Puh. Innerlich wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Gott sei Dank hatte dort diese Tasche gestanden – ansonsten hatte nur Frau Berger davon erzählt. Und das hätte ich nur äußerst ungern preisgegeben.
Er nickte geistesabwesend. »Ah so, hm, natürlich. Das Altpapier habe ich in der Zwischenzeit entsorgt.«
Interessant, dein Altpapier, dachte ich und hatte das bestimmte Gefühl, dass wir uns meilenweit vom eigentlichen Thema befanden.
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen …«, sagte ich und sah ihn auffordernd an.
»Hm? Ja, genau. Also ich hätte da ein Anliegen. Ich benötige Hilfe bei einem …«, er räusperte sich umständlich, »oder anders: Ich habe einen Gast zum Essen … äh … eingeladen. Eine Dame.«
Ach was. Das ging aber flott.
Etwa eine von der Partnerbörse? Und die kam so mir nichts, dir nichts zu ihm nach Hause? Interessant.
Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.
»Was haben Sie sich denn vorgestellt? Für irgendwelche abgefahrenen Experimente bin ich bestimmt nicht die Richtige. Sie wissen schon: vergoldete Hummerpralinen oder so etwas in der Art. Aber ein akzeptables, bodenständiges Drei-Gänge-Menü traue ich mir durchaus zu. Wann soll es denn stattfinden?«
Verlegen rutschte er auf seinem Stuhl herum. »Schon morgen. Ich wäre Ihnen für Ihre Hilfe sehr dankbar. Ihre Entlohnung dafür wäre natürlich nicht offiziell, wenn Sie verstehen.« Hoffnungsvoll klebte sein Blick an mir, als er fortfuhr: »Sie sind eine so patente und angenehme junge Frau. Und da dachte ich, ich frage Sie einfach mal.«
»Was würden Sie denn machen, wenn ich ablehne?«, fragte ich und schenkte ihm ein Lächeln, um die Situation ein wenig zu entspannen.
»Dann muss ich wohl irgendeinen Lieferservice bemühen«, sagte er.
Ich winkte ab. »Toll. Nudeln aus der Pappschachtel und Tiramisu zweifelhafter Herkunft? Und davor ein labbriger Salat mit fettiger Tunke aus einer großen Plastikflasche? Damit werden Sie kaum Staat machen können.« Ich tat so, als müsste ich kurz nachdenken, dann sagte ich: »Wissen Sie was? Warum eigentlich nicht. Ich werde für Sie und Ihren Gast kochen. Wann erwarten Sie Ihren Besuch denn?«
»Um sieben Uhr.«
»Dann bin ich spätestens um fünf hier. Geben Sie mir ein vernünftiges Budget, dann kümmere ich mich um alles, auch um die Tischdekoration.«
Abwehrend hob er die Hände. »Bitte, alles soll ganz schlicht sein. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken …« Er brach ab und guckte verlegen aus der Wäsche.
»Dass Sie von der Dame eine Gegenleistung für den betriebenen Aufwand erwarten?«
Er nickte. »Genau.«
»Nun, nicht jede Tischdekoration brüllt: Ich will dich ins Bett kriegen, wissen Sie?«
Er zuckte sichtlich zusammen, und ich lächelte beruhigend.
»Keine Sorge. Keine Herzchen oder rote Rosen, ich verspreche es. Aber ein bisschen nett darf es aussehen bei einem schönen Essen zu zweit.«
Dengelmann verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. Irgendwas hatte es mit diesem geheimnisvollen Essen auf sich, das ihm ganz und gar nicht behagte.
Was das war, gedachte ich herauszufinden.
Was kocht man bei einem Dinner für zwei, das den oder die Bekochte nicht ins Schlafzimmer locken soll?
»Jetzt wird es aber absurd, oder?«, fragte Erwin, als ich meinen Bericht beendet hatte. »Ein Essen kochen für ein amouröses Dinner?«
Er wechselte einen Blick mit Dennis, der skeptisch murmelte: »Ich finde auch, das geht zu weit.«
Ich schüttelte den Kopf. »Auf einmal so besorgt, die Herren? Außerdem glaube ich nicht, dass dieses Essen einen amourösen Hintergrund hat. Eher im Gegenteil. Er hatte an der einen oder anderen Stelle seine Gesichtszüge nicht unter Kontrolle. Ich hatte zwischendurch den Eindruck, als handelte es sich bei diesem Essen eher um so etwas wie eine lästige Pflicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber vielleicht irre ich mich ja auch, und er lädt jetzt nach und nach alle Frauen von dieser Singleplattform ein, die es unter seine persönliche Top Ten geschafft haben. Und irgendwann, am Ende seines vermutlich komplizierten Auswahlverfahrens, darf eine der zehn die plötzlich frei gewordene Stelle seiner unbezahlten Haussklavin antreten.«
Ich fragte mich allerdings, wie er sie dazu kriegen wollte, bei ihm in der Wohnung ein Testputzen zu absolvieren. Ob er dann wohl Noten verteilte? Oder Putzlappen für die nächste Runde bei Germany’s Next Mrs Dengelmann? Und die Aussortierten bekamen zu hören: Tut mir leid, ich habe heute leider keinen Lappen für dich?
Ich kicherte in mich hinein.
»Und du willst das wirklich machen?«, fragte Dennis. »Also, wenn du das nicht willst, also, ich meine …«
»Klar will ich! Was glaubt ihr wohl, wie neugierig ich bin? Er hat mir sage und schreibe dreihundert Kröten in die Hand gedrückt, um dafür einzukaufen.«
Erwins Brauen verschwanden unter seinen Löckchen. »Nicht schlecht, der lässt sich ja wirklich nicht lumpen.«
»Siehst du? Noch ein Grund mehr, neugierig zu sein. Diese geheimnisvolle Dame will ich unbedingt sehen.«
»Was? Sollst du so lange bleiben?«
Ich grinste. »Ich werde schon dafür sorgen, dass meine Hilfe auch während des Essens benötigt wird, bevor ich mich dann diskret zurückziehe. Übrigens sollten wir Frau Berger nichts davon verraten.«
»Warum denn das?«, fragten meine Chefs synchron.
»Ich weiß nicht – ich kann sie noch nicht recht einschätzen. Ihr vielleicht? Keine Ahnung, wie durchgeknallt sie ist. Hinterher stürmt sie die Veranstaltung, wenn sie davon weiß. Oder randaliert im Hausflur. Stellt euch das mal vor! Bleiben Sie nicht mit diesem Mann allein! Vertrauen Sie ihm nicht! Er hat seine Frau ermordet!« Ich schüttelte mich. »Brrrr, gruselig. Und wer muss dann die Männer mit den weißen Jacken holen? Ich.«
Erwin und Dennis kriegten sich kaum ein vor Lachen. Als Erwin sich beruhigt hatte, sagte er: »Vielleicht hast du sogar recht. Unser Auftrag besteht darin, herauszufinden, ob er etwas mit dem Verschwinden seiner Gattin zu tun haben könnte. Es ist nicht unsere Aufgabe, sie über jedes Detail seines Intimlebens zu informieren.«
»Eben. Das geht nur uns etwas an.«
Grinsend schüttelte Erwin den Kopf. »Keineswegs, meine liebe Loretta. Auch uns geht sein Intimleben nicht das Geringste an. Aber nun ist es einmal Fakt, dass er dich praktisch dazu eingeladen hat. Ist ja nicht so, als würden wir heimlich hinterm Haus in einem Gebüsch hocken und ein Richtmikrofon einsetzen, um herauszufinden, was er am Samstagabend so treibt.«
Abwehrend hob ich beide Hände. »Was er oder wie er es treibt, will ich auf keinen Fall wissen, meine Herren, das ginge zu weit. Aber ob und wie er den Ersatz für seine Jutta umgarnt – das interessiert mich brennend.«
»Was willst du denn für ihn und seine Auserwählte kochen? Schon eine Idee?«, fragte Erwin. »Hat er Vorgaben gemacht, was du berücksichtigen musst? Irgendwelche Unverträglichkeiten oder dergleichen?«
»Nee. Ich gehe mal davon aus, dass sein Gast keine Vegetarierin oder Veganerin ist; zumindest hat er nichts davon gesagt, dass ich diese Eventualität einkalkulieren soll. Von irgendwelchen Allergien oder Intoleranzen weiß ich auch nichts.« Ich stieß ein genervtes Schnauben aus. »Herrje, jetzt hast du mir einen Floh ins Ohr gesetzt, vielen Dank auch, Erwin. Kommt es nur mir so vor, als würde die Frage, was auf den Tisch kommt, in letzter Zeit immer komplizierter, und zwar inflationär? Laktose-Intoleranz, glutenfreies Zeugs, Ovo-Lakto-Vegetabile, militante Veganer – ätzend! Früher wurde ein Braten auf den Tisch gestellt, und jeder hat ihn gegessen. Heutzutage wird von dir erwartet, dass du als gute Gastgeberin für jede Variante möglicher Mäkeleien gerüstet bist und Alternativen in der Hinterhand hast.«
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