1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Zwei Jahre zuvor hatte ich eine Ruger SR9 und einen Haufen Munition gekauft. Es war eine Halbautomatik mit siebzehn Schuss pro Ladestreifen, und wenn man erst mal das Holster trug, fühlte man sich wirklich wie ein knallharter Typ. Ich hatte einen Kurs im Umgang mit Schusswaffen gemacht und mich tatsächlich ganze zwei Mal motiviert, zum Schießstand zu gehen und damit zu spielen. Ich habe absolut keine Ahnung, warum ich das Ding überhaupt gekauft hatte. Ich war nicht in Gefahr oder verliebt in Knarren gewesen, ich war einfach der klassische, amerikanische Konsument. Es sah cool aus, ich hatte Bares, keine Vorstrafen und nun hatte ich eine Kanone. Wie bei den meisten meiner Impulskäufe verlor ich bald das Interesse und sie wanderte in den hinteren Teil meines Kleiderschranks. Nun erschien es mir wie eine meiner besseren Kaufentscheidungen.
Ich setzte mich auf meinen Balkon, schaltete das Radio ein und machte eine Royal Crown Cola auf. Ich versuchte weiterhin Liz anzurufen, aber die Leitungen waren dicht und ich bekam nur einen Piepton. Ich schaute über den Penobscot River und in die Innenstadt von Bangor. Die Dinge fingen an, sich zu verändern, da war Rauch in der Ferne, hupende Autos, Sirenen, aber keine gemeldeten Aufstände. Und doch, wenn man das alles ausblendete, könnte man in der Lage sein, sich selbst davon zu überzeugen, dass es nur ein wunderschöner Maitag war und uns ein toller Sommer bevorstand.
Ich saß da wie benebelt. Mein Verstand raste. Es war einfacher zu verarbeiten gewesen, dass die Hölle ganz woanders ausbrach, aber die Tauben waren schließlich heimgekehrt und das Ende der Welt stand vor meiner Tür. Der menschliche Verstand ist ein komisches Ding, denn mein gedanklicher Faden ging fließend vom Ende der Welt zu Bedauern über, dass ich dieses Jahr den Orono Farmers Market verpassen würde. Teil meiner besser-essen-besser-leben -Strategie, die meist ein oder zwei Monate anhielt, und dann fiel mir ein, dass dies meine letzte Adresse sein könnte.
Nach etwa einer Stunde kam ich einigermaßen zu mir und mein Gehirn begann zu registrieren, dass es mehr Brände am Horizont gab, deutlich mehr Sirenen und dass meine Cola schal war. Ich überlegte, dass die Stadt eine Bevölkerung von etwa einunddreißigtausend hatte, in unmittelbarer Umgebung etwa hundertfünfzigtausend, und ich hatte zweiundfünfzig Kugeln für die Ruger.
Während die Regierung die Print- und Mainstreammedien kontrollieren konnte, ließ sich das Internet nicht so leicht abstellen und die Wahrheit strömte herein. Die eigentliche Seuche war nicht das Hauptproblem. Richtig schlimm waren die wandelnden Toten und ihre bösartige Natur. Es war inzwischen weitgehend bekannt, dass ein Biss schnell zur Infektion, zum Tode und dann zur Reanimation führte. Man hörte, die Untoten fräßen nur Teile der frisch Verstorbenen, zumindest bis zur Wiederbelebung. In einem Bericht hieß es, Zombies würden leicht von den Lebenden abgelenkt. Na Gott sei Dank, ich bin doch noch zu etwas gut. Das typische Opfer würde nach weniger als einer Stunde auferstehen; jeder, der durch Bisswunden starb, kam wieder zurück und man sollte das Gehirn zerstören, um die Untoten zu töten . Der Anatom in mir störte sich etwas an der Kopfschuss-Geschichte. Der wissenschaftliche Teil meines Verstands sagte mir, dass das keinen richtigen Sinn ergab; als ob es zur normalen Dosis rationalen Denkens gehörte, dass die Welt von Zombies zerstört wurde.
Mein Handy klingelte! Es war Elizabeth; reines Glück, dass sie durchkam. Ich war erleichtert, überglücklich und wollte augenblicklich sentimental werden, aber sie sagte nur, ich solle die Klappe halten und zuhören. Ihr Ex, Roy, hatte einen Plan und wollte mich einladen. Er wusste von unserer Freundschaft und war überraschend solidarisch. Sie waren als Freunde auseinandergegangen und nach sechs Jahren und seiner Wiederverheiratung wollte er nur ihr Bestes. Wie sich herausstellte, war Roy so 'ne Art Überlebenskünstler, was Elizabeth nie erwähnt hatte. Er liebte Kanonen und große Maschinen. Ja, das ging Hand in Hand mit dem Survival-Thema, aber auch wieder etwas, dass sie nie erzählt hatte. Er hatte zwei Freunde mit großen Wohnmobilen und ein paar andere mit Segelbooten. Roy besaß einen Hummer, der frisiert war, und laut Liz war Roy fast schon aus dem Häuschen, dass die Apokalypse bevorstand. Der Plan war, so schnell wie möglich zusammenzukommen, sich auf den Weg zur Küste zu machen, zu den Booten zu gelangen, Richtung Süden zu fahren, eine Insel zu finden und darauf zu warten, dass alles vorüberzog. Ich sollte sie auf der anderen Seite der Stadt treffen.
Es war eindeutig Zeit zu gehen, also tat ich das auch.
31. Mai (Fortsetzung)
»Die Bräune steht dir!«
Ich hatte ihn unter Deck rumbasteln hören und wartete darauf, dass Robert hochkam.
»Na ja, du kennst mein Motto, es kommt nicht drauf an, wie du dich fühlst, sondern wie du aussiehst.«
»Ich schätze, Hautkrebs ist nicht sonderlich von Belang heutzutage.«
»Melanome stehen noch auf der Liste, nur nicht mehr so weit oben wie früher. Hast du Kaffee gemacht?«
»In der Kombüse, ist aber Instant. Ich habe mir die Karten angesehen, die wir gestern von den Booten geholt haben, und dachte, wir versuchen es mit Monhegan Island, schauen, was dort los ist. Schon mal da gewesen?«
»Würde es helfen, wenn ich schon da gewesen wäre?«
»Nein.«
»Ich bin noch nie dort gewesen.«
Ich hörte das Rascheln von Papier und öffnete die Augen. Robert saß neben mir und breitete eine Seekarte auf dem Deck aus.
»Es sind etwa vierzig Meilen von hier aus. Der Bundeswetterdienst ist ausgefallen, aber das Barometer und das Wetter sehen günstig aus. Mit ein bisschen Glück könnten wir es heute schaffen.«
»Nun, meine Tanzkarte scheint leer zu sein heute, also warum nicht. Was glaubst du, wie viele?«
Ich manövrierte mich in eine sitzende Position, wobei mein Rücken mir mitteilte, dass ich a) sechsundvierzig Jahre alt war, b) das Deck hart war, trotz der Isomatte und c) es unter Deck ein verdammtes leeres Bett gab!
»Nun, wie unser guter Freund Bill Shakespeare sagen würde, hier ist der Haken! Jeder Dahergelaufene wird dort Zuflucht gesucht haben, aber im Fall der Fälle sollte es dort eine Menge Boote zu durchsuchen geben und einen Platz zum Ankern, falls sich das Wetter dreht.«
Er schaute in die Ferne und zum ersten Mal konnte ich sehen, wie sich das Ausmaß unserer Situation in seinem Gesicht abzeichnete. Keine Furcht oder Traurigkeit, nur ein tiefes Verständnis von allem.
»Was ist mit Mantinicus? Ich hörte, es wäre nett dort. Könnten vielleicht weniger Menschen dort sein, und weniger von ihnen ?«
»Da könntest du recht haben, aber diese Typen bleiben gern unter sich. Ich denke nicht, dass wir mit offenen Armen empfangen werden würden. Zu schade, man kann dort gut Lobster fangen. Nun, was auch immer wir nehmen, es wird ein Glücksspiel sein. Wir rollen die Würfel und warten ab, was Fortuna uns bringt.«
»Ja, wo uns das Miststück in letzter Zeit doch so hilfreich war.«
Robert stand auf und schlug mir auf den Rücken. »Mehr Gelassenheit, mein Junge! Mehr Gelassenheit«, rief er und ging lachend unter Deck.
Ich brauchte eine Minute … ach ja, Seinfeld.
Danke, dass du mich ans Fernsehen erinnerst, Arschloch.
Ich folgte ihm nach unten.
»Also, warum zum Teufel hast du so gute Laune? Ich dachte, neben dem Scotch und all der anderen Scheiße wäre heute Griesgrämigkeit an der Reihe.«
»Weißt du, John, du hast recht. Ich sollte angepisst sein, das Leben stinkt. Eigentlich sollten wir tot sein, sind es aber offensichtlich nicht. Alles, was wir kannten und liebten, ist fort. Schmerz ist angesagt! Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir zwei erwachsen werden. Es ist keine Sünde, dass wir nicht mit dem Rest umgekommen sind. Wir müssen uns selbst vergeben, du ganz besonders, John. Was du da auf dem Festland getan hast, war einer der größten Akte reiner Liebe, den ich je gesehen habe. Vergiss das nicht und denk daran, dass wir überleben müssen.« Er drehte sich um und reichte mir eine große Tasse Kaffee. »Und du wirst mir vergeben. Dieses Zeug, wie mein Enkel sagen würde, schmeckt richtig scheiße.«
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