ROSENKRANZ
Sie sagt also folgendes: Euer Betragen hat sie in Staunen und Verwunderung gesetzt.
HAMLET
O wundervoller Sohn, über den seine Mutter so erstaunen kann! Kommt kein Nachsatz, der dieser mütterlichen Verwunderung auf dem Fuße folgt? [Laßt hören! ]
ROSENKRANZ
Sie wünscht mit Euch in ihrem Zimmer zu reden, ehe Ihr zu Bett geht.
HAMLET
Wir wollen gehorchen, und wäre sie zehnmal unsre Mutter. Habt Ihr noch sonst was mit mir zu schaffen?
ROSENKRANZ
Gnädiger Herr, Ihr liebtet mich einst -
HAMLET
Das tu ich noch, bei diesen beiden Diebeszangen hier!
ROSENKRANZ
Bester Herr, was ist die Ursache Eures Übels? Gewiß, Ihr tretet Eurer eignen Freiheit in den Weg, wenn Ihr Eurem Freunde Euren Kummer verheimlicht.
HAMLET
Herr, es fehlt mir an Beförderung.
ROSENKRANZ
Wie kann das sein, da Ihr die Stimme des Königs selbst zur Nachfolge im dänischen Reiche habt?
HAMLET
Ja, Herr, aber »derweil das Gras wächst« - das Sprichwort ist ein wenig rostig.
Schauspieler kommen mit Flöten. O die Flöten! Laßt mich eine sehn. - Um Euch insbesondre zu sprechen: [Nimmt Güldenstern beiseit. ] Weswegen geht Ihr um mich herum, um meine Witterung zu bekommen, als wolltet Ihr mich in ein Netz treiben?
GÜLDENSTERN
O gnädiger Herr, wenn meine Ergebenheit allzu kühn ist, so ist meine Liebe ungesittet.
HAMLET
Das versteh ich nicht recht. Wollt Ihr auf dieser Flöte spielen?
GÜLDENSTERN
Gnädiger Herr, ich kann nicht.
HAMLET
Ich bitte Euch.
GÜLDENSTERN
Glaubt mir, ich kann nicht.
HAMLET
Ich ersuche Euch darum.
GÜLDENSTERN
Ich weiß keinen einzigen Griff, gnädiger Herr.
HAMLET
Es ist so leicht wie lügen. Regiert diese Windlöcher mit Euren Fingern und Daumen, gebt der Flöte mit Eurem Munde Odem, und sie wird die beredteste Musik sprechen. Seht Ihr, dies sind die Griffe!
GÜLDENSTERN
Aber die habe ich eben nicht in meiner Gewalt, um irgendeine Harmonie hervorzubringen; ich besitze die Kunst nicht.
HAMLET
Nun, seht Ihr, welch ein nichtswürdiges Ding Ihr aus mir macht? Ihr wollt auf mir spielen, Ihr wollt tun, als kenntet Ihr meine Griffe, Ihr wollt in das Herz meines Geheimnisses dringen, Ihr wollt mich von meiner tiefsten Note bis zum Gipfel meiner Stimme hinauf prüfen; und in dem kleinen Instrument hier ist viel Musik, eine vortreffliche Stimme, dennoch könnt Ihr es nicht zum Sprechen bringen! Wetter, denkt Ihr, daß ich leichter zu spielen bin als eine Flöte? Nennt mich was für ein Instrument Ihr wollt, Ihr könnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf mir spielen.
Polonius kommt. Gott grüß Euch, Herr!
POLONIUS
Gnädiger Herr, die Königin wünscht Euch zu sprechen, und das sogleich.
HAMLET
Seht Ihr die Wolke dort, beinah in Gestalt eines Kamels?
POLONIUS
Beim Himmel, sie sieht auch wirklich aus wie ein Kamel.
HAMLET
Mich dünkt, sie sieht aus wie ein Wiesel.
POLONIUS
Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel.
HAMLET
Oder wie ein Walfisch?
POLONIUS
Ganz wie ein Walfisch.
HAMLET
Nun, so will ich zu meiner Mutter kommen, im Augenblick. Sie närren mich, daß mir die Geduld beinah reißt. - Ich komme im Augenblick.
POLONIUS
Das will ich ihr sagen.
[Ab. ]
HAMLET
Im Augenblick ist leicht gesagt.
Polonius ab. Laßt mich, Freunde! Rosenkranz, Güldenstern, Horatio und die andern ab. Nun ist die wahre Spukezeit der Nacht, Wo Grüfte gähnen und die Hölle selbst Pest haucht in diese Welt. Nun tränk ich wohl heiß Blut Und täte Dinge, die der bittre Tag Mit Schaudern säh. Still, jetzt zu meiner Mutter! O Herz, vergiß nicht die Natur! Nie dränge Sich Neros Seel in diesen festen Busen! Grausam, nicht unnatürlich, laß mich sein; Nur reden will ich Dolche, keine brauchen. Hierin seid Heuchler, Zung, und du, Gemüt: Wie hart mit ihr auch meine Rede schmäle, Nie willge drein, sie zu versiegeln, Seele!
Ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Ein Zimmer im Schlosse
Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.
KÖNIG
Ich mag ihn nicht; auch stehts um Uns nicht sicher,
Wenn frei sein Wahnsinn schwärmt. Drum macht Euch fertig!
Ich stelle schleunig Eure Vollmacht aus,
Und er soll dann mit Euch nach England hin.
Die Pflichten Unsrer Würde dulden nicht
Gefahr so nah, als hinter seinen Brauen
Sie stündlich uns erwächst.
GÜLDENSTERN
Wir wolln uns vorsehn.
[GÜLDENSTERN ]
Es ist gewissenhafte, heilge Sorge,
Die vielen, vielen Seelen zu erhalten,
Die Eure Majestät belebt und nährt.
ROSENKRANZ
Schon das besondre, einzelne Leben muß
Mit aller Kraft und Rüstung des Gemüts
Vor Schaden sich bewahren; doch viel mehr
Der Geist, an dessen Heil das Leben vieler
Beruht und hängt. Der Majestät Verscheiden
Stirbt nicht allein, es zieht gleich einem Strudel
Das Nahe mit. Sie ist ein mächtig Rad,
Befestigt auf des höchsten Berges Gipfel,
An dessen Riesenspeichen tausend Dinge
Gekittet und gefugt sind; wenn es fällt,
So teilt die kleinste Zutat und Umgebung
Den ungeheuren Sturz. Kein König je
Seufzte allein ohn allgemeines Weh.
KÖNIG
Ich bitte, rüstet Euch zur schnellen Reise;
Wir müssen diese Furcht in Fesseln legen,
Die jetzt zu freien Fußes geht.
ROSENKRANZ und GÜLDENSTERN
Wir eilen.
Beide ab. Polonius kommt.
POLONIUS
Mein Fürst, er geht in seiner Mutter Zimmer.
Ich will mich hinter die Tapete stellen,
Den Hergang anzuhören; seid gewiß,
Sie schilt ihn tüchtig aus, und wie Ihr sagtet
- Und weislich wars gesagt -, es schickt sich wohl,
Daß noch ein andrer Zeug' als eine Mutter,
Die von Natur parteiisch, ihr Gespräch
Im stillen anhört. So lebt wohl, mein Fürst!
Eh Ihr zu Bett geht, sprech ich vor bei Euch
Und meld Euch, was ich weiß.
KÖNIG
Dank, lieber Herr!
Polonius ab. O meine Tat ist faul, sie stinkt zum Himmel; Sie trägt den ersten, ältesten der Flüche, Mord eines Bruders! - Beten kann ich nicht, Ist gleich die Neigung dringend wie der Wille: Die stärkre Schuld besiegt den starken Vorsatz, Und wie ein Mann, dem zwei Geschäft obliegen, Steh ich in Zweifel, was ich erst soll tun, Und lasse beides. Wie, wär diese Hand Auch um und um in Bruderblut getaucht, Gibt es nicht Regen gnug im milden Himmel, Sie weiß wie Schnee zu waschen? Wozu dient Die Gnad, als vor der Sünde Stirn zu treten? Und hat Gebet nicht die zwiefache Kraft, Dem Falle vorzubeugen und Verzeihung Gefallnen auszuwirken? Gut, ich will Emporschaun; mein Verbrechen ist geschehn. Doch oh, welch eine Wendung des Gebets Ziemt mir? Vergib mir meinen schnöden Mord? Dies kann nicht sein; mir bleibt ja stets noch alles, Was mich zum Mord getrieben: meine Krone, Mein eigner Ehrgeiz, meine Königin! Wird da verziehn, wo Missetat besteht? In den verderbten Strömen dieser Welt Kann die vergoldete Hand der Missetat Das Recht wegstoßen, und ein schnöder Preis Erkauft oft das Gesetz. Nicht so dort oben! Da gilt kein Kunstgriff, da erscheint die Handlung In ihrer wahren Art, und wir sind selbst Genötigt, unsern Fehlern in die Zähne, Ein Zeugnis abzulegen. Nun? Was bleibt? Sehn, was die Reue kann. Was kann sie nicht? Doch wenn man nicht bereuen kann, was kann sie? O Jammerstand! O Busen, schwarz wie Tod! O Seele, die, sich frei zu machen ringend, Noch mehr verstrickt wird! - Engel, helft! Versucht! Beugt euch, ihr starren Knie! Gestähltes Herz, Sei weich wie Sehnen neugeborner Kinder! Vielleicht wird alles gut. Entfernt sich und kniet nieder. Hamlet kommt.
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