HAUPTMANN
Geleit Euch Gott!
Ab.
ROSENKRANZ
Beliebt es Euch zu gehn?
HAMLET
Ich komme gleich Euch nach. Geht nur voran!
[Rosenkranz und die übrigen ab. ] Alle außer Hamlet ab. Wie jeder Anlaß mich verklagt und spornt Die träge Rache an! Was ist der Mensch, Wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut Nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter. Gewiß, der uns mit solcher Denkkraft schuf, Voraus zu schaun und rückwärts, gab uns nicht Die Fähigkeit und göttliche Vernunft, Daß ungebraucht sie in uns schimmle. Nun, Sei's viehisches Vergessen oder sei's Ein banger Zweifel, welcher zu genau Bedenkt den Ausgang - ein Gedanke, der, Zerlegt man ihn, ein Viertel Weisheit nur Und stets drei Viertel Feigheit hat -, ich weiß nicht, Weswegen ich noch lebe, um zu sagen: »Dies muß geschehn«; da ich doch Grund und Willen Und Kraft und Mittel hab, um es zu tun. Beispiele, die zu greifen, mahnen mich. So dieses Heer von solcher Zahl und Stärke, Von einem zarten Prinzen angeführt, Des Mut, von hoher Ehrbegier geschwellt, Die Stirn dem unsichtbaren Ausgang beut Und gibt sein sterblich und verletzbar Teil Dem Glück, dem Tode, den Gefahren preis, Für eine Nußschal. Wahrhaft groß sein, heißt, Nicht ohne großen Gegenstand sich regen, Doch einen Strohhalm selber groß verfechten, Wenn Ehre auf dem Spiel. Wie steh denn ich, Den seines Vaters Mord, der Mutter Schande, Antriebe der Vernunft und des Geblüts, Den nichts erweckt? Ich seh indes beschämt Den nahen Tod von zwanzigtausend Mann, Die für 'ne Grille, ein Phantom des Ruhms Zum Grab gehn wie ins Bett; es gilt ein Fleckchen, Worauf die Zahl den Streit nicht führen kann, Nicht Gruft genug und Raum, um die Erschlagnen Nur zu verbergen. O von Stund an trachtet Nach Blut, Gedanken, oder seid verachtet! Ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Helsingör. Ein Zimmer im Schlosse
Die Königin , [und ] Horatio und ein Edelmann treten auf.
KÖNIGIN
Ich will nicht mit ihr sprechen.
[HORATIO ] EDELMANN
Sie ist sehr dringend; wirklich, außer sich;
Ihr Zustand ist erbarmenswert.
KÖNIGIN
Was will sie?
[HORATIO ] EDELMANN
Sie spricht von ihrem Vater, sagt, sie höre,
Die Welt sei schlimm, und ächzt und schlägt die Brust;
Ein Strohhalm ärgert sie; sie spricht verworren
Mit halbem Sinn nur; ihre Red ist nichts,
Doch leitet ihre ungestalte Art
Die Hörenden auf Schlüsse; man errät,
Man stückt zusammen ihrer Worte Sinn,
Die sie mit Nicken gibt, mit Winken, Mienen,
So daß man wahrlich denken muß; man könnte
Zwar nichts gewiß, jedoch viel Arges denken.
[KÖNIGIN ] HORATIO
Man muß doch mit ihr sprechen; sie kann Argwohn
In Unheil brütende Gemüter streun.
KÖNIGIN
Laßt sie nur vor! -
Horatio ab. Der kranken Seele, nach der Art der Sünden, Scheint jeder Tand ein Unglück zu verkünden, Von so betörter Furcht ist Schuld erfüllt, Daß, sich verbergend, sie sich selbst enthüllt. Horatio kommt mit Ophelia.
OPHELIA
Wo ist die schöne Majestät von Dänmark?
KÖNIGIN
Wie gehts, Ophelia?
OPHELIA
singt.
Wie erkenn ich dein Treulieb
Vor den andern nun?
An dem Muschelhut und Stab
Und den Sandelschuhn.
KÖNIGIN
Ach, süßes Fräulein, wozu soll dies Lied?
OPHELIA
Was beliebt? Nein, bitte, hört:
Singt.
Er ist lange tot und hin,
Tot und hin, Fräulein!
Ihm zu Häupten ein Rasen grün,
Ihm zu Fuß ein Stein.
Oh!
KÖNIGIN
Aber sagt, Ophelia -
OPHELIA
Bitt Euch, hört:
Singt.
Sein Leichenhemd weiß wie Schnee zu sehn -
Der König tritt auf.
KÖNIGIN
Ach, mein Gemahl, seht hier!
OPHELIA
singt.
Geziert mit Blumensegen,
Das unbetränt zum Grab mußt gehn
Von Liebesregen.
KÖNIG
Wie gehts Euch, holdes Fräulein?
OPHELIA
Gottes Lohn, recht gut! Sie sagen, die Eule war eines Bäckers Tochter. Ach Herr, wir wissen wohl, was wir sind, aber nicht, was wir werden können. Gott segne Euch die Mahlzeit!
KÖNIG
Anspielung auf ihren Vater.
OPHELIA
Bitte, laßt uns darüber nicht sprechen; aber wenn sie Euch fragen, was es bedeutet, sagt nur:
Singt.
Auf morgen ist Sankt Valentins Tag,
Wohl an der Zeit noch früh,
Und ich 'ne Maid am Fensterschlag
Will sein eur Valentin.
Er war bereit, tät an sein Kleid,
Tät auf die Kammertür,
Ließ ein die Maid, die als 'ne Maid
Ging nimmermehr herfür.
KÖNIGIN
Holde Ophelia!
OPHELIA
Fürwahr, ohne Schwur, ich will ein Ende machen:
Singt.
Bei unsrer Frau und Sankt Kathrin!
O pfui! was soll das sein?
Ein junger Mann tuts, wenn er kann,
Beim Himmel, 's ist nicht fein.
Sie sprach: Eh Ihr gescherzt mit mir,
Gelobtet Ihr mich zu frein.
Er antwortet:
Ich brächs auch nicht, beim Sonnenlicht!
Wärst du nicht kommen herein.
KÖNIG
Wie lang ist sie schon so?
OPHELIA
Ich hoffe, alles wird gut gehn. Wir müssen geduldig sein; aber ich kann nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden gelegt haben. Mein Bruder soll davon wissen, und so dank ich euch für euren guten Rat. Komm, meine Kutsche! Gute Nacht, Damen, gute Nacht, süße Damen, gute Nacht, gute Nacht!
Ab.
KÖNIG
Folgt auf dem Fuß ihr doch; bewacht sie recht!
Horatio ab. O dies ist Gift des tiefen Grams, es quillt Aus ihres Vaters Tod. Und seht nun an, O Gertrud, Gertrud, wenn die Leiden kommen, So kommen sie wie einzelne Späher nicht, Nein, in Geschwadern. Ihr Vater umgebracht; Fort Euer Sohn, er selbst der wüste Stifter Gerechten eignen Banns; das Volk verschlämmt, Schädlich und trüb in Wähnen und Vermuten Vom Tod des redlichen Polonius; Und töricht wars von uns, so unterm Husch Ihn zu bestatten; dann dies arme Kind, Getrennt von sich und ihrem edlen Urteil, Ohn welches wir nur Bilder sind, nur Tiere. Zuletzt, was mehr als alles in sich schließt: Ihr Bruder ist von Frankreich insgeheim Zurückgekehrt, nährt sich mit seinem Staunen, Hält sich in Wolken und ermangelt nicht Der Ohrenbläser, um ihn anzustecken Mit giftgen Reden von des Vaters Tod, Wobei Verlegenheit, an Vorwand arm, Sich nicht entblöden wird, Uns zu verklagen Von Ohr zu Ohr. O liebste Gertrud, dies Gibt wie ein Traubenschuß an vielen Stellen Mir überflüßgen Tod. Lärm hinter der Szene.
KÖNIGIN
O weh! Was für ein Lärm?
[Ein Edelmann kommt. ]
KÖNIG
Herbei!
Wo sind die Schweizer? Laßt die Tür bewachen.
Ein Edelmann kommt. Was gibt es draußen?
EDELMANN
Rettet Euch, mein Fürst!
Der Ozean, entwachsend seinem Saum,
Verschlingt die Niedrung ungestümer nicht,
Als an der Spitze eines Meutrerhaufens
Laertes Eure Diener übermannt.
Der Pöbel nennt ihn Herrn, und gleich als finge
Die Welt erst an, als wär das Altertum
Vergessen und Gewohnheit nicht bekannt,
Die Stützen und Bekräftger jedes Worts,
Schrein sie: Erwählen wir! Laertes werde König!
Und Mützen, Hände, Zungen tragens jubelnd
Bis an die Wolken: König sei Laertes!
Laertes König!
KÖNIGIN
Sie schlagen lustig an auf falscher Fährte.
Verkehrt gespürt, ihr falschen Dänenhunde!
Lärm hinter der Szene.
KÖNIG
Die Türen sind gesprengt.
Laertes kommt bewaffnet. Dänen hinter ihm.
LAERTES
Wo ist denn dieser König? - Herrn, bleibt draußen!
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