Sich das Blut aus den Augen wischend, streckte er die Arme aus der Hecke und berührte den Boden. Er vergrub seine Finger in die Erde und zog sich weiter nach vorn, rollte aus dem Dickicht auf den Rücken und gönnte sich ein paar wertvolle Sekunden, um zu verschnaufen, bevor er sich zwang, aufzustehen. Als er sich auf den Bauch drehte, um sich hochzudrücken, berührte seine Hand etwas Metallisches. Seine Maschinenpistole. Er schaffte es auf die Knie und hob sie mit seinen verschrammten, zitternden Händen auf, schrie dann vor Schmerz. Sein Bein. Er hatte vergessen, dass eine Kugel direkt hindurchgegangen war. Aber der Drang zu überleben übernahm das Kommando und er zwang sich, einen Schritt zu machen. Sein Bein knickte beinahe weg, aber er hatte noch genug Muskelkraft, um sich aufrecht zu halten.
Er sah den Helikopter auf der anderen Seite des Wegs über dem Feld schweben und richtete die Waffe zitternd darauf, doch dann verlor er die Balance und fiel beinahe hin. Er fing sich wieder, zielte erneut und zog den Abzug. Aber die Waffe ging nicht los. Er überprüfte den Sicherheitsriegel und ließ sie fast fallen. Dann zog er das Magazin heraus, überprüfte, ob Munition darin war, und schob es wieder rein. Er spannte den Hahn, zielte und betätigte erneut den Abzug. Sie feuerte, und das auch noch im Automatikmodus!
Stratton hatte bereits seinen Gurt geöffnet und lehnte sich weit aus der Kabine, während der Helikopter etwa drei Meter über dem Boden schwebte. Beim Geräusch des Gewehrfeuers sprang er und zog das Kabel der giroskopischen Zielhilfe aus der Konsole. Er landete auf dem Boden, drückte die Waffe gegen die Schulter und suchte nach einem Ziel, während der Helikopter rückwärts flog, um dem Beschuss zu entkommen.
Stratton sah Bewegung hinter der Hecke in der Nähe des Busses, aber er wollte nicht auf jemanden schießen, den er nicht identifizieren konnte.
Die Gazelle landete nicht weit hinter ihm, die Rotoren drehten sich weiter. Stratton rannte nach vorn, erreichte die Hecke ein paar Meter hinter dem Bus, ließ das Gewehr fallen und zog seine Pistole. Er schlüpfte durch eine Lücke in der Hecke und trat auf den Weg. Alles war sehr still, abgesehen von dem zischenden Dampf aus dem Motor des Busses. Stratton machte eine Pause, um seine Sinne auf die Situation einzustellen, und bewegte sich dann vorsichtig zur Front des Busses. Offenbar war die Windschutzscheibe herausgeflogen. Ein Mann lag in der Hecke. Im Feld dahinter lag eine Maschinenpistole im Gras. Stratton ging langsam vorwärts, die Augen überall, und griff durch die Hecke nach dem Lauf der Waffe. Er war heiß. Dann hörte er etwas, das sich wie ein brechender Zweig in einiger Entfernung anhörte. Er stellte sich auf die vordere Stoßstange des Busses, um über die Hecke sehen zu können. In einiger Entfernung humpelte ein Mann schwerfällig davon.
Stratton trat wieder auf den Weg und ging zum Heck des Wagens. Eine der Türen war durch den Aufprall herausgerissen. Er sah hinein. Etwas bewegte sich und man hörte schweres Atmen. Stratton kletterte hinein und sah die beiden Iren mit gebrochenen Knochen und blutend an der Rückseite der Sitze liegen. Derjenige, der zwischen Kiste und Sitz eingeklemmt war, bewegte sich nicht und anhand der unnatürlichen Position seines Kopfes, der etwa zu drei Viertel nach hinten gedreht war, konnte man sehen, dass wohl sein Genick gebrochen war. Der andere lag in verkrümmter Haltung auf dem Boden, unfähig, sich zu bewegen, und starrte Stratton an, jeder Atemzug klang gequält. Aus der Kiste, die auf der Seite lag, kam ein Geräusch. Stratton ignorierte den Verletzten und drehte die Kiste um, damit der Deckel oben war. Er entdeckte den Einschuss im Deckel und die entsprechende Austrittsöffnung auf der Seite. Er entriegelte und öffnete ihn, mit der Befürchtung, Spinks schwer verletzt vorzufinden.
Spinks lag leicht gequetscht in dem beengten Raum und blinzelte zu Stratton hoch, bemüht, seine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen. Er sah ängstlich und hoffnungsvoll zugleich aus.
»Bist du okay, Spinks?«
Spinks blinzelte angestrengt und konnte wieder halbwegs klar sehen. Er kannte diese Stimme.
»Stratton?«
»Kannst du laufen?«
»Stratton«, wiederholte er, immer noch in Angst, dass das nur eine Halluzination war. »Sag mir, dass das wirklich du bist.«
»Ich bin es. Bist du verletzt?«, fragte Stratton, bemerkte dann das Blut auf Spinks' Jacke und bückte sich, um es sich genauer anzusehen.
»Du bist getroffen worden.«
»Die haben mich angeschossen«, sagte Spinks.
Stratton ging seine Optionen durch, falls er Spinks nicht hätte bewegen können. Keine davon klang gut. Es war nur darum gegangen, Spinks zu retten, und es machte keinen Sinn, irgendetwas zu tun, dass seine Gesundheit in Gefahr bringen konnte, jetzt, wo sie so weit gekommen waren.
Es war, als hätte Spinks seine Gedanken gelesen. »Wo sind wir?«, fragte er.
»Im Süden.«
»Dann sollten wir besser verschwinden.« Er streckte die Hände aus, packte die Seiten der Kiste und zog sich daran hoch. Schmerz schoss ihm durch die Brust und Stratton griff schnell nach ihm.
»Vorsichtig«, sagte Stratton.
Spinks musste mehrmals durchatmen. »Ich schaffe das.« Er zog sich noch mal hoch, bis er aufrecht saß. Stratton inspizierte die Ein- und Austrittspunkte an Spinks Oberkörper. »Die Schusswunde ist an dieser Stelle harmlos.«
»Das ist gut«, sagte Spinks im Versuch, sarkastisch zu sein. Dann sammelte er seine Kräfte, um mit Strattons Hilfe aufzustehen und aus der Kiste zu steigen. Seine Knie gaben fast nach, als sie wieder sein volles Gewicht tragen mussten, aber Stratton hielt ihn aufrecht. Spinks drückte die Beine durch. »Ich bin okay«, sagte er. »Ich bin okay.«
Stratton half Spinks aus der Kiste neben den verletzten Mann, der auf dem Boden des Busses lag und ihnen zusah.
»Was ist mit dem?«, fragte Spinks.
»Wie heißt du?«, fragte Stratton den Mann.
»O … O'Kelly« sagte der Mann und versuchte, zu Atem zu kommen.
Spinks fragte sich, ob Stratton ihn töten würde. Er wäre nicht im Mindesten überrascht gewesen, wenn er es getan hätte. Das hieß nicht, dass er Stratton gut genug kannte, um sicher zu wissen, dass er es tun würde. Ganz im Gegenteil. Er kannte Stratton gar nicht besonders gut, aber die Gerüchte über ihn ließen seinen Charakter in zweifelhaftem Licht erscheinen.
»Sieht so aus, als hätte der für heute genug«, sagte Spinks und hoffte, Stratton würde seine Meinung ändern, falls er schon beschlossen hatte, ihn zu töten. Spinks hatte dafür nichts übrig, selbst nach dem, was er heute durchgemacht hatte. Er war kein Mörder.
Die Augen des Mannes wurden glasig und sein Atem flacher, bevor er ganz versiegte.
Spinks sah ihn ohne Mitleid oder Freude an. Er registrierte es einfach.
»Komm schon«, sagte Stratton und half Spinks aus dem Bus. Sie gingen langsam zu der Lücke in der Hecke und Spinks blickte zurück auf die Front des Busses.
»Verflucht! Gut, dass ich in der Kiste war.«
Als Stratton ihm durch die Hecke half, hob er seine SLR auf und sie überquerten das Feld bis zu dem wartenden Gazelle-Helikopter. Der kurze Fußweg hatte Spinks Kreislauf in Schwung gebracht, und als sie ihn erreicht hatten, konnte er sich schon fast selbst aufrecht halten.
»Ich wusste, das warst du. Ich wusste es einfach, verdammt«, sagte Spinks. »Sobald ich die Schüsse hörte, hab ich mir gesagt, das ist Stratton, das kann niemand anderes sein. Dann sind wir gegen 'ne verdammte Mauer gefahren.« Spinks kicherte, bis der Schmerz es zu anstrengend machte.
Stratton half ihm hinten hinein und dabei, sich auf die Sitzbank zu legen. Während er auf den freiliegenden vorderen Passagiersitz kletterte, hob die Gazelle ab und drehte in Richtung Norden.
Stratton setzte sein Headset auf, positionierte das Mikrofon vor den Lippen und drückte den Sendeknopf. »Zero Alpha, Whisky One. Ich habe Four Two Charlie. Er hat eine Schusswunde, aber er wird es überstehen. Bin unterwegs in eure Richtung.«
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