Spinks schob sich tief gebückt aus dem Wagen, seine blanken Füße berührten den Boden. Er rollte nach vorn und rammte Sean mit der Schulter nach hinten auf den Gehweg, dann brachte er allen Mut und Entschlossenheit auf, die er zusammenkratzen konnte, und rannte mit aller Kraft los, die er seinen Beinen abringen konnte. Er klatschte mit einem nackten Fuß nach dem anderen auf den Boden und ignorierte den Schmerz, als die weiche Haut seiner Fußsohlen nach den ersten paar Schritten aufplatzte. Er bewegte sich zwar, aber es kam ihm vor, als würde er durch Sirup rennen. Die Explosionen hinter ihm würden nicht lange dauern, fünf oder sechs Sekunden vielleicht.
Er rannte vom Gehweg, duckte sich zwischen den Wagen und den Bus und lief auf die Straße.
Menschen blickten in Richtung des Lärms, sahen Spinks, seine Jacke und Hemd offen, die Füße nackt. Spinks rannte weiter, so schnell er konnte, mit jedem Schritt gewann er einen wertvollen Meter, seine Arme schwangen durch die Luft. Aber das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Der Knopf, der seine Hose zusammenhielt, riss ab und sie fing an zu rutschen. Er hielt sie mit beiden Händen und rannte weiter, aber er kam aus dem Rhythmus. Als sich der Schritt der Hose den Knien näherte, verkürzte das seine Schritte und er wurde langsamer. Er zog sie ein paar Zentimeter hoch und legte wieder an Tempo zu.
Dann spürte er, wie sich etwas in seinen Schritt bohrte, unter seine Eier, etwas Spitzes. Er wusste, was es war, und hatte plötzlich Angst, es zu verlieren. Er griff in seine Unterhose, während er weiterrannte, seine Finger griffen unter seinen Hoden. Er spürte es. Im selben Moment flog etwas aus seinem Körper, aus seiner Brust, genau unter seiner linken Schulter. Es fühlte sich heiß an und brannte. Es flog nach vorn. Ein Schwall Blut. Er spürte einen harten Schlag auf den Rücken, auf der anderen Seite der Stelle, an der seine Brust brannte, mit brutaler Wucht, als hätte ihn ein Stein getroffen oder ein Hammerschlag. Sein Geist registrierte einen lauten Knall irgendwo hinter sich, ein Donnern.
Die Wucht des Schlages ließ ihn nach vorn taumeln. Er versuchte, größere Schritte zu machen, als er strauchelte, aber es half nichts. Sein Kopf fiel tiefer als seine Hüften und die Straße war plötzlich alles, was er noch sehen konnte. Er ließ seine Hose los und streckte die linke Hand nach vorn, seine rechte hatte er unbequem in seiner Unterhose vergraben, aber seine Linke gab sofort nach, als er Bodenkontakt hatte, nicht in der Lage, sein Gewicht im Sturz zu halten. Sein Gesicht schlug auf dem Asphalt auf und scheuerte über die raue Oberfläche, wobei Haut von seiner Stirn und seiner Nase geschürft wurde und seine Lippe und sein Kinn aufplatzten. Sein Bauch prallte auf und er wurde ein wenig zurück und zur Seite, dann auf den Rücken geworfen. Er rutschte noch ein paar Zentimeter und lag dann schwer atmend und benommen da, versuchte, seine Glieder dazu zu bringen, sich zu bewegen. Er strampelte in der Luft, als würde er noch rennen, aber er hatte keine Koordination mehr, da er keinen Bodenkontakt hatte.
Plötzlich rissen ihn ein paar Hände hoch und er wurde auf den Bauch gerollt. Eine Hand zog ihn am Haar nach oben, eine andere packte ihn am Kragen, würgte ihn, und eine weitere ergriff einen seiner Arme. In dieser Position wurde er vorwärtsgezogen, seine Zehen schleiften über den Boden, die Haut wurde bis auf den Knochen abgeschürft.
Sie kamen zur Rückseite des Busses, die Tür war offen. Er wurde schnell hoch- und hineingehoben und in etwas geworfen, einen Schrankkoffer oder eine große Kiste. Über sich registrierte er verschwommene Gesichter, aber nur einen Augenblick, dann wurde ein Deckel Zentimeter vor seinem Gesicht zugeschlagen und alles wurde schwarz. Weitere Schläge in kurzer Folge, als die Türen geschlossen wurden, dann startete der Motor.
Erneut lag Spinks in einem schaukelnden, dunklen, beengten Raum. Seine Schulter fing zu brennen an, als stünde sie in Flammen. Er stöhnte, dann schrie er um Hilfe. Alles, was er hörte, war der Motor und das Surren der Achse unter ihm. Sein schlimmster Albtraum war wahr geworden. Der schlimmste Albtraum jedes Agenten. Das Undenkbare widerfuhr ihm. Ausgerechnet ihm. Es schien fast unmöglich, selbst als er da lag. Sie hatten darüber gesprochen, unter den Rekruten, während der Pausen beim Training oder nachts in ihren Betten und manchmal in der Bar des Camps, nach einigen Bieren. Es war wie eine Gruselgeschichte, die Art Horror, der nur anderen zustoßen konnte.
Spinks fing an zu weinen. Sein Leben raste vor seinem geistigen Auge vorbei, aber langsam genug, um die Details zu betrachten. Das Leben war gar nicht so bedeutungslos, selbst in den alten Zeiten, den langweiligen, sinnlosen Tagen seiner Jugend. Er wollte leben. Und das würde er, noch geraume Zeit, damit rechnete er. Aber jede Sekunde davon wäre der reinste Horror. Die Geschichten von dem, was sie den Gefangenen antaten, waren unvorstellbar. Wenn sie schon einen der Ihren langsam zu Tode folterten, was würden sie dann mit ihm machen, einen britischen Spion, einem verhassten Undercover-Agenten?
Tränen rollten von seinem Gesicht in seine Ohren. Seine Brust hob und senkte sich mit schmerzvollen Atemzügen, als ihn die Angst packte. Er kratzte am Deckel seines Sarges. Seine Fingernägel brachen ab. Das war ihm egal. Er schabte und drückte mit den Füßen, während er weinte. Aber es half nichts. Sein Sarg war zu stabil. Er gab auf und weinte nur noch. Ein paar Momente gab er sich seinem Albtraum hin, aber selbst das wurde zu anstrengend. Irgendwann lag er nur noch da, leise, hörte seinem Atem zu vor dem Hintergrund des laufenden Motors. Mit einer Hand fühlte er nach dem brennenden Schmerz unter seiner Schulter. Es war feucht. Als er unter sein Hemd griff, spürte er ein kleines Loch in seiner Haut. Die Bilder, wie er wegrannte und fiel, standen ihm wieder vor Augen, jetzt sogar deutlicher als in dem Moment, als es passiert war. Er war noch in Dungannon. Sie waren immer noch im Norden. Dann erinnerte er sich an seine Trumpfkarte.
Trotz des intensiven Schmerzes in der Brust drehte sich Spinks in dem beengten Raum, damit er die Hand in die Unterhose und zwischen seine speckigen Beine bekam. Er griff unter seinen Hoden, wohin es gerutscht war, und ertastete die harte Plastikhülle. Brennan hatte gründlich danach gesucht, aber kurz vor Spinks muffigsten intimen Stellen hatte er aufgehört. Wäre es dort geblieben, wo Spinks es ursprünglich verstaut hatte, locker vorn in seiner Unterhose, hätte es Brennan vielleicht gefunden, als er sie runterzog. Er schnappte sich den Minisender mit den Fingerspitzen und zog ihn vorsichtig raus.
Die Gazelle hatte Loch Neagh hinter sich gelassen und war südwestlich in Richtung der Grenze unterwegs. Sie stieg gerade hoch genug, um über eine Hochspannungsleistung zu fliegen, fiel dann wieder majestätisch auf Hausdachhöhe, immer noch in vollem Tempo. Der Pilot war zu konzentriert, um sich noch von dem Anschiss ablenken zu lassen, den er von dem Fiesling neben sich und dem Oberkommandanten von Camelot erhalten hatte. Er tat das, wofür er vor nicht mal einem Jahr in Deutschland all die Monate trainiert hatte. Schnell und tief. Und er war gut darin. Wäre Stratton nicht so grob gewesen und ein bisschen netter, wäre er vielleicht nicht so verbissen gewesen. Er hatte beschlossen, diesem ungehobelten Klotz zu zeigen, was richtiges Fliegen war.
Stratton sah auf die Karte, obwohl er die Gegend hier gut kannte. Nachdem sie der M1 eine kurze Strecke gefolgt waren, schwenkten sie in Richtung Aughnacloy und ließen Dungannon ein paar Meilen rechts von sich liegen.
»Geben Sie mir 500 Fuß«, befahl Stratton. Der Pilot murmelte etwas, das sich wie »500« anhörte und gehorchte, passte die Rotorgeschwindigkeit nur ein wenig an, der Helikopter erzitterte und das Geräusch der Rotorblätter wurde tiefer, als sie einen größeren Bissen Luft verdrängten. Die zunehmende g -Kraft war spürbar, als das schlanke Luftfahrzeug stieg und dann austarierte.
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