Zu Samhain besuche Matronas Tempel in der Eifel, ihre Weihesteine in Köln und Bonn und die Blanke Helle in Berlin, bete zur Greisin und bringe ihr Weihegaben. Besuche Höhlen und verbringe Zeit in der Dunkelheit in Meditation. Mach weitere Orte von Matrona, Hel und Baba Yaga ausfindig. Entzünde Ahnenlichter auf den Gräbern der Verstorbenen oder in deinem Garten. Fühle ihre Nähe und bedanke dich für alles, was du von ihnen bekommen hast. In einem feuerfesten Kessel entzünde ein Feuer und übergib den Flammen alles, was in deinem Leben überholt ist und dir nicht mehr dient. Feiere den stillen Beginn eines neuen Jahres.
Kinder haben eine ganz eigene Offenheit der Göttin gegenüber und gehen an ihren Orten ganz natürlich mit ihr in Verbindung .
Die Mutter der Luft ist Perchta , die Göttin der Wintersonnenwende, Anführerin der Wilden Jagd und stilles Auge des Wirbelsturms. Sie ist das Mysterium der Mitternacht, der Moment zwischen Ausatmen und Einatmen. Sie ist das Alte Winterweib, das Land, das im Winter unter Eis und Frost still daliegt. Sie ist die Knochenfrau, die Todesgöttin Ana , die die Toten hält und die Weisheit der Ahnen bringt, die Steinfrau und die Vogelfrau. Ihre Gaben an uns sind Stille, Klarheit und Vision.
An einem klaren Wintertag ruht das Land gehüllt in eine Decke aus funkelnden Eiskristallen, darüber erstreckt sich der Himmel .
Zu Mittwinter nimmt die Göttin ihre Gestalt als Mutter der Luft an. Sie ist der Atem des Lebens, der wilde Wintersturm und die milde Brise. Perchtas Farben sind das Grau von Steinen, des Winterhimmels und der gefrorenen Erde und das Silber der Sterne und des Eises. Ihre Himmelsrichtung ist der Norden, ihre Tiere Greifvögel wie Eule, Falke und Bussard, aber auch das Rotkehlchen, Meise und Fink und die anderen Singvögel, die im Winter nicht nach Süden ziehen, sondern bei uns bleiben und die wir füttern. Die mythologischen Geschöpfe der Mutter der Luft sind die Luftdrachen, ihre Symbole sind Steine, Knochen und Federn. Sie ist die Efeufrau und Hülsefrau: Die immergrünen Winterhölzer sind ihre Pflanzen. Manchmal bleiben die leuchtenden roten Beeren von Eibe, Weißdorn und Hülse (Stechpalme) bis tief in den Dezember an den Zweigen wie Tropfen des Lebensblutes der Göttin, mitten im Tod. Sie ist die Alte Winterfrau, die zur Wintersonnenwende in Grau und Silber erscheint, den Farben von Frost, Eis und Rauhreif. Ihre langen weißen Haare wehen im Wind, wenn sie über das Land schreitet, das tief in der Winterruhe daliegt. Sie hat nicht nur einen Feiertag sondern eine ganze Festzeit: die Wintersonnenwende, die in der Regel um den 21. Dezember herum liegt, und die Rauhnächte (die zwölf Tage und Nächte zwischen der Mütternacht am 24. Dezember und der Perchtnacht vom 5. auf den 6. Januar) sind ihre heilige Zeit, mit besonderer Betonung der Mütternacht und der Perchtnacht (Hollenacht in Norddeutschland).
Ruhig und geheimnisvoll liegt das Megalithgrab von Stöckheim (Sachsen-Anhalt) in den Rauhnächten in der grau-silbernen Landschaft der Alten Winterfrau (fotografiert bei Sonnenuntergang Silvester 2008) .
Die eisige Berührung der Winterfrau
Zur Wintersonnenwende feiern wir die Wiedergeburt des Lichts aus der tiefsten Dunkelheit. Der kürzeste Tag und die längste Nacht sind heute erst der Beginn des Winters, und es liegen noch lange, sehr kalte Monate vor uns. Doch jeden Tag ist es von nun an wieder einige Minuten länger hell. Wir schmücken unser Heim mit immergrünen Zweigen und roten Beeren, der Farbe des Lebensblutes der Göttin, die uns daran erinnern, dass aus dem Tod das Leben entsteht.
Perchta ist die Königin des Himmels, die über Wolken und Wind gebietet. Manchmal wird sie Berchta, Bertha oder die Percht genannt. Ihr Name bedeutet die Glänzende, Leuchtende , und auch die Perchtnacht wird manchmal die glänzende Nacht genannt. Auf dem Jahresrad ist dies nun die Zeit des Winterschlafes. Perchta verkörpert die Stille, den Zeitpunkt, in dem nichts geschieht; wenn wir nichts tun müssen, nur sein dürfen. Perchtas Zeit ist die Mitternacht, wenn der alte Tag vergangen und der neue noch nicht begonnen hat. Der Zeitpunkt zwischen zwei Leben, vor der nächsten Inkarnation. Sie ist das leuchtende Mysterium der Sterne am Nachthimmel, das wir ahnen aber nie ganz begreifen können. Ihr Sternbild ist die Corona Borealis, ihre Krone des Nordens.
Sie ist auch die Anführerin der Wilden Jagd: In den Rauhnächten reitet sie einem Zug wilder Gestalten voran, die mit Rasseln, Schreien, Heulen und Johlen über den Nachthimmel ziehen. Wenn Winterstürme in die kahlen Baumkronen fahren, ist Perchta in diesem Wilden Heer das stille Zentrum des Sturms. Einerseits ist dies eine Beschreibung der Kraft der Natur, die sich in wilden Winterstürmen in dunklen Nächten entlädt, andererseits wussten die Menschen früher durchaus um die wohlmeinende Kraft der Göttin darin. Bei Jacob Grimm heißt es: »Fruchtbar wird das jahr, wenn es in den zwölften durch die luft rauscht.« 15Diese wilde Fahrt bringt Segen, und wer die Percht sieht, wirft sich nieder, um der Göttin Ehre zu erweisen.
In manchen Geschichten wird das Wilde Heer vom Wilden Jäger angeführt, der mit seinen Gefährten in den Rauhnächten vor Sehnsucht nach der Lichtfrau, also nach der Glänzenden Perchta, die Erde durchsucht. 16
Als Todesgöttin hat Perchta einen Gänse- oder Schwanenfuß. Der Schwan ist ein Tier, das nicht nur zwischen den Welten reisen kann, sondern auch zwischen Diesseits und Jenseits. 17
Ana ist einer der ältesten Namen der Großen Göttin überhaupt. Ihr Name bedeutet Luft . Wo die Greisin die Todesbotin ist, ist Ana der Tod selbst. In der Wilden Jagd fahren die Seelen durch die Luft, kehren zur Göttin zurück. Ana hält die Seelen und die Gebeine unserer Verstorbenen, und sie ist es, die uns die Verbindung mit unseren Ahnen ermöglicht, uneingeschränkt weit in die Vergangenheit zurück. Nach Marija Gimbutas stellten sich die vor-indoeuropäischen Völker Mittel- und Südosteuropas die Todesgöttin als steife, weiße Dame vor, vermutlich in Anlehnung an die weiße Farbe ausgebleichter Knochen – und in zahlreichen Gräbern finden sich weiße Göttinfigurinen. 18Regine Leisner nennt die Todesgöttin daher in ihrem Roman »Die Rabenfrau« 19die bleiche Ana , ein wunderbarer, bewegender Titel, der bei jedem von uns sofort mit Erkennen, Verstehen und Erinnerung widerhallt. Ana nimmt die Verstorbenen in sich auf, in ihrem »träumenden Bauch« sind sie gehalten und bereiten sich auf die nächste Inkarnation vor.
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