HORATIO
Wohl möglich, mein Prinz.
HAMLET
Jaja, und nun Junker Wurm, eingefallen und mit einem Totengräberspaten um die Kinnbacken geschlagen. Das ist mir eine schöne Verwandlung; wenn wir nur die Kunst besäßen, sie zu sehen. Haben diese Knochen nicht mehr zu unterhalten gekostet, als daß man Kegel mit ihnen spielt? Meine tun mir weh, wenn ich daran denke.
ERSTER TOTENGRÄBER
singt.
Eine Spitzhack und ein Spaten wohl,
Samt einem Kittel aus Lein
Und oh, eine Grube gar tief und hohl
Für solchen Gast muß sein.
Wirft einen Schädel auf.
HAMLET
Da ist wieder einer. Warum könnte das nicht der Schädel eines Rechtsgelehrten sein? Wo sind nun seine Klauseln, seine Praktiken, seine Fälle und seine Kniffe? Warum leidet er nun, daß dieser grobe Flegel ihn mit einer schmutzigen Schaufel um den Hirnkasten schlägt, und droht nicht, ihn wegen Tätlichkeiten zu belangen? Hum! Dieser Geselle war vielleicht zu seiner Zeit ein großer Käufer von Ländereien, mit seinen Hypotheken, seinen Grundzinsen, seinen Kaufbriefen, seinen Gewährsmännern, seinen gerichtlichen Auflassungen. Ist dies nun der Kauf seiner Käufe und der prächtigste Bodenerwerb, daß er seine prächtige Hirnschale voll prächtigem Dreck hat? Werden ihm seine Gewährsmänner nicht mehr von seinen erkauften Göttern gewähren als die Länge und Breite von ein paar Kontraktsdokumenten? Sogar die Übertragungsurkunden seiner Ländereien könnten kaum in diesem Kasten liegen; und soll der Eigentümer selbst nicht mehr Raum haben? He?
HORATIO
Nicht ein Tüttelchen mehr, mein Prinz.
HAMLET
Wird nicht Pergament aus Schafsfellen gemacht?
HORATIO
Ja, mein Prinz, und aus Kalbsfellen auch.
HAMLET
Schafe und Kälber sind es, die darin ihre Sicherheit suchen. Ich will diesen Burschen anreden. - Wessen Grab ist das? Heda!
ERSTER TOTENGRÄBER
Meines, Herr.
Singt.
Und oh, eine Grube gar tief und hohl
Für solchen Gast muß sein.
HAMLET
Ich glaube wahrhaftig, daß es deines ist, denn du liegst darin.
ERSTER TOTENGRÄBER
Ihr liegt draußen, Herr, und also ists nicht Eures; ich liege nicht darin, und doch ist es meines.
HAMLET
Du lügst darin, weil du darin bist und sagst, daß es deines ist. Es ist aber für die Toten, nicht für die Lebendigen; also lügst du.
ERSTER TOTENGRÄBER
's ist eine lebendige Lüge, Herr, sie will von mir weg, zu Euch zurück.
HAMLET
Für was für einen Mann gräbst du es?
ERSTER TOTENGRÄBER
Für keinen Mann.
HAMLET
Für was für eine Frau denn?
ERSTER TOTENGRÄBER
Auch für keine.
HAMLET
Wer soll denn darin begraben werden?
ERSTER TOTENGRÄBER
Eine gewesene Frau, Herr; aber Gott hab sie selig, sie ist tot.
HAMLET
Wie eigensinnig der Bursch ist! Wir müssen nach der Schnur sprechen, oder er sticht uns mit Silben zu Tode. Wahrhaftig, Horatio, ich habe seit diesen drei Jahren darauf geachtet: das Zeitalter wird so spitzfindig, daß der Bauer dem Hofmann auf die Fersen tritt. - Wie lange bist du schon Totengräber?
ERSTER TOTENGRÄBER
Von allen Tagen im Jahre kam ich just den Tag dazu, da unser voriger König Hamlet den Fortinbras überwand.
HAMLET
Wie lange ist das her?
ERSTER TOTENGRÄBER
Wißt Ihr das nicht? Das weiß jeder Narr. Es war denselben Tag, wo der junge Hamlet geboren ward, der nun toll geworden und nach England geschickt ist.
HAMLET
Ei so! Warum haben sie ihn nach England geschickt?
ERSTER TOTENGRÄBER
Nu, weil er toll war. Er soll seinen Verstand da wiederkriegen; und wenn er ihn nicht wiederkriegt, so tuts da nicht viel.
HAMLET
Warum?
ERSTER TOTENGRÄBER
Man wirds ihm da nicht viel anmerken; die Leute sind da ebenso toll wie er.
HAMLET
Wie wurde er toll?
ERSTER TOTENGRÄBER
Seltsam genug, sagen sie.
HAMLET
Wie, seltsam?
ERSTER TOTENGRÄBER
Mein Seel, just dadurch, daß er den Verstand verlor.
HAMLET
Kennt Ihr den Grund?
ERSTER TOTENGRÄBER
Freilich, dänischer Grund und Boden. Ich bin hier seit dreißig Jahren Totengräber gewesen, in jungen und alten Tagen.
HAMLET
Wie lange liegt wohl einer in der Erde, eh er verfault?
ERSTER TOTENGRÄBER
Mein Treu, wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist, wie wir denn heutzutage viele lustsieche Leichen haben, die kaum bis zum Hineinlegen halten, so dauert er Euch ein acht bis neun Jahr aus; ein Lohgerber neun Jahre.
HAMLET
Warum der länger als ein andrer?
ERSTER TOTENGRÄBER
Ei; Herr, sein Gewerbe gerbt ihm das Fell so, daß es eine lange Zeit das Wasser abhält, und das Wasser richtet so 'ne Blitzleiche verteufelt zugrunde. Hier ist ein Schädel, der Euch dreiundzwanzig Jahre in der Erde gelegen hat.
HAMLET
Wem gehört er?
ERSTER TOTENGRÄBER
Einem unklugen Blitzkerl. Wer denkt Ihr, daß es war?
HAMLET
Ja, ich weiß nicht.
ERSTER TOTENGRÄBER
Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.
HAMLET
Dieser?
[Nimmt den Schädel. ]
ERSTER TOTENGRÄBER
Ja, ja, eben der.
HAMLET
Laß mich sehen.
Nimmt den Schädel. Ach armer Yorick! - Ich kannte ihn, Horatio; ein Bursch von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! Mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke? Deine Sprünge? Deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eigenes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der gnädigen Frau und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so'n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach sie damit lachen! - Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine!
HORATIO
Und was, mein Prinz?
HAMLET
Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah?
HORATIO
Geradeso.
HAMLET
Und so roch? Pah!
Wirft den Schädel weg.
HORATIO
Geradeso, mein Prinz.
HAMLET
Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?
HORATIO
Die Dinge so betrachten hieße sie allzu genau betrachten.
HAMLET
Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben. Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm; und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worein er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?
Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,
Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.
O daß die Erde, der die Welt gebebt,
Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt!
Doch still, doch still, beiseit! Hier kommt der König!
Priester usw. kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge usw. Die Königin, der Hof - wem folgen sie? Und mit so unvollständgen Feierlichkeiten? Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen, Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt. Sie war von Stande; lauern wir ein Weilchen Und geben acht. Zieht sich mit Horatio zurück.
LAERTES
Was für Gebräuche sonst?
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