TROILUS
O Pandarus! Ich sag dir, Pandarus –
Wenn ich dir sage, dort ertrank mein Hoffen,
Erwidre nicht, wie viele Klafter tief
Es untersank. Ich sag, ich bin verzückt
Aus Lieb in Cressida; du nennst sie schön,
Senkst in die offne Wunde meines Herzens
Den Blick, das Haar, die Wange, Gang und Stimme,
Handelst in deiner Red – o liebe Hand,
Mit der verglichen alles Weiß wie Tinte
Sich selbst das Urteil schreibt; ihr sanft Berühren
Macht rauh des Schwanes Flaum, die feinste Fühlung
Hart wie des Pflügers Faust – dies sagst du mir,
Und wahrhaft ganz, wenn ich dir schwör, ich liebe;
Doch mit dem Wort legst du in jede Wunde,
Mit der mich Liebe traf, statt Öls und Balsams
Den Dolch, der sie geschlagen.
PANDARUS
Ich sage nur, was wahr.
TROILUS
Nicht einmal so viel!
PANDARUS
Meiner Treu, ich mische mich nicht mehr hinein. Mag sie sein, wie sie ist! Ist sie schön, um so besser für sie; ist sie's nicht, so wird sie schon wissen, wie sie sich helfen kann.
TROILUS
Lieber Pandarus! Was ist, Pandarus?
PANDARUS
Müh und Not hatt ich von meinen Wegen; verkannt von ihr und verkannt von Euch; immer hin und her gelaufen und schlechten Dank für meine Mühe.
TROILUS
Was, bist du böse, Pandarus? Auf mich?
PANDARUS
Weil sie mit mir verwandt ist, darum ist sie nicht so schön als Helena; wäre sie nicht mit mir verwandt, da wäre sie freitags ebenso schön als Helena sonntags. Doch was kümmerts mich? Mir solls einerlei sein, und wenn sie schwarz wie eine Mohrin aussähe; es ist mir alles gleich.
TROILUS
Sage ich denn, sie sei nicht schön?
PANDARUS
Es kümmert mich nicht, ob Ihrs sagt oder nicht. Sie ist eine Törin, daß sie ihrem Vater nicht nachfolgt; sie muß zu den Griechen, und das werde ich ihr sagen, sobald ich sie sehe. Ich meinesteils will mich nicht mehr drein mischen noch mengen.
TROILUS
Pandarus –
PANDARUS
Ich nicht.
TROILUS
Bester Pandarus –
PANDARUS
Bitt Euch, laßt mich in Frieden! Ich lasse alles, wie ichs gefunden, und damit gut!
Pandarus ab. Es wird zum Kampf geblasen.
TROILUS
Still, rauhe Töne, still, unholder Klang!
Narrn, beiderseits! Schön sein muß Helena,
Wenn ihr sie täglich schminkt mit eurem Blut.
Der Anlaß kann mich nicht zum Kampf begeistern, Zu dürftig für mein Schwert ist dieser Preis! – Und Pandarus – Wie quält ihr mich, ihr Götter! Zugänglich nur wird Cressida durch ihn; Den Querkopf werb ich nie zum Werben an, Und sie bleibt spröd verschlossen jeder Bitte. Sag mir, Apoll, um deiner Daphne Liebe, Was Cressida, was Pandar ist, was ich? Ihr Bett ist Indien! Dort als Perle ruht sie; Was zwischen ihrem Thron und unserm Ilium, Nenn ich empörtes, flutbewegtes Meer, Mich selbst den Kaufherrn, und den Schiffer Pandar Mein Boot, mein Schiffgeleit, mein zweifelnd Hoffen. Trompelen. Äneas tritt auf.
ÄNEAS
Wie denn, Prinz Troilus? Weshalb nicht im Feld?
TROILUS
Weil ich nicht dort. Die Weiberantwort paßt,
Denn weibisch ist es, draußen nicht zu sein.
Was gibts, Äneas, Neues heut im Feld?
ÄNEAS
Daß Paris heimgekommen und verwundet.
TROILUS
Durch wen, Äneas?
ÄNEAS
Menelaus tats.
TROILUS
Zum Lachen! Nahm ihn jener so aufs Korn?
Paris geschrammt von Menelaus' Horn?
Trompetensignal.
ÄNEAS
Horch, lustge Jagd dort draußen, hell und scharf!
TROILUS
Weit schöner hier, wenn »dürft ich« hieß: »ich darf«.
Doch hin zur Jagd ins Feld! Willst du hinunter?
ÄNEAS
In aller Eil!
TROILUS
So gehn wir rasch und munter.
Sie gehn ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Daselbst . Eine Straße
Es treten auf Cressida und Alexander, ihr Diener.
CRESSIDA
Wer ging vorbei?
ALEXANDER
Die Königin Hekuba
Und Helena.
CRESSIDA
Wohin?
ALEXANDER
Zum Turm nach Osten,
Des Höh die ganze Gegend überschaut,
Die Schlacht zu sehen. Hektor, des Geduld
Sonst unerschütterlich, war heut bewegt;
Er schalt Andromache und schlug den Wappner,
Und gleich, als gölt im Kriege gute Wirtschaft,
War er in Waffen vor dem Morgenlicht
Und zog ins Feld hinaus, wo jede Blume
Wie ein Prophet beweint, was sie voraussieht
In Hektors Zorn.
CRESSIDA
Was reizte seine Wut?
ALEXANDER
So wird erzählt: Im Heer der Griechen kämpfte
Ein Fürst aus Troerblut, des Hektors Vetter,
Ajax mit Namen.
CRESSIDA
Wohl; was sagt man weiter?
ALEXANDER
Er ist, so heißts, ein ganz besondrer Mann
Und steht allein.
CRESSIDA
Das tun alle Männer, wenn sie nicbt betrunken oder krank sind oder keine Beine haben.
ALEXANDER
Dieser Mann, mein Fräulein, hat sich die Eigentümlichkeit von allerlei Tieren zugeeignet: Er ist so kühn wie der Löwe, so täppisch wie der Bär, so langsam wie der Elefant; ein Mann, in dem die Natur so viel Launen gehäuft hat, daß seine Tüchtigkeit in Torheit untergeht, seine Torheit durch Verständigkeit gewürzt ist. Niemand besitzt eine Tugend, von der er nicht einen Anflug bekommen hätte, noch irgend jemand eine Unart, von der ihm nicht etwas anklebte; er ist melancholisch ohne Ursach und lustig wider den Strich; er hat die Gelenkigkeit zu jedem Dinge, aber jedes Ding ist an ihm so ungelenk, daß er wie ein gichtischer Briareus hundert Hände und keine zum Gebrauch hat, oder wie ein stockblinder Argus lauter Augen und keine Sehkraft.
CRESSIDA
Wie kann aber dieser Mann, der mich lächeln macht, den Hektor in Zorn bringen?
ALEXANDER
Man erzählt, er sei gestern mit Hektor in der Schlacht handgemein geworden und habe ihn niedergeschlagen, und der Verdruß darüber und die Schmach habe den Hektor seitdem nicht essen noch schlafen lassen.
Pandarus kommt.
CRESSIDA
Wer kommt?
ALEXANDER
Fräulein, Euer Oheim Pandarus.
CRESSIDA
Hektor ist ein tapfrer Degen.
ALEXANDER
Wie nur irgendeiner in der Welt, Fräulein!
PANDARUS
Was sagt ihr? Was sagt ihr?
CRESSIDA
Guten Morgen, Oheim Pandarus!
PANDARUS
Guten Morgen, Muhme Cressida! Wovon sprecht ihr? Guten Morgen, Alexander! Wie gehts dir, Nichte? Wann warst du in Ilium?
CRESSIDA
Heute morgen, Oheim.
PANDARUS
Wovon spracht ihr, als ich kam? War Hektor schon gewaffnet und ins Feld gezogen, als du nach Ilium kamst? Helena war wohl noch nicht aufgestanden, nicht wahr?
CRESSIDA
Hektor war schon fort, aber Helena noch nicht aufgestanden.
PANDARUS
Ja, ja, Hektor war recht früh auf den Beinen.
CRESSIDA
Davon sprachen wir eben; und daß er aufgebracht sei.
PANDARUS
War er aufgebracht?
CRESSIDA
Das sagt mir dieser da.
PANDARUS
Freilich war er aufgebracht; ich weiß auch, warum; heut wird ers ihnen beibringen, das kann ich ihnen sagen, und Troilus wird ihm so ziemlich gleichkommen; sie mögen sich nur vor Troilus in acht nehmen; das mogen sie mir glauben!
CRESSIDA
Wie! Ist der auch aufgebracht?
PANDARUS
Was, Troilus? Troilus ist der Beßre von beiden!
CRESSIDA
O Jupiter! Da ist gar kein Vergleich!
PANDARUS
Wie, nicht zwischen Troilus und Hektor? Erkennst du nicht einen Mann, wenn du ihn siehst?
CRESSIDA
Nun ja, wenn ich ihn sonst schon sah und kannte.
PANDARUS
Ganz recht; ich spreche, Troilus ist Troilus.
CRESSIDA
Da sprecht Ihr wie ich, denn ich weiß gewiß, er ist nicht Hektor.
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