Um besser zu verstehen, was zu Dir passt, ist es enorm wichtig, Deine Werte zu kennen. In erster Linie natürlich, um Deine nächsten Schritte zu planen. Aber auch, um dann auch Deine Message entsprechend zu kommunizieren und am Markt sichtbar zu werden.
Jetzt aktiv werden: Deine Werte
Erstelle eine Liste von dem, was dir wichtig ist im Leben, sei es beruflich oder privat. Das können Dinge wie Erfolg, Wettbewerb, Status, Anerkennung, Sinn, Familie und vieles mehr sein.
Hole Dir auch Meinungen von außen ein: Wie beurteilen Dich andere? Was ist Dir (in deren Augen) wichtig? Wo sehen andere Deine Werte? Frage dazu auch gerne Menschen, die Dich noch nicht so gut kennen. Du wirst ein paar Überraschungen erleben!
Schau Dir an, welche Schnittmengen es gibt, also wo die Innensicht mit der Außensicht übereinstimmt. Kannst Du die Werte in dieser Schnittmenge priorisieren? Was wären deine »Top 3«? Schreibe diese auf.
Vielleicht findest Du auch konkrete Beispiele, wie sich diese Werte bei Dir zeigen. Prüfe kritisch, wie Du diese Werte in Deinem beruflichen Alltag leben kannst. Wie groß ist die Übereinstimmung der jeweiligen Werte mit den Werten Deines Umfeldes? Wie kannst Du die Schnittmenge vergrößern? Wann fängst Du damit an?
Abb. 7.1: Wie deckt mein berufliches Umfeld meine Werte ab?
1 1Telefonininterviews 19. und 26. 11. 2019
8 Vorangehende Mutmacher – »Den Absprung schaffen«
Weil sich die Männer, die ich für dieses Buch interviewt habe, aus der Welt der Großunternehmen verabschiedet haben, nenne ich sie gerne auch »Mutmacher«. Denn sie geben mir und hoffentlich auch Dir Inspiration und das Vertrauen, dass es ein sehr lebenswertes Leben außerhalb des Konzerns gibt. Hier das Beispiel von Alex Edwards.
»Je länger Du bleibst, umso mehr zieht es Dich runter« – Alex Edwards 1
Es ist etwas für schwierig, an Alex Edwards heranzukommen. Zum einen, da er am anderen Ende der Welt in Neuseeland lebt. Zum anderen, weil er ganz zufrieden ist mit sich und seinem derzeitigen Leben und vielleicht gerade dabei ist, seine Pferde zu füttern oder einen Weidezaun auszubessern.
Ich kenne Alex seit 20 Jahren. Er hat mit mir Anfang des Jahrhunderts in London studiert und war das, was man dort gemeinhin einen Nerd nennt: intelligent, höchst interessiert an vielen Themen, sehr nett und, um ehrlich zu sein, auch etwas langweilig. So dachte ich damals zumindest.
Dabei ist Alex sogar ein mehrfacher Spurwechsler, einer der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, Abenteuer liebt und dabei auch Risiken eingeht.
Über seine letzten Jahre bei einem großen europäischen Telekommunikationsunternehmen sagt er: »Es hat sich einfach nicht mehr gut angefühlt. Es wurde von allen Seiten politisiert, und unser neues Management haute Sprüche raus wie ›Ihr seid entweder für oder gegen uns‹. Das war nicht das Umfeld, in dem ich arbeiten wollte.« Ich hatte Alex immer so eingeschätzt, dass er Sicherheit und finanzielle Stabilität braucht. Dem ist auch durchaus so, doch hat er sich dabei immer einen kritischen Blick bewahrt. »Das Betriebsrentensystem bindet dich an das Unternehmen, auch wenn Du noch jung bist. Aber meine Unzufriedenheit stieg permanent, und so habe ich mich nach neuen Jobs umgesehen.«
Alex stößt in einer Fachzeitschrift auf eine Anzeige: »Unternehmer sucht cleveren IT-Spezialisten zum Aufbau eines neuen Unternehmens«. Ein eher obskurer und geheimnisvoller Mailverkehr folgt mit einem Start-up-Gründer, der den Goldkauf über das Internet revolutionieren will. Fast ein Jahr arbeitet Alex im Verborgenen. Goldlager in London, Zürich und New York werden etabliert und eine Handelsplattform aufgebaut. In der agilen, und auch etwas desorganisierten Unternehmung übernimmt Alex mehr und mehr Aufgaben, auch weit außerhalb des IT-Bereichs. Er leitet das Marketing, die PR, wird als rechte Hand des Gründers Chief Operating Officer. Die Firma wird in den folgenden Jahren zum größten Online Goldhändler weltweit. In der Krise 2008 klettert gleichzeitig drastisch der Goldpreis auf neue Höchststände. Bald steigt ein internationaler Investmentfund als Anteilseigner ein, die Zukunftsaussichten sind in der Tat »golden«.
Bis es zum Zerwürfnis mit dem Gründer und den neuen Investoren kommt. Alex verliert erst seinen Einfluss, dann seine Position, dann einen Teil seiner Anteile am Unternehmen. Aber bereits während seiner Zeit im Unternehmen schafft er sich Freiräume. Gemeinsam mit einem exzentrischen Lord (allein darüber könnte man ein Buch schreiben) unternimmt er ausgedehnte Motorradtouren, die ihn unter anderem nach Turkmenistan, Usbekistan und Georgien führen. In Portugal besuchen die beiden alte Weinkeller, in Bahrein sind sie zu Privat-Audienz und Tee beim König eingeladen. Alex entdeckt neue Seiten an sich, den Abenteurer und Entdecker.
Zurück in England und wieder im Unternehmen, findet Alex sich nicht mehr zurecht. Er fühlt sich emotional ausgebrannt und einem Burnout nahe. Deshalb stellt er sein Leben komplett um, nimmt sich eine größere Auszeit. »Ich bekam große Selbstzweifel – schließlich wurde ich gerade 40, war ohne Job, aber auch ohne finanziellen Druck. Ich fühlte mich wie ein Tier im Zoo, gut gefüttert und gepflegt, aber auch gefangen. Um ehrlich zu sein: Ohne Sinn und Aufgabe war es noch schlimmer, als vor lauter Überarbeitung nicht zu wissen, wie ich alles bewältigen soll.«
Alex beschließt, seinem Leben erneut eine ganz andere Richtung zu geben: Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Elizabeth bewirbt er sich erfolgreich als Auswanderer in Neuseeland. Ein erster unternehmerischer Versuch in der Tourismusbranche scheitert. Der zweite Anlauf ist erfolgreicher und passt auch besser zu den beiden: Mit ihrem Unternehmen »Horse Trek'n« organisieren sie geführte Touren auf dem Rücken von Pferden. 2 »Wir haben jetzt fast 20 Pferde und sind sehr glücklich mit unserer Entscheidung. Wir leben auf der Nord-Insel, eine sehr schöne und auch bei Touristen beliebte Gegend«, sagt Alex. »Unsere Kunden kommen oft nur für ein paar Stunden. Dann reiten wir in den Wald oder gehen mit Pferd und Reiter im Meer schwimmen. Unser Umsatz hat sich in 12 Monaten schon verdreifacht, und es macht mir einfach Freude, wieder sehr viel selbst zu machen, jeden Kunden persönlich zu treffen und dabei noch mein Hobby Fotografie zu pflegen.«
Alex' Einkommen liegt heute bei etwa zwei Drittel seiner früheren Einkünfte. Er schätzt aber seine persönliche Job-Zufriedenheit auf das Fünffache, verglichen mit den letzten Jahren bei seinem Goldhändler.
Gegen Ende unseres Gesprächs frage ich Alex, was er denn als Erfolgsfaktoren für sich selbst sieht, und was er anderen mit auf den Weg geben könne. »Beweg Dich lieber früher als später«, sagt er nach kurzem Nachdenken. »Je länger Du bleibst, umso mehr zieht Dich die Situation im Unternehmen runter. Viel besser ist es, zu einer noch guten Zeit zu gehen. Dann bist Du Herr der Situation, und kannst die Konditionen und Art Deiner Weiterentwicklung bestimmen.«
Mein nächster Protagonist, Kari Hokaniemi, sitzt exakt auf der anderen Seite des Globus. Auch er hat als Banker lange in einem Umfeld gearbeitet, das eher toxisch als motivierend war.
»Die Welt hat mehr zu bieten als am Schreibtisch zu sitzen« – Kari Honkaniemi
Es ist früher Morgen in Florida, als sich Kari von dort per Videokonferenz meldet. 3 Er erzählt mir seine Geschichte, die eines Jungen in der Natur und in der Weite Finnlands, der sich eher durch Zufall in der New Yorker Finanzwelt wiederfindet. Aber der Reihe nach!
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