»So sprecht Ihr von dem Coitus außerhalb des gebotenen Gefäßes?«
»Und weit Schlimmerem!«
Nun sackte der arme Pfarrer vollends zusammen und schluchzte bittere Tränen.
»So seid Ihr denn ein zweites Mal zur Sünde verführt worden«, sagte ich schließlich und überlegte angestrengt, wie ihm zu helfen sei. Ich allein sah keinen Ausweg, es sei denn, der Succubus hätte sich noch nicht davongemacht. In diesem Fall würde ich natürlich alles tun, um ihn mit Gottes Hilfe zu vertreiben.
Also fragte ich Coctorius danach, doch er schüttelte erneut den Kopf. »Das alles geschah vor zehn Jahren. Damals schon habe ich mich dem Bischof anvertraut und mich allein seinem Urteil gebeugt. Doch wie verwundert war ich, als er mich von aller Schuld freisprach und sogar zugab, selbst schon dem einen oder anderen Succubus auf den Leim gegangen zu sein!«
Er geriet erneut ins Stocken, sodass ich ihn aufforderte weiterzusprechen.
»Der Bischof veranlasste, dass die Büttel die Bramsche in aller Früh aus ihrem Hause holten und fortbrachten. Es gebe, so sagte der Bischof, einen Ort, in dem ihresgleichen das Kind, das sie unredlich empfangen habe, ohne Aufsehen gebären könne, während sie selbst gleichzeitig geläutert werde und Gottes Gnade empfange.«
»So hat sich doch alles zu Eurem Guten gewendet«, erkannte ich, obwohl mir nicht wohl war bei seinen Worten. Zu oft redeten sich auch Kirchenleute mit Succubi und Hexenwerk heraus, wo es doch nur darum ging, ihrer eigenen Lust zu frönen. Auch wagte ich mir den Ort, an dem womöglich noch weitere Mütter ihre Kinder zur Welt brachten, nicht vorzustellen. Zu sehr hatte ich selbst als Waisenkind im haus zur heiligen dreieinigkeit manches Martyrium durchlitten.
»Seit Wochen schon quälen mich finstere Träume«, fuhr Coctorius fort. »Ich sehe das Kind – mittlerweile im Knabenalter –, wie es mich anklagend anschaut. Tränen fließen aus seinen Augen, doch sind es welche aus Blut! Und dann öffnet der Knabe den Mund und fleht um Hilfe, so zum Gotterbarmen, dass ich jedes Mal in Schweiß gebadet erwache. Ist es der Herrgott oder der Teufel, der mich mit diesen immergleichen Träumen quält?«
»Ganz gewiss nicht der Herrgott!«, widersprach ich. »Denn wie ich Euch schon sagte, dass auch das Kind keines des Teufels ist. Doch noch immer weiß ich keinen Rat, Euch zu helfen, guter Mann.«
»Zu allem Übel geht es wieder um im Haus der Bramschen! Niemand wohnt mehr in dem Haus seit damals, indes die Nachbarn Lichter dort drinnen gesehen haben. Ich selbst habe mich mit eigenen Augen überzeugt! Es sind Hexenlichter!«
»Und nun fürchtet Ihr, der Succubus könne Euch erneut aufsuchen«, erkannte ich.
Coctorius nickte gequält. »Ein weiteres Mal zur Sünde verleitet zu werden, würde ich nicht ertragen. Ich erbitte Eure Hilfe. Man sagt, Ihr habet die Gabe …«
Endlich erkannte ich, wie ich ihm helfen konnte. Ich erhob mich und versprach: »Heute Abend, wenn der Nachtwächter zum letzten Schlage anhebt, werde ich bei Euch klopfen, damit wir uns gemeinsam zum Haus der Bramschen begeben. Habt Weihwasser dabei und am besten noch die Heilige Schrift!«
Und so verabschiedeten wir uns, um uns spät am Abend wiederzutreffen.
Als ich am Pfarrhaus anklopfte, öffnete mir Pfarrer Coctorius sofort die Tür, als habe er mich bereits sehnlich erwartet.
Ich nickte entschlossen. »Dann lasst uns gehen. Habt Ihr Bibel und Weihwasser dabei?«
»Wie Ihr mir aufgetragen. Und außerdem noch das Kreuz des Herrn.« Er wies auf die Brust, an der ein großes Holzkreuz hing.
Ich ließ ihn vorangehen. Die Gassen waren menschenleer. Der bleiche Mond allein spendete uns etwas Licht. Sicherlich würde sich mancher Bürger wundern, wenn er uns aus dem Fenster heraus erspähte. Der Kirchenmann und die Inquisitorin, die zwielichtigen Gestalten gleich in der Dunkelheit umhergingen.
Jedoch schlichen wir nicht wie Diebe, wir gingen aufrecht und waren uns unserer heiligen Mission sehr wohl bewusst.
Das Haus der Bramschen lag am Ende einer schmalen Gasse, in der die Ärmeren zu Hause waren. Mehr noch als in den anderen Gassen und Straßen stank es nach Unrat und Fäkalien. In einem Abfallhaufen neben dem Eingang tummelten sich ausgehungerte Ratten. Quiekend rannten sie davon, als wir uns näherten.
Die Tür war nicht verschlossen. Halb hing sie in den Angeln. Wahrscheinlich hatte sich in den letzten Jahren immer wieder Diebesgesindel im leerstehenden Haus herumgetrieben. Und ganz sicherlich diente es so manchem Bettler als Unterschlupf, weshalb ich nur hoffen konnte, dass sich heute Nacht keiner von ihnen dort aufhielt. Weniger fürchtete ich um mich und Coctorius als vielmehr, dass ein Unschuldiger in Gefahr geraten könne. Denn der Dämon, der das Haus bewohnte, würde nicht so schnell aufgeben, wenn wir ihn zu vertreiben versuchten. Im Gegenteil, hatte ich doch erlebt, wie das Böse geradezu in Raserei geriet, sobald es spürte, dass es der Macht des Herrn nicht gewachsen war, wie insgesamt das Werk Gottes stärker ist als das des Teufels, hätte dieser doch sonst schon die ganze Welt zu seiner gemacht.
Für alle Fälle hatte ich das Schwert dabei, um jedweden unbefugten menschlichen Bewohner des Hauses zu vertreiben, bevor wir den Dämon herausforderten. So war ich alles in allem guter Dinge, dass unser Vorhaben gelingen würde.
In dem Augenblick, in dem wir das Haus betraten, spürte ich den Odem des Bösen am ganzen Körper, als hätte eine Eisschicht meine Haut überzogen. Im flackernden Licht meiner Fackel erkannte ich, dass die Kälte nicht nur Einbildung war. Unser beider Atem trieb wie kleine Wölkchen vor uns her.
Wir durchsuchten das Erdgeschoss, was rasch erledigt war, da es nur die Küche und eine kleine Abstellkammer beherbergte. Abgesehen von noch mehr Ratten und Mäusen stießen wir auf kein weiteres Lebewesen. Offenbar hatte es sich auch unter den Obdachsuchenden herumgesprochen, dass es im Hause nicht mit rechten Dingen zuging.
»Spürt Ihr es auch?«, fragte ich Coctorius. »Die unheilige Präsenz, die diesen Ort vergiftet?«
Der Pfarrer nickte schwach. Er zitterte am ganzen Leibe.
»So schlagt die Bibel auf an einer beliebigen Stelle – der Herr wird Eure Hand dabei lenken – und rezitiert laut die heiligen Worte, auf dass der Dämon vor Furcht erbebt!«
Der Pfarrer folgte meiner Aufforderung, gab ihm das heilige Buch doch Kraft und Zuversicht. Sogleich begann er mit immer kräftiger werdender Stimme zu lesen: »Es war aber dort am Berg eine große Herde Säue auf der Weide. Und die unreinen Geister baten ihn und sprachen: Lass uns in die Säue fahren! Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren sie aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter ins Meer, etwa zweitausend, und sie ersoffen im Meer …«
Der Pfarrer sprach mit solch inbrünstiger Stimme, als stünde er auf der Kanzel und als würden seine Worte auf die gebannt lauschende Gemeinde hinunterprasseln.
Auch im Hause tat sich nun etwas. Ein Ächzen und Stöhnen drang aus den Wänden, als würden gemarterte Seelen darin wohnen.
Ich wandte mich der Treppe zu, die nach oben führte. Von dort wehte mir eiskalter Wind entgegen, der den unflätigen Gestank nach Schwefel und Schlimmerem mit sich trug.
Ich ließ mich nicht einschüchtern, sondern stieg weiter die Stufen hoch. Der Pfarrer folgte mir dichtauf, während er unermüdlich weitere Verse aus der Heiligen Schrift rezitierte.
Das Schwert ließ ich stecken – gegen den Teufel und seine Heerscharen war es machtlos. Dafür hielt ich in der Rechten mein silbernes Kreuz, während ich mit der Linken den Griff der Fackel umklammerte. In meinem Gürtel steckte zudem mein silberner Dolch.
Ich war auf der drittletzten Stufe, als sich der Dämon manifestierte. Zunächst sah ich nur ein rotglühendes Augenpaar aufblitzen, zugleich vernahm ich eine tiefe boshafte Stimme. Die Sprache war mir fremd. Trotz der offensichtlichen Gefahr nahm ich eine weitere Stufe.
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