Patricia Brandt
Imkersterben
Kriminalroman
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Teresa Storkenmaier
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Christoph Burgstedt /
shutterstock.com
ISBN 978-3-8392-6754-7
Für Ilona
Ich kenne Patricia Brandt als Journalistin, und natürlich war ich sehr neugierig auf ihren neuen Krimi. Ich sagte ihr sofort zu, ein Vorwort zu verfassen, wenn ich auch gerade an meinem neuesten Buch über Bienenforschung saß.
Honigbienen sind potenzielle Opfer. Täter sind wir alle. Die Bienen sterben, wenn wir uns nicht ausreichend um sie kümmern. Das Bienensterben ist aber kein Fall für die Justiz.
Sterben aber nicht die Bienen, sondern Imker eines nicht natürlichen Todes, stellt sich sofort die Frage: Was außer den Stichen der Bienen kann Imkern so gefährlich werden, dass sie es mit ihrem Leben bezahlen? Ohne zu viel verraten zu wollen, es geht um dunkle Honiggeschäfte.
Wer »Imkersterben« liest, taucht ein in die Welt der Imker. Patricia Brandt ist ein spannender Krimi gelungen, der die Leser zusätzlich mit vielen interessanten Fakten rund um das Thema Bienen versorgt. Es ist eigentlich eine wunderbare und friedvolle Tätigkeit, Honigbienen zu halten, aber in »Imkersterben« wird sie lebensgefährlich …
Jürgen Tautz, Bienenforscher und Professor i.R. an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Mai
Das Fischhus war eine etwas bessere Bretterbude. Ein Vorzelt schützte die Gäste vor der steifen Brise, die an diesem Mittag den Duft von salzigem Meer herüberwehte. Als er die Plane beiseiteschob, zogen sich am Himmel bereits im Eiltempo dunkle Wolken zusammen.
In der Strandbude umfing ihn eine heimelige Atmosphäre. Fischbudenbesitzerin Wencke Husmann hatte zwei Sturmlaternen auf dem Tresen entzündet. Überhaupt war das Fischhus nach seinem Geschmack. Von der Decke baumelten alte Fischernetze, rechter Hand hing ein verblichener Rettungsring. In diesen vier windschiefen Wänden verlief das Leben, wie Oke es liebte: suutje.
Im Fischhus ließen sich ganze verregnete Nachmittage verbringen. Irgendeiner erzählte immer Döntjes. Nur nicht an diesem ungewöhnlich kühlen Tag im Mai. Natürlich nicht. Die Stimmung schien gedämpfter als sonst, was nicht verwunderlich war. Immerhin gab es einen unnatürlichen Todesfall zu beklagen.
Jan Husmann erblickte ihn sofort, obwohl die Fischbude gerammelt voll war. »Hier rüber, Oschi!« Jan wischte seine Hände an der weißen Schürze ab und schenkte ihm einen dampfenden Kaffee ein. Oke schnupperte. Es schien sich um echten Kaffee zu handeln. »Ist deine Frau ausgewandert?«
Jan Husmann blickte schuldbewusst über die Schulter zum Tresen, wo seine Gattin emsig Gemüse putzte. »Den Kaffee hab ich heimlich in der Thermoskanne von zu Hause mitgebracht.« Wencke hatte in letzter Zeit einen Ernährungsfimmel entwickelt, den sie mehr und mehr an ihren Gästen auslebte. Deren Meinung dazu war übrigens geteilt: Während sich die hippen Hamburger für die neue Speisekarte begeisterten, trafen die veganen Avocado-Bowls und vor allem der neue Lupinenkaffee bei vielen Einheimischen nicht gerade auf Gegenliebe. Derart neumodischen Kram lehnten sie kategorisch ab.
Die meisten Hohwachter wünschten sich wie Oke ein Fischbrötchen ohne viel Gedöns und dazu einen Becher anständigen holsteinischen Kaffee.
Wencke Husmann hatte seine Blicke offenbar gespürt, denn sie nickte ihm zu, legte die Gemüsebürste beiseite und trat hinter der Theke hervor. »Okay, Leute, hört bitte mal her. Wir fangen jetzt mit der Schweigeminute an. Am besten ihr steht alle auf.«
Barhocker wurden zur Seite geschoben, Kleidung raschelte, ein Gast schrie kurz auf und gab anschließend ein asthmatisches Röcheln von sich. Oke sah, dass Wenckes Hund Wolfgang sich im Bein des Gastes verbissen hatte. Wolle mochte es nicht, wenn die Gäste plötzlich von ihren Plätzen aufstanden. »Pfui, Wolle, aus!« Mit einem kurzen Ruck zog Wencke den Hund von dem begehrten Schenkelknochen weg.
Jan Husmann hüstelte und brachte damit die letzten Stimmen zum Schweigen. Dann setzte der Wirt mit den Dreadlocks und dem tätowierten Anker auf dem Arm zu einer Ansprache an – für den kürzlich überraschend verstorbenen Förster: »In Gedenken an Kurt.« Jan schaute in die Gesichter der Umstehenden.
Reihum gab es viele betroffene Mienen. Die meisten hielten den Blick gesenkt, betrachteten ihre Schnürbänder oder die abgenutzten Dielen des Fischhuses. Einige Dorfbewohner hatten sogar die Finger wie zum Gebet verschränkt. Ein Mann in knallroter Outdoorjacke sah von einem zum anderen und kratzte sich verlegen am Kopf. »Wir alle kannten Kurt Tietjen. Manche von uns hatten ihre Schwierigkeiten mit ihm. Doch Kurt war auch Ehemann und Vater. Ein Mensch.«
Jemand lachte auf.
»Ein Mensch, der plötzlich und auf grausame Weise aus unserer Mitte gerissen wurde«, fuhr der Redner unbeirrt fort, wobei sich seine Stimme in eine höhere Tonlage schraubte: »Mord in Hohwacht! Viele von uns fühlen sich hier nicht mehr sicher.«
Das ging jetzt aber zu weit! Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, es knarrte aber nur eine Diele, als Oke unwirsch sein Gewicht von einem aufs andere Bein verlagerte. Wencke stieß ihren Mann mit dem Ellbogen an: »Du schweifst ab!«
Jan räusperte sich. »Ja, ähm. Dann lasst uns jetzt einfach einen Moment in Gedenken an Kurt Tietjen schweigen.«
Die einsetzende Stille wurde genau zweimal unterbrochen. Einmal, als ein Besucher mit schweren Wanderschuhen von draußen ins Fischhus gepoltert kam und verdattert in die Runde fragte: »Was is’n hier los? Einer gestorben?«
Und das zweite Mal, als der Mann in der roten Outdoorjacke seinem Tischnachbarn zuraunte: »Treffen sich zwei Förster im Wald. Sagt der eine zum anderen: ›Ich habe deine Ehefrau getroffen.‹ Darauf erwidert der andere: ›Wo denn?‹ Antwort des Ersten: ›Zwischen die Augen.‹«
März
Als Tilda am Strand ankam, waren die beiden schon eng ineinander verschlungen. Jedenfalls Teile von ihnen: Seine Zunge steckte in ihrem Ohr.
Hortense machte sich von ihrem Freund los und rannte über den Sand. »Hey, da bist du ja!« Sie hatte keine Schuhe an und die Fransen an ihrem schwarzen Mini-Kleid, das nach Tildas Meinung übertrieben kurz für diesen kühlen Märzabend war, flogen um ihre nackten Schenkel. Die dunkelhaarige Hortense mit den kohlenschwarz umrandeten Augen hauchte ein Küsschen in die Luft. Eigentlich kannten sich die beiden Frauen kaum: Hortense studierte in Kiel irgendwas mit Frisistik und hatte in ihren Semesterferien an Tildas Sarg-Selbstbaukursus teilgenommen.
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