Nein, Eure arme Herzenskaiserin ist krank.
PARIS
Ich errate.
PANDARUS
Ihr erratet? Was erratet Ihr? Kommt, gebt mir eine Zither. Nun, süße Königin?
HELENA
So, das ist recht artig von Euch.
PANDARUS
Meine Nichte ist erschrecklich verliebt in ein Ding, das Ihr habt, süße Königin.
HELENA
Sie solls haben, wenns nicht mein Gemahl Paris ist.
PANDARUS
Den? Nein, nach dem fragt sie nicht. Er und sie sind entzweit.
HELENA
Heut zwietrachtig, morgen einträchtig: so könnten wohl drei draus werden.
PANDARUS
Geht, geht, nichts mehr davon! Ich will Euch nun mein Lied singen.
HELENA
Ja, singt es gleich! Meiner Treu, Pandarus, Ihr habt eine hübsche Stirn.
PANDARUS
Ja, nur zu, nur zu!
HELENA
Singt uns ein verliebtes Lied; die Liebe wird uns noch alle verderben. O Cupido, Cupido, Cupido!
PANDARUS
Ein Liebeslied! Ja, wahrhaftig!
PARIS
Ja, von Liebe; nichts als von Liebe!
PANDARUS
Wahrhaftig, so fängts auch an:
Singt.
O Liebe, Lieb in jeder Stunde! –
Dein Pfeil mit Weh
Trifft Hirsch und Reh;
Doch nicht entrafft
Sie gleich der Schaft,
Er kitzelt nur die Wunde.
Verliebte schrein:
O Todespein!
Doch, was so tödlich erst gedroht,
Daraus wird Jubein und Juchhein.
Die Sterbenden sind frisch und rot;
O weh, ein Weilchen, dann ha, ha!
O weh, seufzt nur nach ha, ha, ha!
Juchhei!
HELENA
Verliebt, wahrhaftig, bis an die Spitze seiner Nase!
PARIS
Er ißt nichts als Tauben, Liebste, und die brüten ihm heißes Blut, und heißes Blut erzeugt heiße Gedanken, und heiße Gedanken erzeugen heiße Werke, und heiße Werke sind Liebe.
PANDARUS
Ist dies die Stammtafel der Liebe? Heißes Blut, heiße Gedanken und heiße Werke; ach, lauter Schlangen! Ist Liebe Otterngezüchte? – Wer ist heut im Felde, liebster Prinz?
PARIS
Hektor, Deiphobus, Helenus, Antenor und die ganze junge Ritterschaft von Troja. Ich hätte heut auch gern die Waffen angelegt, Lenchen wollte es aber nicht zugeben. Wie kommts, daß mein Bruder Troilus ausblieb?
HELENA
Er läßt den Mund um etwas hängen – Ihr wißt schon warum, Herr Pandarus.
PANDARUS
Ich weiß nichts, honigsüße Königin. Mich soll doch wundern, wie es ihnen heut gegangen ist. – Ihr denkt daran Euern Bruder zu entschuldigen?
PARIS
Aufs pünktlichste.
PANDARUS
Lebt wohl, süße Königin!
HELENA
Empfehlt mich Eurer Nichte!
PANDARUS
Das werd ich tun, süße Königin.
Er geht ab. Es wird zum Rückzug geblasen.
PARIS
Sie kehren heim. Gehn wir in Priams Halle,
Sie zu begrüßen; und du, süßes Weib,
Hilf Hektorn sich entpanzern. Fühlt sein Harnisch
Den Zauber deiner weißen Hand, gehorcht er
Weit williger als scharfem Stahl, gezückt
Von griechscher Kraft; und dir gelingt, was nicht
Dem Bundesheer: Held Hektorn zu entwaffnen.
HELENA
Es soll mein Stolz sein, ihm zu dienen, Paris.
Das, was wir ihm als schuldge Pflicht geweiht,
Wird unsrer Schönheit Palme noch erhöhn;
Ja, überstrahlt uns selbst.
PARIS
Du Süße! Über alles lieb ich dich!
Sie gehn ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Troja. Pandars Garten
Pandarus und Troilus' Page treten auf.
PANDARUS
Heda! Wo ist dein Herr? ist er bei meiner Nichte Cressida?
PAGE
Nein, Herr, er wartet auf Euch, daß Ihr ihn zu ihr führt.
Troilus kommt.
PANDARUS
Oh, hier kommt er. Nun, wie gehts, wie gehts?
TROILUS
Du da, geh fort.
Page ab.
PANDARUS
Habt Ihr meine Nichte gesehn?
TROILUS
Nein, Pandarus. Ich wank um ihre Tür
Gleich einer neuen Seel am Strand des Styx,
Des Fährmanns wartend. O sei du mein Charon
Und schaff mich schnell zu jenen selgen Fluren,
Wo ich mag schwelgen in dem Lilienbeet,
Bestimmt für den Beglückten! Liebster Pandar,
Von Amors Schulter nimm die bunten Schwingen
Und flieg mit mir zu Cressida!
PANDARUS
Weilt hier im Garten, und ich rufe sie.
Pandarus geht ab.
TROILUS
Mir schwindelt; rings im Kreis dreht mich Erwartung;
Die Wonn in meiner Ahnung ist so süß,
Daß sie den Sinn verzückt. Wie wird mir sein,
Wenn nun der durstge Gaumen wirklich schmeckt
Der Liebe lautern Nektar? Tod, so fürcht ich,
Vernichtung, Ohnmacht oder Lust zu fein,
Zu tief eindringend, zu entzückend süß
Für meiner gröbern Sinn Empfänglichkeit.
Dies fürcht ich sehr, und fürchte außerdem,
Daß im Genuß mir Unterscheidung schwindet,
Wie in der Schlacht, wenn Scharen wild sich drängend
Den fliehnden Feind bestürmen.
Panduras kommt zurück.
PANDARUS
Sie macht sich fertig; gleich wird sie hier sein. Nun seid gescheit! Sie errötet und holt so kurz Atem, als wäre sie von einem Gespenst erschreckt. Ich will sie holen; es ist die niedlichste Spitzbübin; sie atmet so kurz wie ein eben gefangner Sperling.
Geht ab.
TROILUS
Die gleiche Angst umspannt auch meine Brust;
Mein Herz schlägt rascher als ein Fieberpuls,
Und alle Kräfte stocken regungslos,
Vasallen gleich, die unversehns begegnen
Dem Aug der Majestät.
Pandarus kommt mit Cressida zurück.
PANDARUS
Komm, komm; wozu dies Erröten? Scham ist nur ein einfältiges Kind. – Hier ist sie nun; schwört ihr nun die Eide, die Ihr mir geschworen habt. – Was, willst du schon wieder entfliehen? Muß man dich erst durch Wachen zähmen, sag? Komm doch heran; komm heran! Wenn du zurückgehst, stellen wir dich in die Deichselgabel. – Warum sprecht Ihr nicht mit ihr? Nun, zieh doch diesen Vorhang weg und laß dein Gemälde betrachten. Liebe Zeit! Wie sie sich fürchtet, dem Tageslicht ein Ärgernis zu geben! Wenn es dunkel wäre, ihr würdet einander schon näher kommen. So, so; jetzt bietet Schach, und Ihr nehmt die Dame. Seht, dieser Kuß war das Handgeld – hier baue Zimmermann; hier ist die Luft lieblich. Ja, wahrhaftig, ihr sollt alle Karten ausgespielt haben, ehe ich euch voneinander lasse – nur zu, nur zu!
TROILUS
Ihr habt mich aller Worte beraubt, Liebste!
PANDARUS
Worte zahlen keine Schulden; gebt ihr Taten; aber sie wird Euch auch um die Taten bringen, wenn sie Eure Tätigkeit in Anspruch nimmt. – Was, wieder geschnäbelt? Hier heißts, »zur Bekräftigung dessen von beiden Parteien wechselseitig«. – Kommt herein, kommt herein, ich will ein Feuer machen lassen.
Pandarus geht ab.
CRESSIDA
Wollt Ihr hineingehn, mein Prinz?
TROILUS
O Cressida, wie oft habe ich mich so gewünscht!
CRESSIDA
Gewünscht, mein Prinz? Die Götter gewähren – o mein Prinz!
TROILUS
Was sollen sie gewähren? Was verursacht dies liebliche Abbrechen? Was für tiefverborgne Trübung erspäht mein süßes Mädchen in dem klaren Brunnen unsrer Liebe?
CRESSIDA
Mehr Trübung als Wasser, wenn meine Furcht Augen hat.
TROILUS
Die Furcht macht Teufel aus Engeln; sie sieht nie richtig.
CRESSIDA
Blinde Furcht, von sehender Vernunft geführt, geht sichrer zum Ziel als blinde Vernunft, die ohne Furcht strauchelt. Das Schlimmste fürchten, heilt oft das Schlimmste.
TROILUS
Was könnte meine Geliebte fürchten? In Cupidos Maskenzug wird nie ein Ungeheuer aufgeführt.
CRESSIDA
Auch nie etwas Ungeheures?
TROILUS
Nichts als unsre Unternehmungen: wenn wir geloben, Meere zu weinen, in Flammen zu leben, Felsen zu verschlingen, Tiger zu zähmen; weil wir wähnen, es sei der Dame unsres Herzens schwerer, genug Prüfungen zu ersinnen, als für uns, irgend etwas Unmögliches zu bestehn. Das ist das Ungeheure in der Liebe, meine Teure, daß der Wille unendlich ist und die Ausführung beschränkt; daß das Verlangen grenzenlos ist und die Tat ein Sklave der Beschränkung.
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