»Sir, um meine Entscheidungen zu verteidigen, möchte ich gerne daran erinnern, dass ich all das mit Ihrer Erlaubnis getan habe, was ich für notwendig gehalten habe.«
»Damit meinte ich aber bestimmt nicht, dass sie Morde begehen und alles niederbrennen sollten«, beschwerte sich Conner.
»Trotzdem hatte ich Ihre Erlaubnis, Sir«, beharrte der Major.
In Baxters Anwesenheit wollte der Präsident nicht zugeben, dass er Schmidt buchstäblich befohlen hatte, alles Notwendige zu unternehmen, um die Sezessionisten zu zerschlagen.
»Major, Sie können von Glück reden, dass ich Sie nicht vor ein Kriegsgericht stellen lasse. Jetzt bleiben Sie gefälligst auf dem Teppich und halten Sie den Mund.«
Schmidt rutschte auf seinem Platz hin und her. Dieser Anschiss hatte zweifelsohne gesessen.
Ihm war nicht wohl zumute, weil er wusste, dass Conner log und teilweise immer noch mit harten Bandagen kämpfte, wenn auch wesentlich seltener und so, dass er es im Ernstfall glaubwürdig leugnen könnte.
»Die Marines haben ewig gebraucht, um endlich etwas zu bewegen.« Damit bezog sich der Präsident auf die von der Ostküste abbestellten Marineverbände. Ursprünglich waren diese auf Colonel Barone angesetzt worden, aber dann, als sich dieses Problem erledigt hatte, waren sie weiter nach Norden gefahren, um Olympia einzunehmen, ohne dort auf nennenswerten Widerstand zu stoßen.
»Und ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich auf sie bin«, meinte Baxter freudestrahlend.
»Wissen Sie schon, wann Korps I in Fort Lewis ausrücken kann, um die Marines in Olympia zu unterstützen?«
Dabei handelte es sich um Soldaten der US-Army, die im besagten Fort in der Nähe von Tacoma stationiert waren, also nicht weit von Olympia entfernt.
»Das war eine wirklich haarige Situation für uns«, begann Baxter. »Es hat damals mehr als fünfundachtzig Prozent seiner Männer verloren. Und mit diesen Deserteuren auch noch wertvolles Rüstzeug. Uns bleibt nur noch eine kleine Einheit, die in zwei Wochen einsatzbereit losziehen könnte.«
»Und wie geht die Rekrutierung der Einheimischen für die Bürgerarmee voran?«, erkundigte sich Conner. Er hatte nämlich ein Gesetz verabschiedet, das alle tauglichen Männer zwischen achtzehn und fünfunddreißig Jahren automatisch zu Wehrpflichtigen machte, die sich für die Miliz einziehen und mustern lassen mussten.
»Es möchte bestimmt nicht jeder Dienst leisten«, antwortete Baxter.
»Wir sollten doch imstande sein, dieses Gesetz durchzusetzen«, erwiderte Schmidt. Seine Stirn glänzte vor Schweiß.
»Sie sehen so aus, als fühlen Sie sich nicht wohl, Major«, sagte der Präsident.
Schmidt setzte sich wieder gerade hin und versicherte ihm: »Mir geht es gut, Sir.«
»Falls nötig, lassen Sie sich bitte krankschreiben. Sie arbeiten schon längere Zeit rund um die Uhr.«
Als jemand anklopfte, schauten alle drei zur Tür.
Sie ging auf und Wilbur trat ein. Sie keuchte angestrengt, nachdem sie herbeigeeilt war, und nahm schnell neben Schmidt Platz. »Ich bedauere es zutiefst, dass ich mich verspätet habe.«
»Verspätet?«, wiederholte Conner. »Herrje, Sie haben fast die gesamte Besprechung verpasst.«
»Tut mir leid, aber es ging nicht anders«, entschuldigte sie sich. Als Staatssekretärin hatte sich ihr Aufgabenfeld mit der Zeit immer mehr ausgeweitet und umfasste nun auch alles, was mit der Flüchtlingsfrage zusammenhing. Diese früher eher nebensächliche Baustelle für Cheyenne und Conners Regierung war mittlerweile zu einer schwierigen humanitären Bewährungsprobe geworden, da die Zahl der Flüchtlinge tagtäglich um einige Tausende zunahm.
»Wenn wir hier fertig sind, wird Baxter Sie über alles ins Bild setzen, was wir bislang besprochen haben«, sagte der Präsident. »Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie mir etwas zeigen möchten?«
»Äh, ja, Sir, das will ich«, bestätigte sie und nahm einen Stoß Papiere sowie einen Ordner aus ihrer ledernen Aktentasche.
Conner lehnte sich an die Kante des Schreibtischs und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Ich bin ganz Ohr.«
»Sie haben uns ein Team zusammenstellen lassen, dass Tests durchführen sollte, um herauszufinden, woran sie erkranken.«
Er nickte und fragte: »Ist es NARS?«
»Nein.«
»Was ist es denn dann?«, warf Baxter ein.
Plötzlich hustete Schmidt laut und bekam einen erneuten Schweißausbruch.
Wilbur, die neben ihm saß, lehnte sich unwillkürlich zur Seite, als er anfing, immer heftiger zu husten.
Conner schaute auf seine Uhr und wurde ungeduldig. »Bitte fahren Sie fort.«
Mit einem Seitenblick auf den Major hielt sie Blickkontakt zum Präsidenten und antwortete betrübt: »Sie sterben alle an einer schweren Strahlenvergiftung.«
»Strahlung? Woher denn?«, fragte Conner irritiert, obwohl er den Ursprung bereits erahnte.
»Die betroffenen Flüchtlinge stammen alle aus dem Osten. Sie müssen wahrscheinlich durch verstrahltes Gebiet in der Nähe der Atomkraftwerke gezogen sein, in denen eine Kernschmelze aufgetreten ist.«
»Genau so, wie wir es schon im Vorfeld befürchtet haben«, antwortete Conner.
»Es war nur eine Frage der Zeit«, schob Baxter hinterher.
»Ich schlage Folgendes vor …« Wilbur nahm einen Notizblock heraus und gab ihn dem Präsidenten.
Er blätterte die beschriebenen Blätter rasch durch.
»Das ist mir jetzt zu viel zum Lesen, was genau legen sie uns nahe?«
»Die Kranken sofort in einem getrennten Lager unter Quarantäne zu stellen«, antwortete Wilbur.
»So einfach geht das nicht. Was tun wir denn in diesem Fall mit ihren Angehörigen?«, wollte Baxter wissen.
»Sie dürfen sie begleiten, wenn sie wollen«, meinte die Staatssekretärin, »doch die Kranken mit dem Rest zusammenleben zu lassen, wird unweigerlich zu Schwierigkeiten führen und vor allem den gesunden Teil der Bewohner stören.«
Conner kippelte mit seinem Stuhl vor und zurück, während er über eine mögliche Lösung nachdachte. »Tun sie es«, entschied er schließlich. »Richten Sie ein Quarantänelager ein, und zwar schnellstmöglich. Wir müssen die Zootiere ja nicht noch aggressiver machen, als sie es sowieso schon sind.«
Wilbur grinste den Präsidenten unverbindlich an. »Ich mache mich sofort an die Arbeit«, sagte sie dann.
Auch Baxter meldete sich noch einmal zu Wort: »Ach, Sir, wegen der Rekrutierung …« Sie hatten das Thema bisher nur kurz angeschnitten.
»Ja, was ist damit?«
»Wie ich bereits erklärt habe, geht sie nur sehr schleppend voran«, rekapitulierte der General. »Ihr alter Freund, dem das Café gehört, hat mittlerweile zum Protest aufgerufen und erhält stetig Zulauf.«
Der besagte alte Freund war Pat, der Besitzer von Pats Coffee Shop im Zentrum von Cheyenne. Während Conners Anfangszeit in der Stadt hatten sich die beiden einander angenähert, aber dann wieder entfremdet, als der Präsident dazu übergegangen war, Abtrünnige und vermeintliche Staatsfeinde brutal aus dem Weg zu räumen. Er hatte den Ausnahmezustand vor Ort wiederholt ausgerufen und dann wieder außer Kraft gesetzt, um hitzige Demonstrationen gegen ihn und seine Regierung aufzulösen. Der wachsende Unmut unter vielen Bürgern und Bewohnern der umgebenden Camps ging mit Conners Beschluss einher, das Projekt Kongress zu verhindern. Dies war auch für Pat der Tropfen gewesen, der das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht hatte.
»Erst Dylan, und jetzt auch noch er«, sagte Conner traurig seufzend wegen des Verlustes zweier bewährter Freunde.
»Möchten Sie, dass ich ihn festnehme?«, bot Schmidt ihm an.
»Nein. Gott, nein, das würde die Gerüchte, ich sei zum Diktator geworden, doch bloß noch weiter schüren. Offengestanden erwäge ich sogar seit einiger Zeit, meine Anordnung, was Proteste betrifft, wieder zurückzuziehen. Sollen die Bürger doch ruhig auf die Straße gehen. Geben wir ihnen doch einfach die Möglichkeit ihre Meinung zu äußern.«
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