CRESSIDA
Man sagt, jeder Liebhaber schwöre, mehr zu vollbringen, als ihm möglich ist, und behalte dennoch Kräfte, die er nie in Anwendung bringt; er gelobe mehr als zehn auszuführen, und bringe kaum den zehnten Teil von dem, was einer vermöchte, zustande. Wer die Stimme eines Löwen und das Tun eines Hasen hat, ist der nicht ein Ungeheuer?
TROILUS
Gibt es solche? Wir sind nicht von dieser Art. Lobt uns nach bestandener Prüfung und schätzt uns nach Taten; unser Haupt müsse unbedeckt bleiben, bis Ruhm es krönt. Keine Vollkommenheit, die noch erst erreicht werden soll, werde in der Gegenwart gepriesen; wir wollen das Verdienst nicht vor seiner Geburt taufen, und ist es geboren, so soll seine Bezeichnung demütig sein. Wenig Worte und feste Treue! Troilus wird für Cressida ein solcher sein, daß, was Bosheit ihm Schlimmstes nachsagen mag, ein Spott über seine Treue sei; und was Wahrheit am wahrsten sprechen kann, nicht wahrer als Troilus.
CRESSIDA
Wollt Ihr hineingehn, mein Prinz?
Pandarus kommt zurück.
PANDARUS
Wie, noch immer errötend? Seid ihr noch nicht mit Schwätzen fertig?
CRESSIDA
Nun, Oheim, was ich Törichtes beginne, sei Euch zugeeignet.
PANDARUS
Ich danke schönstens. Wenn der Prinz von dir einen Buben bekommt, so soll er mir gehören. Sei dem Prinzen treu; wenn er wankelmutig wird, so halte dich an mich.
TROILUS
Ihr kennt nun Eure Bürgen: Eures Oheims Wort und meine feste Treue.
PANDARUS
Nun, ich will auch für sie gutsagen. Die Mädchen aus unsrer Verwandtschaft wollen lange gebeten sein; aber, einmal gewonnen, sind sie standhaft. Rechte Kletten, sag ich Euch; sie bleiben haften, wo man sie hinwirft.
CRESSIDA
Kühnheit kommt nun zu mir und macht mir Mut.
Prinz Troilus! Euch liebt ich Tag und Nacht,
Seit manchem langen Mond.
TROILUS
Wie warst du mir so schwer denn zu gewinnen?
CRESSIDA
Schwer nur zum Schein, doch war ich schon gewonnen
Vom ersten Blick, der jemals – o verzeiht!
Sag ich zuviel, so spielt Ihr den Tyrannen.
Ich lieb Euch nun, doch nicht bis jetzt so viel,
Daß ichs nicht zähmen kann – doch nein, ich lüge;
Mein Sehnen war wie ein verzognes Kind
Der Mutter Zucht entwachsen. O wir Ärmsten!
Was schwatz ich da? Wer bleibt uns wohl getreu,
Wenn wir uns selbst so unverschwiegen sind?
So sehr ich liebte, warb ich nicht um Euch,
Und doch fürwahr wünscht ich ein Mann zu sein,
Oder daß wir der Männer Vorrecht hätten,
Zuerst zu sprechen. Liebster, heiß mich still sein!
Sonst im Entzücken red ich ganz gewiß,
Was mich dereinst gereut. O sieh, dein Schweigen,
So schlau verstummend, lockt aus meiner Schwachheit
Die innersten Gedanken; schließ den Mund mir!
TROILUS
Gern! Tönt er auch die süßeste Musik.
[Er küßt sie. ]
PANDARUS
Recht artig, meiner Treu!
CRESSIDA
Mein Prinz, ich bitt Euch sehr, entschuldigt mich;
Nicht wollt ich so mir einen Kuß erbetteln.
Ich bin beschämt – o Himmel! Was begann ich?
Für diesmal muß ich Abschied nehmen, Prinz.
TROILUS
Abschied, mein süßes Mädchen?
PANDARUS
Abschied? Nun ja, ihr mögt bis morgen früh Abschied nehmen.
CRESSIDA
Laßts nun genug sein!
TROILUS
Was erzürnt dich, Liebste?
CRESSIDA
Mein eignes Hiersein, Prinz.
TROILUS
Ihr könnt Euch selbst
Doch nicht entfliehn?
CRESSIDA
Laßt mich, daß ichs versuche.
Zwar eine Art von meinem Selbst bleibt hier,
Doch ein unartges, das sich selbst verläßt,
Als deine Törin. Oh, wo blieb mein Sinn?
Ich möchte gehn – ich sprech, ich weiß nicht was.
TROILUS
Wer so vollständig spricht, weiß, was er spricht.
CRESSIDA
Vielleicht, mein Prinz, zeig ich mehr List als Liebe
Und sprach so dreist ein frei Geständnis aus,
Mir Euer Herz zu fahn. Doch Ihr seid weise,
Liebt also nicht; denn weise sein und lieben
Vermag kein Mensch; nur Götter könnens üben.
TROILUS
O daß ich glaubt, es könne je ein Weib
– Und wenn sie's kann, glaub ichs zuerst von Euch –
Für ewig nähren Liebesflamm und Glut,
In Kraft und Jugend ihre Treu bewahren,
Die Schönheit überdauernd durch ein Herz,
Das frisch erblüht, ob auch das Blut uns altert!
Daß nur die Überzeugung mir erstarkte,
Ihr könntet meine Treu und Innigkeit
Erwidern mit dem gleichgefüllten Maß
Der reinen ungetrübten Herzensneigung –
Wie würde michs erheben! Aber, ach!
Ich bin so wahrhaft, wie der Wahrheit Einfalt,
So einfach, wie die Wahrheit spricht im Kinde.
CRESSIDA
Den Wettkampf nehm ich an.
TROILUS
O hold Gefecht,
Wenn Recht um Sieg und Vorrang ficht mit Recht!
Treuliebende in Zukunft werden schwören
Und ihre Treu mit Troilus versiegeln;
Und wenn dem Vers voll Schwür und schwülstgen Bildern
Ein Gleichnis fehlt, der oft gebrauchten müde,
Als – treu wie Stahl, wie Sonnenschein dem Tag,
Pflanzen dem Mond, das Täubchen seinem Tauber,
Dem Zentrum Erde, Eisen dem Magnet,
Dann, nach so viel Vergleichungen der Treu,
Wird als der Treue höchstes Musterbild
»So treu wie Troilus« den Vers noch krönen
Und weihn das Lied.
CRESSIDA
Prophetisch sei dies Wort!
Werd ich dir falsch, untreu nur um ein Haar,
Wenn Zeit gealtert und sich selbst vergaß,
Wenn Regen Trojas Mauern aufgelöst,
Blindes Vergessen Städte eingeschlungen
Und machtge Reiche spurlos sind zermalmt
Ins staubge Nichts – auch dann noch mög Erinnrung,
Spricht man von falschen, ungetreuen Mädchen,
Schmähn meine Falschheit; sagten sie, so falsch
Wie Luft, wie Wasser, Wind und lockrer Sand,
Wie Fuchs dem Lamm, wie Wolf dem jungen Kalbe,
Panther dem Reh, Stiefmutter ihrem Sohn,
Ja, schließ es dann und treff ins Herz der Falschheit:
»So falsch wie Cressida!«
PANDARUS
Wohlan, der Handel ist geschlossen; das Siegel drauf, das Siegel drauf, ich will Zeuge sein. Hier faß ich Eure Hand, hier die meiner Nichte; wenn ihr je einander untreu werdet, die ich mit so viel Mühe zusammengebracht habe, so mögen alle armen Liebesvermittler bis an der Welt Ende nach meinem Namen Pandarus heißen; alle unbeständigen Liebhaber soll man Troilus nennen, alle falschen Mädchen Cressida und alle Zwischenträger Pandarus. Sagt Amen!
TROILUS
Amen!
CRESSIDA
Amen!
PANDARUS
Amen! Und somit will ich euch eine Kammer und ein Bett nachweisen; und damit das Bett euer artiges Liebeständeln nicht ausschwatze, drückt es tot. Nun fort!
Und Amor gönne allen scheuen Kindern
Bett, Kammer, Pandar, ihre Not zu lindern!
Sie gehn ab.
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Inhaltsverzeichnis
Das griechische Lager
Fanfare. Es treten auf Agamemnon, Ulysses, Diomedes, Nestor, Ajax, Menelaus und Kalchas.
KALCHAS
Nun, Fürsten, für den Dienst, den ich getan,
Ermahnt der Zeit Gelegenheit mich laut,
Zu fordern Lohn. Erinnert euch, wie ich,
Vorahnend das Geschick mit Seherblick,
Mein Eigentum und Troja aufgegeben,
Schmach des Verräters trug und eingetauscht
Für wohlerworbnen ruhigen Besitz
Unsichre Zukunft, losgesagt von allen,
Die Zeit, Bekanntschaft, Umgang und Gewöhnung
Zu Freunden und Vertrauten mir gemacht,
Und hier, um euch zu dienen, bin geworden
Ein Neuling in der Welt, fremd, unbekannt.
Deshalb ersuch ich euch, als Vorgeschmack
Mir jetzt ein kleines Gunstgeschenk zu geben,
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