Ich schüttelte den Kopf. »Nicht für Pascal und mich.«
»Wat? Für wen denn dann? Wer is der Kerl?«
Ich verdrehte die Augen. »Hör doch zu, du Honk. Nicht für Pascal und mich, habe ich gesagt. Also weder für Pascal noch für mich.«
»Weißte, Loretta, für solche sprachlichen Nickelichkeiten fehlt mir die Antenne. Also: Für wen is dat Dinner? Und wieso muss du dat kochen?«
Ich erklärte ihm also, worum es ging, und seine Augen wurden riesig und kugelrund.
»Has du ’n Ei am Wandern?«, blökte er dann. »Du willz für den Mörder und sein nächstet Opfer kochen?«
»Ich dachte, das hätten wir geklärt. War es nicht erst gestern? Dass der Mann etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat, ist vielleicht nur ein Hirngespinst seiner Nachbarin. Ich habe noch keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass Jutta Dengelmann unfreiwillig aus dem Leben ihres Gatten geschieden ist. Dass die Nachbarin nicht weiß, wo diese Jutta sich zurzeit aufhält, ist kein Beweis für ein Verbrechen.«
»Was sacht dieser Typ denn dazu?«
»Wozu?«
»Na, wo seine Olle is.«
»Danach kann ich ihn ja wohl schlecht fragen.«
Frank runzelte die Stirn. »Wieso dat denn nich?«
»Weil ich nur seine Putze bin. Ich weiß doch offiziell gar nichts davon, dass es mal eine Ehefrau gab, also kann ich ihn auch nicht nach ihrem Verbleib fragen, richtig? In der Wohnung gibt es keinen einzigen Hinweis auf sie. Keine Klamotten, gar nichts.«
Sein Zeigefinger fuhr pfeilschnell auf mich zu. »Ha! Wenn dat nich verdächtich is!«
»Ist es nicht! Wenn Pascal mich von einem Tag auf den anderen verlassen würde, wäre meine erste Besorgung riesige Müllsäcke, um seinen Krempel zu entsorgen!«, keifte ich erbost. »Alles weg, aber ganz zügig! Ich hätte doch keine Lust, ständig an ihn erinnert zu werden! Vielleicht ging dem Verschwinden der Frau ja eine lange Trennungsphase voraus, von der die Nachbarin nichts weiß! Vielleicht weiß dieser Mann ganz genau, wo sie gerade ist, und telefoniert jeden Tag mit ihr! Herrje, mach es doch nicht so kompliziert, Frank! Vielleicht ist alles vollkommen harmlos!«
»Und vielleicht hat der Papst ’n lustigen Hut auf«, brummte Frank.
»Nee, der hat sogar ganz bestimmt einen lustigen Hut auf!«, prustete ich.
Nachdem wir ausgekichert hatten, konnten wir uns endlich mit dem Wesentlichen beschäftigen: dem Menü für den nächsten Abend.
Wir besprachen diverse Optionen und verwarfen sie wieder, bis wir uns schließlich geeinigt hatten: Bei Dengelmann würde es als Vorspeise gebackene Feigen mit Ziegenfrischkäse, Honig und Thymian geben, als Hauptspeise Schweinefiletmedaillons mit Kräuternusskruste, Gewürzmöhrchen und Kartoffel-Selleriepüree und als krönenden Abschluss Schokocreme mit Zimtsahne und Himbeersoße.
Die Einkaufsliste war gefühlt achtzehn Kilometer lang. Zur Sicherheit würde ich nicht davon ausgehen, dass er irgendetwas im Haus hatte – nicht einmal Honig, Butter oder Alufolie.
Ein Satz im Rezept für den Nachtisch erheiterte mich sehr. Weil die Menge Schokocreme größer war als die vier Nocken, die gebraucht wurden, stand dort: Übrige Schokocreme am nächsten Tag essen.
Na, das wüsste ich aber.
Die übrige Schokocreme würde noch am selben Tag gegessen werden, und zwar von mir.
Loretta entscheidet, dass sie auch mal Nein sagen muss – und erlebt dann noch eine Überraschung, mit der sie im Leben nicht gerechnet hätte
Am nächsten Morgen ging ich als Erstes einkaufen, da die Schokocreme für vier Stunden in den Kühlschrank musste, um ihre optimale Konsistenz zu erreichen. Wenn ich also am späten Nachmittag zu Dengelmann wollte, war es opportun, den Tag um acht Uhr zu beginnen.
Angesichts meiner ellenlangen Liste begab ich mich also ins größte Hier-gibts-alles-Einkaufszentrum der Region, da ich keine Lust hatte, auch noch verschiedene Geschäfte anzusteuern, um alles Nötige zu bekommen. Gerade stand ich in der Abteilung für hübsch gedeckte Tische und sinnierte über die Farbe der Kerzen, als mir siedend heiß einfiel, dass ich nicht wusste, wie das zur Verfügung stehende Service aussah. Oder ob der Mann eine weiße Tischdecke hatte.
Kurz entschlossen rief ich ihn an.
»Dengelmann.«
»Guten Morgen, hier ist Loretta Luchs. Es geht um heute Abend.«
»Sie wollen doch nicht absagen?« Seine Stimme hatte einen leicht hysterischen Einschlag.
»Nein, keine Sorge. Es geht um … also, ich kaufe gerade ein und habe einige Fragen.«
»Ja?«
»Haben Sie eine weiße Tischdecke, Herr Dengelmann? Ich möchte doch den Tisch hübsch eindecken, deshalb muss ich das wissen. Haben Sie auch Stoffservietten? Oder reicht Papier? Und, ganz wichtig: Wie sieht Ihr Geschirr aus? Hat es ein Muster? Danach richtet sich nämlich die Farbe der Kerzen. Und der Blumen, falls ich welche besorgen soll.«
Fassungsloses Schweigen.
Ich wartete ein Weilchen, dann fragte ich: »Herr Dengelmann? Sind Sie noch dran?«
Konnte ja sein, dass er ohnmächtig geworden oder in einen Schockzustand gefallen war, man wusste ja nie.
»Ich ... äh ... ja, ich bin noch dran.« Ich hörte, wie er Schranktüren öffnete. Dann fuhr er fort: »Weiße Tischdecken habe ich. Und Stoffservietten ebenfalls. Geschirr …« Weitere Schranktüren wurden geöffnet. »Hier stehen mehrere. Weiß mit Goldrand, weiß mit Blümchenmuster und eins in so einem hellen Beige oder Elfenbein oder wie sich das nennt. Das hat am Rand so ein eckiges griechisches Muster, ebenfalls in Gold. Mäander. Wissen Sie, was ich meine?«
»Klar. Das nehmen wir. Ich gucke dann mal, was ich Passendes an Dekoration finden kann.«
»Keine Rosen«, sagte er hastig.
»Keine Rosen. Das hatten wir ja bereits besprochen. Alles wird schön, aber schön dezent. Stilvoll, ohne aufdringlich zu sein. Die Dame wird keine zweideutigen Botschaften herauslesen können, versprochen.«
»Das wäre mir auch sehr unangenehm«, murmelte er. »Wirklich, sehr unangenehm.«
Das hatte ich mittlerweile nun wirklich verstanden, auch ohne dass er es wieder und wieder betonte.
»Wollen Sie wissen, was ich kochen werde? Dann kann ich notfalls noch umschwenken, falls Ihnen eine Komponente nicht gefällt. Oder mehrere.«
Ja, er wollte, also erklärte ich ihm das geplante Menü.
»Das klingt sehr schmackhaft«, sagte er dann.
»Freut mich, dass es Ihnen zusagt. Zwei Dinge könnten kritisch werden: der Ziegenkäse und die Nusskruste. Nicht jeder mag Ziegenkäse, und falls die Dame eine Nussallergie hat, wird sie im schlimmsten Fall anschwellen wie ein Fesselballon und keine Luft mehr kriegen. Und dann ist der schöne Abend zu Ende, bevor er richtig begonnen hat. Eine Leiche zum Dessert, Sie wissen schon. Braucht ja kein Mensch.«
Ihm entfuhr ein kurzes Kichern, als würde ihm diese Vorstellung gefallen. »Ich mag Ziegenkäse. Und ich habe keine Nussallergie. Alles bestens, also.«
Die Vorlieben oder eventuellen gesundheitlichen Probleme der Dame waren ihm also so egal wie nur was.
Interessant.
»Ach, da fällt mir gerade noch etwas ein: die Getränke. Soll ich auch Getränke besorgen? Sekt oder so?«
»Nicht nötig«, erwiderte er. »Ich habe Wein im Haus. Ich bin ohnehin kein Freund von viel Alkohol. Eine Flasche Wein reicht vollkommen aus.«
Alles andere hätte mich jetzt auch echt gewundert.
Zu meiner größten Begeisterung entdeckte ich goldene Tortenspitze, die sich hervorragend zu Platzsets zweckentfremden lassen würde. Dazu kamen eine goldene Stumpenkerze und einige kleine Windlichter aus goldgemustertem Glas, in die man Teelichte stellen konnte. Ich hielt inne und dachte nach. Ich musste aufpassen, dass der Tisch nicht aussehen würde wie für eine goldene Hochzeit. Mir fiel ein, dass ich nicht nach dem Besteck gefragt hatte. Wie wirkte wohl silbernes Besteck zu dieser goldenen Opulenz? Kurz entschlossen packte ich noch eine silberne Kerze in den Korb, gefolgt von Windlichtern mit silbernem Muster, so konnte ich mischen, falls nötig. Ob er Serviettenringe hatte? Und wie sahen – falls vorhanden – die Ständer für die Blockkerzen aus?
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