Matthias Berghöfer (Hrsg.)
1904GeschichtenIV
Mit Schalke machse wat mit
VERLAG DIE WERKSTATT
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Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-7307-0146-1
Fotos: Achim: 113; Stefan Barta: 57; Dietmar Barten: 13
; Matthias Berghöfer: 29
, 34/35
, 37
, 41
, 97, 108, 109, 111, 117, 118/119, 139, 156, 177, 182, 183; Archiv Berghöfer: 45
, 53 (4), 80, 86, 88 (2), 155; Marcus Brauer: 128; firo sportphoto: Buchrücken; Historischer Verein Geldern: 14
; Olivier Kruschinski: 47 (3)
; Axel Lichtenstein: 95; Harald Lösch: 180; Thorsten Machelett: 31
; Frank Schaub: 61; Walter Schauer: 69, 71 (2); Kay Schernikau: 133; Thomas Seeger: 25
; Udo Varnhold: 99; Davor Vutuc: 85; Daniel Wittke: 161
Für euch,
die ihr auch nach herben Klatschen
nie ins Wanken kommt
Vorwort
Vier Jahre schon gibt es das „1904 Geschichten“-Projekt, und wer die drei Vorgänger-Bände kennt, dem wird natürlich das für die Serie ungewöhnliche Cover dieses vierten Bandes auffallen. Die 4 ist für Königsblaue eine besondere Zahl, und Schalke an sich ist ein besonderer Klub, auch und gerade wegen der Menschen, die ihn ausmachen – und dasselbe trifft auch auf die „1904 Geschichten“ zu. Deshalb musste das Cover von Band 4 etwas Besonderes sein und das ins Zentrum stellen, was diese Serie überhaupt existieren lässt: Schalke und diejenigen, die darüber erzählen, ihre Erinnerungen und Abenteuer teilen und so in ihrer Gesamtheit den Klub und seine Bedeutung in unzähligen Facetten lebendig werden lassen. Deshalb finden sich die Namen aller bisher 233 Autoren der „1904 Geschichten“ auf dem Titel und bilden gemeinsam das, worum sich hier alles dreht – selbst wenn es manchmal nicht das Wichtigste auf der Welt ist, wie man auch in diesem Band wieder in der einen oder anderen Erzählung erkennen wird.
Inzwischen sind gut 480 Texte zusammengekommen, was bedeutet, dass die Sammlung tatsächlich noch immer gleichmäßig wächst und sich inzwischen zur wohl umfang- und erfolgreichsten Fangeschichtensammlung mauserte, die es zu einem einzelnen Verein gibt.
Auf http://1904geschichten.wordpress.comund auf Facebook wird über die „1904 Geschichten“ informiert. Ein paarmal im Jahr finden mit verschiedensten Autoren Lesungen statt: in Bibliotheken, Buchhandlungen oder bei Fanklubs, und auch schon mal auf einer Zeche oder in einer Justizvollzugsanstalt. Die Gelsenkirchener Ausgabe der WAZ druckt seit Anfang des Jahres immer mal wieder eine der Geschichten in einer eigenen Serie ab, und die so erzielten Einnahmen werden zusammen mit denen der Bücher nach wie vor für etwas eingesetzt, das Schalke, anderen Schalker Buch- oder Filmprojekten und ganz direkt auch Schalkern hilft. Beispielsweise wurden für einige vom Schalker Fanprojekt ausgewählte Gruppen hervorragend geführte Rundgänge durch Schalke, die Geschichte des Ortsteils, der Gemeinde, der Industrie und des FC Schalke 04 finanziert. An einer solchen „Mythos-Tour“ nahmen auch mehrere Dutzend Autoren teil, die so ihrem Verein, dessen Ursprung und Gegenwart noch näher kamen.
Genau das, dieses Näherkommen, Staunen, Erinnern, Mitfühlen und Miterleben wünsche ich auch dir beim Lesen der wieder über 40 Geschichten, die in diesem Band versammelt sind. Und dass vielleicht der Wunsch zum Mitmachen geweckt wird, das wäre schön. Ich sage schonmal vielen Dank – und viel Spaß beim Schmökern. Glück auf!
Matthias Berghöfer, im Mai 2014
Das letzte Heimspiel
■ PHILIP BEHRENDT
Als meine Kumpels und ich noch jung waren, fuhren wir öfter mal ohne Eintrittskarten in Richtung Parkstadion. Wir waren sicherlich nicht die Einzigen, die das taten. In der Regel war es kein Problem, sich vor Ort noch mit dem nötigen Papier zu versorgen. Derjenige, der einen gültigen Schülerausweis sein Eigen nennen durfte, schob sich durch die Warteschlangenimzaumhalter hindurch und besorgte für alle die begehrte Ware zum vergünstigten Preis. Das funktionierte eigentlich immer.
Doch zuvor standen noch die fünfzig Kilometer von Schwelm nach Gelsenkirchen auf dem Plan. Da keiner von uns volljährig war und selbst fahren sowieso für niemanden in Frage gekommen wäre, blieb nur der ÖPNV. Zu dieser Zeit war die Kombination aus Bus und Linie 302 unsere erste Wahl. Das hieß, dass die Kumpels am Supermarkt in Bahnhofsnähe genügend Dosenbier einluden und in den Bus nach Bochum stiegen. Mein Bruder und ich folgten eine Station später, quasi unmittelbar vor unserer Haustür. Eigentlich idiotensicher, sollte man meinen. Geklappt hat es aber dennoch nicht immer. Es passierte auch mal, dass man die Stunde bis zum nächsten Bus mit Tankstellenbier überbrücken musste, da im verabredeten Gefährt niemand aufzufinden war. Wieder nach Hause gehen kam trotzdem nicht in Frage. Warum auch immer. Vermutlich war es auf dem Dorf einfach so schön provokant, biertrinkend an der Straße zu sitzen. Unwichtig.
Meist sind wir vormittags so gegen elf Uhr losgefahren. Eine knappe Stunde Bus, bisschen weniger 302, Wartezeit zwischendurch, so war man locker zwei Stunden vor Anpfiff am Parkstadion. Das reichte, um Karten zu besorgen und sich einzustimmen. Einmal – da kann ich mich noch recht gut dran erinnern – sind wir aber ganz früh losgefahren. Die Truppe war etwas größer als sonst, alle waren etwas aufgekratzter, es war mehr Bier im Gepäck, es ging mitten in der Nacht los, also so gegen neun Uhr.
Die Fahrt mit Linienbus und Straßenbahn hat ja einen ganz großen, offenkundigen Nachteil: Sanitäre Einrichtungen sind grundsätzlich erstmal nicht vorgesehen. Das ist auch einer der Gründe, der uns in späteren Jahren veranlasste, umständlichere, unschönere, aber toilettentechnisch komfortablere Strecken einzuschlagen. Mit Zwischenstopps in Hagen, Dortmund, Düsseldorf und/oder Essen kann man nämlich sehr gut leben, wenn sie die Möglichkeit bieten, sich einerseits zu erleichtern und andererseits am Bahnhofskiosk die Bestände wieder aufzufüllen.
Das muss man natürlich alles erst einmal wissen. Damals saßen wir jedenfalls nicht selten mit prall gefüllten Blasen in der 302. Der gemeine Biertrinker wird es kennen. Erst kann man sich drei oder vier Fläschchen gönnen, ohne mit der Wimper zu zucken, später reicht jeder kleine Schluck aus der Pulle, um einem das Gefühl totaler innerlicher Bedrängnis zu geben. Beim Umsteigen von Bus auf Straßenbahn ist man noch locker und beschwingt, kaum fährt die Bahn drei Meter, fängt man an, Auswege zu suchen. Immer mal wieder stürzten Mitfahrer wahllos an der nächsten Haltestelle aus dem Waggon. Im Herbst meist auf nassem Laub rutschend, aber immer in der einen Hand ihr Bier haltend, mit der anderen am Reißverschluss fummelnd, nervös einen Baum, ein Gebüsch oder wenigstens eine Mauer suchend. Je nach Fanaufkommen in der Bahn musste man sich einen solchen Schritt allerdings gründlich überlegen. Einen Sitzplatz gibt man schließlich nicht leichtfertig her, wenn das Aussteigen zwar Erleichterung bedeutet, aber auch, in die nächsten sieben Bahnen aufgrund von Überfüllung gar nicht mehr hineinzukommen. Schwierig, das alles.
Zurück zur frühen Abfahrt. Neun Uhr also. Natürlich ist es komplett beknackt, so früh zum Stadion zu fahren. Man ist Stunden vor Anpfiff, ja sogar Stunden vor Öffnung der Stadiontore vor Ort. Ich weiß auch gar nicht mehr, was genau uns da geritten hat, aber es war halt einfach so. Vielleicht brauchten wir auch noch Karten und hatten, anders als sonst, größere Bedenken, keine mehr zu bekommen.
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