»Und was geschieht, wenn sie gewalttätig werden?«, fragte der Major.
»Gewalt werden wir selbstverständlich nicht dulden«, stellte der Präsident klar. »Sollte jemand ausfällig werden, verweisen wir ihn in seine Schranken. Tragen Sie einfach Sorge dafür, dass es nicht aus dem Ruder läuft.«
Schmidt richtete sich wieder auf und wirkte nun ein wenig größer, da er jetzt auf die Gelegenheit hoffen durfte, aufsässige Demonstranten zu bekämpfen.
Baxter hingegen verzog sein Gesicht. »Verzeihung, Major, aber finden Sie nicht, dass jemand anderes, als Sie, dieser Aufgabe eher gewachsen wäre?«
Nun schaute Schmidt ihn überrascht an. »Was soll das denn heißen?«, erwiderte er.
»Nur dass Sie einen äußerst ungesunden Eindruck auf mich machen. Ich möchte Sie nur ungern ausschließen, Major, aber Sie sind krank, und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es nur die Grippe ist.«
»Sie sehen wirklich nicht gut aus«, stimmte auch der Präsident zu.
»Mir geht es aber gut«, hielt Schmidt dagegen, »und ich bin durchaus fähig, die Verantwortung für die Sicherheit jeglicher Demonstrationen zu übernehmen.«
»Niemand hier stellt Ihre Fähigkeiten infrage, mit brenzligen Situationen fertig zu werden, wir machen uns doch bloß Sorgen um Sie. Ich will, dass Sie sich heute noch von meinem Arzt auf der Basis der Air Force untersuchen lassen.«
»Aber Sir«, fing Schmidt wieder an.
»Kein Aber. Gehen Sie heute noch zu ihm, das ist ein Befehl«, verlangte Conner.
»In Ordnung Sir«, murrte der Major kleinlaut.
»Falls das alles war, beenden wir jetzt diese Sitzung«, entgegnete der Präsident. »Wir haben schließlich alle Wichtiges zu erledigen.«
»Sir ich würde gerne noch einen letzten Punkt ansprechen«, meinte Wilbur.
»Bitte.«
Sie schaute Schmidt und Baxter nervös an, bevor sie sich wieder an Conner richtete, der gelassen sitzen blieb und wartete, dass sie etwas sagte. »Es hängt mit den Demonstranten zusammen, genauer gesagt mit den unterschiedlichen separatistischen Bewegungen überall im Land.«
»So viele sind gar nicht mehr übrig. Die Leiter der Dixie-Föderation haben wir abgesetzt, Mr. Faye in Arizona ist uns genauso unterlegen gewesen wie die Lakotahs und Colonel Barone. Nicht zu vergessen das panamerikanische Imperium, das wir vernichtend geschlagen haben. Bleiben eigentlich nur noch Mr. Van Zandt und seine Kaskadier …«
Baxter unterbrach ihn. »Sie haben Texas und Oklahoma also komplett abgeschrieben?« Die Frage zielte auf den Vertrag ab, den Conner mit den beiden Vereinigungen geschlossen hatte, um Zugang zum Hafen von Houston zu erhalten; Autonomie gegen uneingeschränkte Nutzung.
»Ja und nein. Dieser Verräter werde ich mich annehmen, sobald wir stärker sind, und bevor Sie nachhaken: Hawaii und Alaska sind zu weit weg, als dass wir in absehbarer Zeit mit ihnen verhandeln könnten, und sie bleiben uns bedauerlicherweise womöglich auch dauerhaft verwehrt.«
»Hmm«, brummte Baxter, ohne etwas zu entgegnen.
»Sir, die Sache ist die: Major Schmidt würde mir bestimmt zustimmen, wenn er den Mut hätte, Ihnen die Tatsachen zu nennen. Wir haben vielleicht die Drahtzieher hinter diesen Bewegungen unterdrückt, doch an der Gesinnung der Menschen in den besagten Regionen haben wir nicht das Geringste ändern können. Ihr rebellischer Geist ist noch immer nicht gebrochen, und bald schon wird sich ein neuer Anführer hervortun, um das Heft zu übernehmen und ihre Ideen weiter voranzutreiben. Ich fürchte, wir werden uns auf einen langen Kampf einstellen müssen.«
»Was meinen Sie, Wilbur? Fassen Sie sich bitte dieses Mal kurz«, bat Conner.
»Ich finde, wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, diesen Menschen zu gewähren, was sie wollen: Unabhängigkeit!«
Nun fuhr der Präsident hoch und knurrte: »Nur über meine Leiche!«
»Aber Sir, wir können eigentlich nur gewinnen. Denn wenn wir die Macht in diesen Gegenden übernehmen, bedeutet es gleichzeitig, dass wir dort präsent sein müssen. Wir haben uns nach Kräften bemüht, die Zivilisten mit einzubeziehen, die uns noch gewogen sind, doch das genügt bei Weitem nicht, und Ihre Strategie, aus allen Rohren zu feuern, hat die Lage nur noch verschlimmert.«
»Zurückstecken ist also in Ihren Augen ein angemessenes Verhalten gegenüber diesen Rebellen und gottverdammten Verrätern«, echauffierte sich Schmidt.
»Es hat doch nichts mit Zurückstecken zu tun. Wir müssen uns nur eingestehen, wie es momentan wirklich aussieht, Major. Wir haben nicht genug Personal, Mittel und Waffen, um diese Staaten zu behalten, während ihre Regierungen damit beschäftigt sind, die Ordnung zu wahren. Einige davon sind schon so gut wie zusammengebrochen und in vielen Großstädten regieren der Pöbel und Verbrecherbanden. Es ähnelt einem Kampf gegen Windmühlen.«
»Wie feige kann man denn nur sein?«, rief Schmidt außer sich vor Wut.
»Ich bin nicht feige. Ich will diese Gegenden auch nicht aufgeben, aber es lässt sich wohl leider nicht vermeiden. Machen wir doch das Beste für uns daraus, indem wir ihnen die Freiheit schenken, und sie so als Verbündete behalten.«
»Sie sind sehr wohl feige«, fuhr Schmidt fort, »weil sie bereitwillig aufgeben würden, was noch von den Vereinigten Staaten übrig ist.«
»Schluss jetzt«, lenkte Conner ein. »Wir werden weder zurückstecken noch einen Waffenstillstand mit diesen Aufständischen aushandeln, der auch nur einen Quadratzoll US-Boden an sie abtritt.« Er machte nun eine kurze Pause, um tief durchzuatmen. »In anderen Teilen des Landes bestehen weiterhin Probleme, die wir aber beheben werden. Hier in Cheyenne und der Umgebung geht es relativ friedlich zu. Wir beugen jeder Unzufriedenheit vor Ort direkt vor und kümmern uns gleichzeitig um die Sezessionisten. All das braucht natürlich Zeit, doch am Ende werden wir uns durchsetzen.«
»Sir, als mein Team die Gesundheitsuntersuchungen in den Lagern durchgeführt hat, hat es uns von der großen Enttäuschung und der Wut erzählt, die sich größtenteils gegen uns richtet«, sagte Wilbur.
»Ich weiß, dass die Menschen frustriert und ungeduldig sind, aber wir müssen sichergehen, dass das Ganze funktioniert. Aufzugeben steht außer Frage. Es ist gerade eine schwierige Zeit, aber wir können es schaffen, das weiß ich genau.« Conner versuchte mit allen Mitteln, seinen Stab anzuspornen. Als er sich umschaute, stellte er fest, dass es nicht funktionierte. Während der langen Monate, in denen die Wiederherstellung an auch nur annähernd frühere Zustände lediglich träge vorangegangen war, hatten sie ihre positive Einstellung nach und nach verloren. Sogar der Präsident selbst tat sich schwer damit, seine eigenen Versprechen noch zu glauben. »Also gut, ich möchte, dass Sie jetzt dort hinausgehen und einen Anfang machen. Wenden Sie sich an Ihre Leute und versichern Sie ihnen, dass wir es schaffen werden und dass wir durchhalten.«
Schmidt erwiderte: »Sir, ich habe eine Idee.«
»Und die lautet?«, erkundigte sich Conner.
»Meines Erachtens nach sollten Sie eine Rede vor der Stadtbevölkerung halten und ihr so zeigen, dass Sie sich Gedanken machen. Kündigen Sie ihnen an, dass Demonstrationen fortan erlaubt sind, dass das Kriegsrecht nicht mehr gilt und …«
Wilbur fiel ihm ins Wort: »… und erklären Sie sich dazu bereit, das Projekt Kongress wieder aufzugreifen.«
Baxter riss die Augen auf, als sie dieses abgebrochene und umstrittene Unterfangen abermals erwähnte.
Der Major schaute sie ebenfalls verärgert an, weil sie ihn abgewürgt hatte.
Conner kratzte sich am Kinn und überlegte. Dann ging er zu einem Beistelltisch, auf dem eine Karte der Vereinigten Staaten lag. Die roten und grünen Linien, die er bei einem Meeting Monate zuvor eingezeichnet hatten, brachten das, was sie alle gerade beschäftigte, genau auf den Punkt. Er hob das Papier an und betrachtete die Markierungen. Gerade als er es wieder hinlegen wollte, fiel ihm ein Stapel Blätter auf einem Klemmbrett ins Auge. Es hatte ursprünglich einmal Dylan gehört. Er hatte gar nicht gewusst, dass es während all der Monate dort unter der Karte verborgen gewesen war. Dies verdeutlichte ihm noch einmal, wie lange er solchen Dingen schon keine Beachtung mehr geschenkt hatte. Plötzlich wurde ihm etwas bewusst: Er führte nicht nur Krieg gegen zahlreiche Splittergruppen, sondern rang auch mit denjenigen, die den Vereinigten Staaten gegenüber noch Loyalität bewiesen. Auch ihnen musste er klarmachen, dass er nicht das Monster war, als das ihn Typen wie Pat gerne hinstellten, sondern dass er ein gutmütiger Regent war, der sich um sein Volk sorgte und den Willen besaß, auch schwierige Entscheidungen zu fällen, um ihre Sicherheit gewährleisten zu können. Er drehte sich schwungvoll um und sagte: »Sie haben beide recht. Ich muss tatsächlich eine nachdrückliche Rede halten. Dabei werde ich das Ende des Ausnahmezustands verkünden, und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird das Projekt Kongress fortgesetzt. Außerdem werde ich sechs Monate nach der Rede eine Wahl anberaumen. Daraus werden die Menschen Hoffnung schöpfen können und etwas haben, worauf sie sich konzentrieren können.«
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