Leckt mich, sagte er mehr zu sich selbst. Sie befanden sich im Krieg. Brennan konnte damit umgehen. Das unmittelbare Problem war, den hier nach Hause zu bringen zu den Verhörspezialisten. Wenn der RUC oder die Armee sie aufhielt, würde es vielleicht zu einem Kampf kommen, falls sich die Gelegenheit ergab, und wenn es so aussah, als würde Brennan nicht gewinnen, musste er sich eben ergeben. Das Schlimmste, was ihm blühte, war Gefängnis. Aber wenn die Pinks sie erwischten, bevor sie über der Grenze waren, war das was anderes. Es würde für eine von beiden Seiten einen Kampf bis zum bitteren Ende geben. Das machte es zum aufregendsten Spiel, das sie bisher gespielt hatten, und Brennan war bereit. Wenn er sie schlug, wenn er einen von ihnen lebend nach Hause brachte, wäre er noch zu Lebzeiten eine Legende. Er sah sich nach den beiden Männern hinten im Bus um.
»Wo sind eure Werkzeuge?«, grummelte er.
Die Männer zeigten auf einen Sack am Boden.
»Da nützen sie einen Scheiß! Nehmt sie in die Hand, ihr bescheuerten Bastarde.«
Einer von ihnen hob den Sack auf und holte zwei amerikanische M16-Sturmgewehre heraus. Eines gab er seinem Kumpel.
»Laden und sichern, verflucht noch mal! Bringen die euch Idioten in der Schule gar nichts mehr bei?«
»Armee«, warnte Sean plötzlich. Alle schauten sofort nach vorn durch die dreckige Windschutzscheibe.
Ein Konvoi aus vier Armee-Landrovern kam ihnen auf der anderen Fahrbahn entgegen. Sie fuhren schnell an ihnen vorbei, jeder war voll besetzt mit Soldaten. Sean behielt sie im Rückspiegel im Auge, bis sie außer Sicht waren.
»Konnte irgendwer erkennen, welches Regiment das war?«, fragte Sean.
»Interessiert mich einen feuchten Scheiß. Die nächste rechts«, fuhr ihn Brennan an.
Sean bog nach rechts in eine schmale Straße ab. »Etwa eine Meile noch.« Er fragte sich, ob Brennan darüber auch verärgert wäre. Aber Brennan konzentrierte sich zu sehr auf die Straße, die Felder und den Himmel, als dass er über irgendetwas hätte nachdenken können, was Sean sagte.
»Das Einzige, was uns jetzt noch in Schwierigkeiten bringen könnte, wäre eine zu Fuß patrouillierende Streife«, sagte Brennan.
»Oder ein Adlerflug«, fügte Sean hinzu. Damit war die verbreitete Praxis gemeint, Soldaten über Land mit dem Hubschrauber abzusetzen.
»Da ist das Tor«, sagte Brennan und zeigte nach vorn. Sean wurde langsamer, schlug das Lenkrad ein und blieb vor einem hölzernen Tor mit fünf Querbalken stehen, das auf ein Feld führte. Brennan sprang raus und öffnete das Tor. Sean fuhr hindurch und blieb lange genug stehen, dass Brennan wieder reinspringen konnte.
»Folge den Spuren. Los, los, bisschen schneller«, sagte Brennan, der ungeduldig wurde.
Sean fuhr wieder an und folgte ein paar Traktorenspuren über ein holpriges Feld. Brennan lehnte sich auf dem Sitz nach vorn und sah sich in alle Richtungen um. Sie fuhren durch eine Lücke in der Hecke auf ein weiteres Feld. »Noch zwei Fußballfelder und wir sind daheim«, sagte er.
Jeder konnte die dürre Hecke sehen, welche die irische Grenze markierte. Der Bus schaukelte und quietschte in den tiefen Spuren, und als Sean kurz die Reifen durchdrehten und der Wagen ein wenig wegrutschte, machte er sich auf einen Anschiss bereit, aber es schien, als sei Brennan schon in Feierlaune. »Nicht zu guter Letzt den Bus zu Schrott fahren, Sean, mein Freund«, sagte er in väterlichem Tonfall. »Schön behutsam.«
Sean schaltete einen Gang runter und fuhr vorsichtiger. Er machte sich schon für den Siegesschrei bereit, als die Grenze Zentimeter um Zentimeter näher rückte.
Sean war der Erste, der glaubte, etwas gehört zu haben, dann bemerkte auch Brennan ein dumpf dröhnendes Geräusch. Etwa in dem Moment, als sie sicher waren, sich das nicht nur einzubilden, donnerte ein Helikopter im Bogen vor ihnen vorbei, knapp über dem Boden, der Rotor auf sie gerichtet, laut die Luft durchschneidend, als er steil beidrehte und sie umrundete. Sean verriss fast das Steuer und die Reifen gruben sich in die weiche Erde. Jeder war stocksteif und unter Hochspannung. Brennan packte Sean brutal am Kragen und schrie: »Los! Fahr drauf zu, du Wichser! Los!«
Der Wagen verlor kurz die Haftung, als Sean zu sehr aufs Gaspedal trat und das Heck ins Schleudern geriet. Dann brachte er ihn wieder unter Kontrolle und fuhr durch die Furchen und über die Buckel auf die dürre Hecke zu, die jetzt noch ein Fußballfeld entfernt war.
Als der Helikopter das Heck des Busses umrundete, hatte ihn Stratton im Blick wie ein Falke, der eine Maus beäugt, die um ihr Leben rennt. Er griff nach einem dünnen Kabel, das quer über die Kabinentür verlief, der Auslöser für den Notausstieg, und zog kräftig daran, während er mit dem Stiefel gegen die Tür trat. Die Tür flog aus den Angeln, wurde durch den Luftdruck des Rotors vom Helikopter weggerissen und stürzte zu Boden. Der Wind erfasste das Innere der Kabine. Stratton drehte sich in seinem Sitz, sodass er nach draußen sah, stellte einen Fuß auf die Kufe unter der Türkante und lehnte sich so weit hinaus, wie sein Gurt es zuließ, damit er mit dem Gewehr bequem in steilem Winkel nach unten feuern konnte.
Er presste die Enfield SLR fest an seine Schulter und schrie in sein Sprechgerät, um das Geräusch des Rotors zu übertönen. »Meine Seite in Richtung des Busses halten! … Haben Sie verstanden?«
»Ja«, erwiderte der Pilot, auch wenn er durch etwas anderes abgelenkt war, das ihm ziemliche Bauchschmerzen bereitete.
»Nach vorn. Einfach vor dem Bus bleiben!«, fuhr Stratton fort, als er den Lauf hob, um daran entlang das Ziel anvisieren zu können.
Der Pilot kippte die Nase des Helikopters ein wenig nach vorn, ging tiefer, etwa auf Höhe eines Hausdaches, und flog neben dem Bus her.
»Davor, davor!«, rief Stratton, und gab dem Piloten mit der Rechten ein Zeichen, schneller zu fliegen. Er wollte weiter vor dem Bus sein, um klare Schusslinie nach hinten auf den Fahrer zu haben, aber der Pilot steuerte den Hubschrauber nicht so, wie er das wollte. »Vor den Bus, verdammt!«
Der Pilot beschleunigte die Gazelle und überholte langsam den Bus, dessen Windschutzscheibe in Sicht kam. Stratton hob das Visier der Waffe auf Augenhöhe und zielte, die giroskopische Stabilitätshilfe half dabei, das Gewehr auf fast magische Weise in seiner Hand zu stabilisieren. Plötzlich wich der Bus aus und versuchte, unter den Helikopter zu fahren. Der steilere Winkel machte es für Stratton schwierig, zu treffen.
»Nach rechts, verflucht! Rechts!«, rief er.
Der Pilot zog steil scharf nach rechts und drehte dann wieder nach links bei, um Stratton freie Sicht auf die Busfront zu geben, aber seine Unruhe steigerte sich noch. »Was, wenn Sie Ihren eigenen Mann treffen?«, schrie er.
Stratton machte sich zum Schießen bereit. »Höchstens, wenn er den Wagen steuert«, murmelte er, während er leichten Druck auf den Abzug ausübte. Stratton konnte die beiden Männer vorn im Wagen deutlich sehen. Der Fahrer blickte zu ihm hoch. »Ruhig«, sagte Stratton.
Sean löste den Blick von der Lücke in der Hecke, auf die er zugesteuert hatte, um den Mann sehen zu können, der aus dem Helikopter hing und mit seinem Gewehr direkt auf ihn zielte. Er versuchte, abwechselnd nach links und rechts auszuweichen, aber seine Möglichkeiten in den Süden zu kommen waren begrenzt.
»Auf die Lücke zuhalten!«, brüllte Brennan, der endlich über die Grenze wollte.
»Erschieß ihn!«, brüllte Sean zurück.
»Du hast es fast geschafft. Fahr, du Bastard!«
Stratton behielt das Ziel im Visier. In dem Moment, als er den Abzug drückte und schoss, drehte der Hubschrauber hart bei und vom Ziel weg. Stratton konnte nicht glauben, was gerade passierte. Er schoss herum und erwartete, irgendeinen katastrophalen Grund zu sehen, wieso der Pilot den Kurs geändert hatte, aber da war nichts.
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