Hans Weber / Armin Ruhland
Ausgetrabt
Niederbayern-Krimi
Rossnarrisch Wie jedes Jahr richtet sich an Pfingsten die Aufmerksamkeit des Rottals und der weiteren Umgebung auf das beschauliche Städtchen Pfarrkirchen. Größen des Sulky-Sports versammeln sich an Bayerns ältester Trabrennbahn und präsentieren ihre Pferde den zahlreichen, fachkundigen Zuschauern. Polizeikommissar Thomas Huber gehört an Pfingsten auch zu den „Rossnarrischen“ und trifft sich mit seinen Freunden an der Rennbahn, um auf mögliche Sieger zu tippen. Nach den Pfingstrennen beenden zwei Ereignisse jäh die Festtagsstimmung des jungen Beamten. Zu seinem Bedauern zieht Mandy Hanke in sein Büro ein, eine vorlaute, aber unerfahrene Kollegin, die aus dem thüringischen Gera an die Rott gewechselt war. Außerdem wird ein Pferdetrainer tot aufgefunden. Dass Huber in dieser Situation gleich am ersten Tag eine gemeinsame Mordermittlung aufzunehmen hat, wird nicht die letzte unangenehme Überraschung für den arg gebeutelten Polizeibeamten sein.
Hans Weber, geboren 1961, und Armin Ruhland, geboren 1959, besuchten dieselbe Klasse am Gymnasium Dingolfing und waren eng befreundet. Nach dem gemeinsamen Abitur im Jahr 1980 trennten sich jedoch ihre Wege. Während Weber nach seinem BWL-Studium in verschiedenen Bereichen bei einem bayerischen Automobilhersteller lange Jahre nahe seiner Heimat beschäftigt war, zog es seinen Freund in die Ferne. Nach einem Kunstgeschichtsstudium belieferte Armin Ruhland vom spanischen Madrid aus wissenschaftliche Bibliotheken mit Fachliteratur. Nach knapp 40 Jahren kreuzten sich ihre Wege wieder und sie entdeckten ihre Liebe zum Schreiben von regionalen Krimigeschichten. Die beiden Autoren leben mit ihren Familien im Landkreis Dingolfing-Landau.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Christine Braun
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © gandolf / stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-6694-6
Pfingstsonntag
»Hoffentlich hält das Wetter bis Dienstag«, sagte Thomas Huber, der am Nachmittag des Pfingstsonntags vor dem Café »il2« in Pfarrkirchen mit seinem Freund Helmut Drexler den herrlichen Tag in der niederbayerischen Kreisstadt genoss. Von ihrem Platz aus hatten die beiden Freunde einen direkten Blick auf eines der Wahrzeichen der malerischen 12.000-Einwohner-Stadt: das »Wimmer-Ross«. Diese überlebensgroße Bronzeplastik thronte auf einem Backsteinsockel inmitten des Stadtplatzes, genau gegenüber dem Kult-Café. Einer der größten Söhne der Stadt, der Künstler und Bildhauer Hans Wimmer, schenkte das Kunstwerk Mitte der 1960er-Jahre seiner Heimatstadt Pfarrkirchen.
Thomas, dem das Wetter der kommenden zwei Tage besonders am Herzen lag, betrachtete die imposante Statue. »Weißt du, Helmut, dass die Bauern zwischen Rott und Inn die Bedeutung des Pferdes in einem besonderen Sprichwort zusammeng’fasst haben?«
Helmut folgte dem Blick seines Freundes zum Wimmer-Ross und schüttelte den Kopf.
»›Weibasteam is koa Vadeam, as Rossvaregga tuat den Bauern schregga!‹«
Helmut wandte sich wieder seinem Gegenüber zu. »Ich hab kein Wort verstanden.«
»Soweit kommt’s noch, dass wir für unsern eigenen Dialekt einen Dolmetscher brauchen«, erwiderte Thomas, zeigte sich jedoch gnädig und bot eine hochdeutsche Version an: »›Der Tod der Frau ist kein Verderben, stirbt aber das Pferd, trifft es den Bauern hart.‹«
Dem ungläubigen Staunen Helmuts war zu entnehmen, dass sich ihm der Sinn des Spruches immer noch nicht erschloss.
»Wenn die Frau eines Bauern g’storben ist, hat er sich einfach eine Neue g’sucht, und die hat vielleicht eine Mitgift mit’bracht und den Besitz vermehrt. Ist ein Pferd verend’t, drohten oft Schulden und Elend«, gab Thomas seine geschichtlichen Kenntnisse zum Besten.
Gerade in der Zeit, als Hans Wimmer sein Ross auf dem Pfarrkirchner Stadtplatz aufgestellt hatte, waren in den zahlreichen Bauernhöfen dieser Region die Pferde von den Traktoren verdrängt worden. Der Künstler wollte ein Zeichen setzen, damit die lange Tradition des Nutztieres nicht vergessen wird. Sogar eine eigene Rasse wurde im 19. Jahrhundert nach dieser Gegend benannt: das Rottaler Pferd. Heute ist dieses Warmblut, das sich als Reit- und Zugpferd eignet und dem ein ausgeglichener und gutmütiger Charakter nachgesagt wird, vom Aussterben bedroht. Das Rottaler Pferd wurde im Jahr 2000 sogar hochoffiziell zur »Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres« erklärt. Vielleicht hat das Wimmer-Ross tatsächlich einige niederbayerische Rossnarrische motiviert, diese alte Pferderasse zu erhalten.
Es waren bestimmt auch Rossnarrische, die Ende des 19. Jahrhunderts die erste Trabrennbahn Bayerns in Pfarrkirchen erbaut haben. Mittlerweile ist das 1.000-Meter-Oval an der Rott das älteste in Bayern. Keine andere bayerische Rennbahn, die sich heute noch in Betrieb befindet, weist eine längere Historie auf. Allerdings beschränkt sich seit Jahrzehnten der Rennbetrieb im Gegensatz zu den anderen deutschen Trabrennbahnen ausschließlich auf Pfingstmontag und Pfingstdienstag. Diese beiden Tage gehören zweifelsohne zu den Jahreshöhepunkten im Rottal. Dann herrscht in Pfarrkirchen Ausnahmezustand. Die Hotels sind ausgebucht, am Pfingstdienstag haben die meisten Geschäfte nachmittags geschlossen und viele Menschen aus der Gegend freuen sich schon Wochen vorher auf dieses Spektakel, auf spannende Pferderennen und auf gesellige Stunden an der historischen Trabrennbahn.
Genau wie die beiden Freunde Thomas Huber und Helmut Drexler, die gemeinsam den Wettergott beschworen, denn auf der Pfarrkirchner Rennbahn gab es keine geschlossenen Tribünenhäuser. An der altehrwürdigen Bahn spielte sich fast alles unter freiem Himmel ab, weswegen freundliches Wetter ein wichtiger Erfolgsfaktor für diese Veranstaltung war.
Auf dem Tisch vor den Freunden im »il2« lag das Traberjournal, welches die beiden ausgiebig studierten. In dem Programmheft waren die Startpferde mit ihren Fahrern aufgeführt. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse ihrer letzten Starts dokumentiert und die Chancen für die Rennen beim Pfarrkirchner Pfingstmeeting bewertet.
»Hut ab, die Pfarrkirchner haben wieder ein ordentliches Programm auf d’Füß g’stellt. Für jeden Renntag zehn Rennen, das ist respektabel«, urteilte Helmut Drexler nach dem ersten flüchtigen Durchblättern des Rennprogramms. Der Bankangestellte verfolgte schon seit vielen Jahren die deutsche Traberszene, deshalb konnte er gut beurteilen, dass 20 Rennen mit durchschnittlich zehn Pferden pro Rennen ein großer Erfolg für den hiesigen Veranstalter waren. In der Regel sah sich Drexler die deutschen Trabrennen über den Livestream eines Wettanbieters an, doch hin und wieder fuhr er nach München-Daglfing oder nach Straubing zu den zwei verbliebenen bayerischen Trabrennbahnen.
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