1 ...8 9 10 12 13 14 ...24 Eine weitere unverständliche Übertragung drang aus den Lautsprechern. Healy runzelte die Stirn, als er sich darauf konzentrierte. Dann lächelte er, nickte wissend und selbstgefällig, während er etwas auf ein Blatt Papier kritzelte. Tommy lehnte sich rüber, um zu lesen, was er geschrieben hatte.
»Mary? Wer ist Mary?«
»Eine Stimme«, antwortete Healy. »Wenn man sich die Übertragungen lange genug anhört, erkennt man verschiedene Stimmen. Das war Mary. Da bin ich sicher. Sie ist seit einem Jahr bei der Einheit.«
»Woher weißt du, dass sie Mary heißt?«, fragte Tommy und sah verwirrt aus.
»Weiß ich nicht. Ich hab sie nur so genannt.« Healy verstellte etwas an seinem Bedienpanel. »Und anhand der Signalstärke würde ich sagen, sie kam näher.« Dann sah er auf die Uhr, wunderte sich anscheinend über etwas. »Ein Element fehlt«, sagte er mehr zu sich selbst.
»Und welches?«, fragte Tommy.
»Ich dachte, er müsste mittlerweile in der Luft sein. Bisschen langsam. Gut für uns, hoffe ich.«
»Was ist langsam?«, fragte Tommy, ein wenig verärgert darüber, ignoriert zu werden.
Healy sah ihn an, als wäre ihm eben wieder eingefallen, dass er mit ihm im Bus war. »Der Helikopter«, sagte er.
Stratton fuhr mit hohem Tempo die Zugangsstraße zum Flugplatz entlang und erreichte die Ansammlung langer, schmaler, eingeschossiger Gebäude am Rand der Rollbahn. Mit quietschenden Reifen kam er zum Stehen. Einige Mechaniker und Service-Techniker, die gerade eine Zigarettenpause machten, drehten sich zu ihm um. Er stieg mit seiner Tasche und dem Gewehr aus, ging an den Service-Leuten vorbei auf einen Gazelle-Jet-Helikopter zu, der allein auf dem Gras in 50 Metern Entfernung stand. Vom Piloten oder der Bodencrew war keine Spur zu sehen.
Er öffnete die Passagiertür des schlanken Viersitzers, warf seine Tasche auf den Boden vor den Sitz und sah sich in Richtung des Air-Corps-Gebäudes um. Der Pilot trat ohne große Eile aus der Tür. Er trug den grünen Standard-Overall, einen Helm und zog seine Lederhandschuhe an. Stratton zog die Jacke aus, holte ein Schulterholster aus seiner Tasche und zog es an. Das Ende befestigte er an seinem Gürtel. Der Pilot würdigte Stratton keines Blickes, ging um den Helikopter herum und stieg mit der Eile eines Mannes ein, der sich auf einen gemütlichen Sonntagsausflug vorbereitet. Stratton konnte ihn schon jetzt nicht leiden.
»Wissen Sie, was ein Op Kuttuc ist?«, fragte Stratton.
Der Pilot war ein junger, arroganter Lieutenant mit einem herablassenden Lächeln, das er speziell für diejenigen reserviert hatte, die er als unter sich stehend betrachtete. Er hatte Stratton in dem Moment, als er ihn sah, in diese Kategorie eingeordnet.
»Ja«, antwortete er. Es war eines dieser langen, nervigen »Jaaas«, bei dem man die Tonlage am Ende leicht erhöhte, als wäre die Antwort so offensichtlich, dass es kindisch war. »Einer Ihrer Kumpel ist gekidnappt worden«, sagte er in einem Tonfall, als hätte er zu viele alte britische Kriegsfilme gesehen. Stratton beobachtete, wie er einstieg. Der Mann schaufelte sich sein eigenes Grab, ohne es zu wissen.
Stratton überprüfte seine Pistole und steckte sie ins Holster. »Der Vogel hier hätte bereit sein sollen für meine Ankunft.«
»Ich war hier, sobald ich die Nachricht erhalten hatte«, antwortete der Pilot träge.
»Sie sind der Bereitschaftspilot, richtig?«, fragte Stratton.
»Offensichtlich«, sagte der Pilot. Er betätigte ein paar Schalter und drückte auf einige Knöpfe, in der Reihenfolge seiner Checkliste.
»Das heißt, Sie sind abflugbereit, Helm in der Hand, und wenn die Glocke klingelt, sprinten Sie los, als würde es um Ihr Leben gehen.«
Der Pilot kontrollierte weiter seine Instrumente und ignorierte Stratton. Der ergriff den Arm des Piloten und drückte zu wie ein Schraubstock. »Verstehen Sie?«
Der Pilot hielt inne und sah ihn an, einigermaßen schockiert durch den Körperkontakt.
»Und jetzt bringen Sie das Scheißding in die Luft«, fuhr Stratton fort, ließ den Arm des Piloten los und zog seine schwere Lederjacke wieder an.
Der Pilot checkte weiter seine Instrumente, warf Stratton gelegentlich einen Blick zu, anscheinend beunruhigt von dessen Einstellung. Er war sicher, dass Stratton kein Offizier war, und egal wie dringend es war, er hatte kein Recht, so mit ihm zu reden, geschweige denn, ihn am Arm zu packen. Er beschloss, das Ganze für den Augenblick auf sich beruhen zu lassen, da es anscheinend eilig war, aber er würde es sicher bei seinem vorgesetzten Offizier erwähnen, sobald sie zurück waren. Ihm war egal, ob der Typ bei den Special Forces war. Lange Haare und dreckige Klamotten gaben ihm nicht die Autorität, frech zu werden.
Der Pilot startete die Turbine, während Stratton einstieg und die Tür schloss. Stratton legte den Gurt an, setzte sein Headset auf und steckte das Kabel der giroskopischen Stabilitätshilfe, die an der Waffe befestigt war, in den Anschluss auf dem Instrumentenpanel. Er steckte ein volles Magazin in die Waffe, legte das Ende des Laufes auf die Instrumententafel und zog geräuschvoll den Ladehebel zurück. Der Pilot warf ihm einen Blick zu; ihm war klar, dass die Waffe eigentlich außerhalb des Helikopters vor dem mit Sandsäcken ausgestatteten Kugelfang geladen werden musste. So lauteten die Befehle. Er fragte sich, wieso diese Leute sich benahmen, als könnten sie die Regeln brechen, wie es ihnen passte.
Aggy raste die Straße entlang. Sie zweifelte noch mehr an ihren Fahrkünsten als je zuvor. Der Tacho zeigte ungefähr 130 km/h. Sie steuerte durch eine leichte Linkskurve und konnte kaum die Räder auf der Straße halten. Wäre ein anderes Auto entgegengekommen, hätte die Verfolgungsjagd ein plötzliches Ende gefunden. Ed hatte bereits mit seinen Fingern dauerhafte Abdrücke auf der Unterseite des Sitzes hinterlassen und war kurz vorm Nervenzusammenbruch. Er legte den Gurt an, was bezeichnend war, da Agenten sich normalerweise weigerten, Gurte zu tragen, denn dann konnten sie nicht so schnell aus einem Auto fliehen, falls sie unter Feuer gerieten.
»Wir können ihm nicht helfen, wenn wir uns umbringen!«, schrie er. Wie Aggy das sah, hatten sie keine andere Wahl. Sie hatte nicht vor, aufzugeben, und wenn sie noch langsamer gefahren wäre, hätte sie auch gleich anhalten können. »Kreuzung!«, schrie Ed plötzlich.
Sie raste direkt darüber, ohne langsamer zu werden oder auch nur einen Blick zur Seite zu werfen.
»Verfluchte Scheiße!«, rief Ed aus. »Das ist verdammter Wahnsinn!«
»Das war Blau sechs«, sagte sie und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. Ed hatte nur Augen für die Straße. »Blau sechs, in Richtung Grün drei. Sag denen das!«, rief sie.
Ed fingerte nach dem Rufknopf und drückte ihn.
Healy hörte sich die verschlüsselte Kommunikation an und kontrollierte eine Apparatur. »Du machst dich besser bereit. Deine Jungs sind in der Nähe«, sagte er zu Tommy.
Tommy schnippte seine Zigarette weg, streckte den Hals und sah die leere Straße entlang.
Der Gazelle-Hubschrauber erhob sich ein paar Meter vom Landeplatz, kippte die Nase nach vorn und beschleunigte, wobei er in einem flachen Winkel aufstieg. Stratton passte sein Headset an und schob das Mundstück nahe an seine Lippen. »Geradeaus über den Neagh, Südwest. Kapiert?«
Der Pilot nickte. »Hab's kapiert«, sagte er zu sich selbst. Was ist eigentlich mit dem ›Sir‹ passiert?
»Wenn ich Ihnen eine Anweisung gebe, dann antworten Sie mit verstanden oder etwas anderem, wenn Sie nicht verstanden haben. Wenn Sie gar nichts sagen, weiß ich nicht, ob Sie mich gehört oder verstanden haben.«
Der Pilot seufzte. »Verstanden«, sagte er und versuchte Stratton zu vermitteln, dass er kein einfacher Taxifahrer war.
Stratton drückte einen Knopf am Kabel seines Headsets. »Whisky One in der Luft.«
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