Wir nahmen mit einem Fischerboot, der Queequeg , Kontakt auf, etwa zehn Meilen entfernt, und ihr Kapitän, Josh, informierte uns, dass Monhegan gänzlich verloren war.
»Sieht aus, als hätte ein Großteil des Dorfes gebrannt. Ein paar kleinere Brände gibt es noch und eine Menge Rauch landeinwärts. Von der Anzahl der Boote her würde ich sagen, dass eine ganze Menge Menschen die gleiche Idee hatten wie wir. Der Hafen war brechend voll und es gab Wracks rings um die Insel. Over.«
»Was ist mit Aktivität am Ufer? Over.«
»Eine große Menge von denen am Ufer. Sehen heißt Glauben. Wir haben über zweihundert im Dorfgebiet gezählt. Kamen nirgendwo in die Nähe von Land, ohne Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, mit dem Motor sind wir alles andere als unauffällig. Wir sind nicht sehr gut bewaffnet und haben deshalb nicht gewagt anzulegen. Ist es überall so schlimm? Over.«
»Auf dem Festland ist es noch schlimmer, Josh, das totale Chaos. Was ist mit den vertäuten Booten? Irgendetwas, das uns interessieren könnte?«
»Sorry, Robert, aber außer der Queequeg und einigen anderen scheint der Hafen abgeerntet zu sein. Könnte aber trotzdem den Besuch wert sein, ihr habt vielleicht andere Bedürfnisse als wir. Hab' ein paar Segelboote in der Ferne gesehen, aber die wollten mit uns nichts zu tun haben. Wir haben ein kleines Problem, was den Treibstoff angeht; 'ne Menge zu essen, aber Scheiße, Mann, wir sind ein Fischerboot!«
Ich war erleichtert, dass das Over-Spielchen vorbei war.
»Ich schätze, es geht wieder zurück ans Reißbrett. Also, wo wollt ihr hin, Josh?«
»Nun, wir lagen gerade vor George's Banks, als es richtig losging, deshalb haben wir eine Weile abgewartet und die Nachrichten per Satellit und Radio verfolgt. Wir dachten alle, es würde vielleicht vorüberziehen wie die jährliche Grippewelle oder dass die USA rauskriegen würden, wie damit umzugehen ist. Monhegan war ein Weckruf und … na ja, die Crew hat abgestimmt. Es war einstimmig. Wir gehen nach Hause.«
»Wo ist euer Zuhause?«
»New Bedford«, sagte Joshua leise mit diesem klassischen Massachusetts-Akzent.
Wir sahen uns gegenseitig ungläubig an, sind die verrückt? New Bedford ist eine berühmte alte Walfängerstadt, versteckt zwischen Providence und Boston. New Bedford war reinster Selbstmord.
»Bist du sicher? Gegen New Bedford wird die Insel gemütlich aussehen. Es gibt dort nichts mehr für dich und deine Crew, Josh. Willst du wirklich sehen, was mit deinen Lieben passiert ist?«
»Nun ja, wir haben es immer wieder durchgekaut. Wir müssen zurück … es ist unsere Heimat.«
Man konnte an seiner Stimme hören, dass wir nichts mehr sagen konnten. Sie hatten ihren Entschluss bereits gefasst und, wie ich hoffte, etwas Frieden in dieser Entscheidung gefunden. Genau wie der Frau im Supermarkt konnte ich ihnen nicht helfen.
»Was ist mit euch, Robert?«
»Wir fahren Richtung Süden, vielleicht finden wir eine kleine karibische Insel und können dort die Sache aussitzen.«
Josh lachte. »Klingt sehr viel bequemer als der Norden! Viel Glück.«
»Gute Reise, Queequeg .«
»Euch auch, Providence . Over and out.«
»Verdammt.« Robert starrte auf das Funkgerät. Er schaltete es ab und wir standen für eine Minute schweigend da.
Er legte seinen Kopf zur Seite und sah mich an. »Queequeg?«
»Moby Dick«, antwortete ich.
»Nie gelesen.«
»Mach dir nichts draus, geht den meisten so, es sei denn, sie wurden dazu gezwungen.«
»Wurdest du gezwungen?«
»Nein.«
»Das hätte ich mir denken können.«
Warum würde man in den sicheren Tod gehen wollen? Ich weiß, dass wir alle mit dem, was passiert ist, auf unsere eigene Weise umgehen müssen, aber sie hatten die völlige Verwüstung und das Grauen nicht gesehen. Ich betete, dass sie ihre Meinung ändern würden, sobald sie näherkamen und der Scheiß ihnen richtig ins Bewusstsein drang.
»Also, was steht als Nächstes auf dem Plan? Wir haben immer noch eine Menge …«
»Warte eine Sekunde, John, ich habe etwas auf dem Radar! Es ist groß, kein Frachtschiff.«
»Wie weit?«
»Etwa fünfundzwanzig Meilen östlich, sie könnten auf die Insel zusteuern. Sieht aus, als hatten wir alle die gleiche Schnapsidee.«
»Na ja, geteiltes Leid ist halbes Leid.«
»Sehen wir uns das mal an!«
Unsere Laune hatte sich gehoben seit Tenants Harbor, und die Aussicht darauf, tatsächlich Menschen anzutreffen, machte alles nur noch besser. Der Wind nahm zu und der Tag kühlte ab. Wir quatschten die nächsten Stunden, erzählten uns Geschichten und spannen Seemannsgarn. Ich versorgte Robert mit kaltem Bier und mich mit Coke.
Eine Möwe am Himmel, der Duft der See und der Klang des Bootes, wie es durch das Wasser rauschte, waren nichts Geringeres als magisch. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass dies nichts weiter als ein normaler toller Tag war, zwei Freunde, ein wunderbares Boot und ein weiter Ozean vor uns. Man konnte sich fast schon entspannen.
Als wir näherkamen, konnten wir sehen, dass das Boot eine nette Motorjacht war, und mit nett meinte ich verdammt groß . Robert sagte, es wäre eine Spezialanfertigung und man könnte darin mit Leichtigkeit zwanzig Leute stilvoll unterbringen, Personal nicht mitgezählt. Es war eins von der Art, die der Bösewicht in James-Bond -Filmen für gewöhnlich besaß. Je weiter wir uns näherten, desto mehr stieg die Anspannung. Man hatte auf unsere Funkrufe nicht geantwortet und nie versucht, den Kurs oder die Geschwindigkeit zu ändern. Wir bemerkten, dass sich etwas an Bord bewegte, und es sah definitiv nach etwas Lebendigem aus. Wir erwarteten kein Empfangskomitee, aber ein Hallo könnte doch viel dazu beitragen, unsere Nervosität zu verringern. Man konnte uns eindeutig sehen und wir hielten einen gesunden Abstand von ihrem Heck. Irgendwann konnte ich mindestens zwei Leute auf dem Deck erkennen, die uns durch große Ferngläser beobachteten. Es schien, als trugen sie eine Art Uniform. Nach zehn Minuten passierte immer noch nichts! Ich meine, wenn sie beunruhigt waren, könnten sie doch den Helikopter nehmen und uns unter die Lupe nehmen.
»Was zum Teufel ist hier los? Ich glaube nicht, dass sie infiziert sind und sie können deutlich sehen, dass wir es auch nicht sind. Man sollte doch meinen, sie würden wenigstens reden wollen, sehen, was los ist, Informationen austauschen.«
»John, du schaust nicht viel fern, oder? Meiner Einschätzung nach will sich keiner, der sich so ein Schiff leisten kann, mit Typen wie uns abgeben. Warum das Risiko eingehen? Wir haben nichts, was sie bräuchten.« Er warf einen ausgiebigen Blick auf das Ungeheuer.
»Komm, nichts wie weg von hier.«
Wir steuerten nach Westen, zurück zur Küste.
»Vielleicht bin ich naiv, aber das ist doch bescheuert!« Ich schaute zu Robert auf. »Die Welt macht den Abgang und wir haben immer noch mit so 'nem Scheiß zu tun!«
Robert warf mir diesen väterlichen Blick zu. »Warum das Risiko eingehen? Und ja, du bist naiv.«
Wir ankerten bei Sonnenuntergang in einer unscheinbaren Bucht und gingen schlafen.
1. Juni
Ich wachte mit massiven Austrocknungskopfschmerzen auf und fühlte mich beschissen. Die Tage in der prallen Sonne forderten ihren Tribut. Nach mehreren Häfen und einer Menge Booten stießen wir auf etwas sehr Interessantes. Es war ein Leuchtturm, der auf einer kleinen Insel stand, vielleicht fünfzig Meter vom Ufer entfernt. Die Insel war größer als Molly's Rock und es wuchsen sogar ein paar kleine Bäume und richtiger Rasen darauf. Die gesamte Insel war umringt von fünf bis sieben Meter hohen Klippen, aber auf der Leeseite fielen die Klippen auf weniger als zwei Meter ab und dort gab es ein kleines Dock. Das einzige wirkliche Problem lag fast direkt gegenüber von diesem Dock, und zwar das winzige Dorf God's Haven. Es war ein Ort, den man im Sommer besuchte, um das richtige alte Neuengland zu erleben und eine Menge Fotos von dem Leuchtturm zu machen. Eine kleine Bucht für Segelboote neben einem traditionellen Maine-Dörfchen alter Schule, erbaut auf einem Hügel, der sich zu einer langen, hölzernen Werft herunterwand, die wiederum von Restaurants und Souvenirläden gesäumt war. Es war außerdem Ausgangspunkt für Whalewatching -Touren. Und ja, da waren Zombies. Sie sahen uns und strömten zum Dock herunter. Innerhalb von fünf Minuten hatten wir vierzig von ihnen gesichtet und es kamen noch mehr aus den Tiefen des Dorfes.
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