei stürzte sie selbst ab.«
»Oh Mann, das ist scheiße. Tut mir echt leid, Redge.« Stephan drückte ihn fester an sich und Reggie nahm die Geste dankbar an. Eltern sollten nicht so früh sterben. »Sie war eine Heldin.«
»Ja, das war sie. Für mich wird sie das immer sein.«
Wieder saßen sie eine Weile schweigend da, bis sie vom Trubel der Studenten in der Cafete abgelenkt wurden, die sich augenscheinlich wieder zu ihren Kursen begaben.
»Sieht so aus, als müssten wir den Rest des Tages hungrig in unseren Kursen sitzen«, meinte Stephan schmunzelnd.
»Offenbar.«
»Was hältst du davon, wenn ich heute Abend für uns koche? Um sieben bei mir? Ich kann ganz passabel kochen, also keine Vergiftungsgefahr. Was meinst du, Gefährte?«
Sekundenlang herrschte angespanntes Schweigen, während Stephan darauf wartete, wie Reggie auf diese Enthüllung reagierte.
»Du weißt …?«
»Ich schätze, exakt so lange wie du. Aber ich weiß, dass das alles kompliziert ist. Schritt für Schritt, Kittycat, okay?«
»Okay, Bronco.«
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.