Er hatte den Neffen in Gedanken, als er weiter in seine Richtung trottete, dieser sollte jetzt, nach der Landwirtschaftsschule und seiner Lehrzeit, zum Kommiß, ehe er dann zurückkäme, konnten sie sich vielleicht um diesen Krieg drücken, es war doch immer so gedacht gewesen, daß er zum ihm kommen sollte. Er sah an sich herab, etwas anderes hatte er sich ja nie vorgestellt, wollte an überhaupt nichts anderes denken, er sah nicht, wo er ging und war dabei, in ein Mädchen zu laufen. Sie lachte über ihn, und er sammelte sich, um zu grüßen, und hob den Stock.
Wirst du bald heiraten, fragte er, um auch etwas zu sagen, und sie lachte wieder, hinter ihm jetzt, er hatte nicht einmal richtig gesehen, wer sie war. Vielleicht hatte er sie schon einmal danach gefragt, hatte er wohl, auch sie, war wohl schon fast zu einer Art Angewohnheit für ihn geworden, die jungen Mädchen so zu fragen, vielleicht hatte sie sich deshalb über ihn amüsiert. Doch konnte er ihnen diese Freude machen, dann - oder hatte es da einzelne gegeben, denen er damit ein Leid zugefügt hatte, in seiner Gedankenlosigkeit, das konnte sein, er würde sich schon ein bißchen besser in acht nehmen. Obgleich viel ändern konnte er wohl auch nicht, sie hatten ihre Köpfe trotzdem voll damit, so oder so. Ihm da oben oblag es, die Sache für sie zu deichseln, der Ehestand ist ein Joch, doch hat man es erst auf seinen Schultern, lassen sich viele Dinge leichter tragen. Er war bis zur Tür des Konsums gelangt.
Es war niemand im Laden, doch hinten in der Ecke, der Krämer selbst stand da, den Rücken zugewandt, und ein rotbraunes Kopftuch, ihre Stimme war unverkennbar, sie waren zusammen in die Schule gegangen. Er trat zu ihnen, und sie drehten sich weg, der Krämer hatte eine Kiste mit Umschlägen in den Händen, was wollte sie denn, Glanzbilder, sie hielt einen Bogen in der Hand und grinste ihn an. Sind die hier nicht schön, fragte sie, Engel und Rosen waren darauf.
Bist du über diese Narreteien noch nicht hinaus, antwortete er. Also mußte er wohl etwas zu hören bekommen. Was ihr jetzt wohl einfallen würde, um es ihm heimzuzahlen? Zuallererst beeilte sie sich, nicht weniger als drei Bogen zu nehmen, niemand hatte ja jemals daran gezweifelt, daß sie tat, was ihr paßte. Ist dir auch warm genug, kam es dann. Ja, du hast wohl noch nicht einmal deine langen wollenen Unterhosen abgelegt, wenn ich dich recht kenne!
Der Krämer schlich hinüber hinter den Ladentisch, während sie laut auflachte. Dann bekam er zu hören, was sie in einer Illustrierten gesehen hatte, da waren Bilder gewesen, wie sich die Herren im Sommer jetzt anzogen, und zwar von der Unterwäsche angefangen, und da gab es endlich was zum Anschauen. Ich könnte mir denken, daß das ganz nach deinem Geschmack war, sagte er. Ja, bei dir, sie lachte schallend, bei dir hatten wir ja nie das Vergnügen, was das angeht! Kaum daß wir dich in den Fjord haben gehen sehen!
Es gab nicht viele Menschen, von denen er sich so anreden lassen würde. Doch so hatte sie es gehalten, seit sie jung waren, und er reizte sie auch weiterhin dazu, denn zwischen all ihrem Geschwätz konnte ab und zu irgendetwas auftauchen, das zu hören ihm von Nutzen war. Sie war von Kindesbeinen an die Klügere von ihnen beiden gewesen, doch sie hatte ebenso wenig wie er geheiratet.
Zwei Geschwister waren früh gestorben, an Tuberkulose, also war sie es, die den Hof bewirtschaften mußte, nach ihrem Vater, dem alten Dorfschulzen, sie war nicht mehr als ein paar und zwanzig, als er starb, doch mit ihr hatten die Verwalter dennoch nie gut Kirschen essen. Auch wenn die Leute selbstverständlich sagten, daß sie sie ab und zu in ihr Bett kriechen ließ, auch nachdem sie in die Jahre gekommen war. Doch warum sollte sie das auch nicht? Es gibt gewisse Dinge, die Frauen einfach leichter erledigen, und sie hatte sie nie lange behalten.
Viele meinten wohl auch, daß sie hätten zusammenfinden sollen, er und sie. Es war vielleicht auch gar nicht so abwegig, daß es hätte geschehen können. Auch wenn er nie der Eifrigste dabei gewesen war, herumzurennen und sich lieb Kind zu machen, so war es in seinen jungen Tagen doch passiert, daß er die Füße in Leder gesteckt und zum Tanz gegangen war. Und sie hatten sich aneinander gedrückt, und er hatte wohl verstanden, daß sie ihn gern haben wollte, auch wenn sie einen Ulk daraus machte. Doch nach der Militärzeit stand da eine ganz andere in der Gärtnerei ihres Vaters und sah ihn an, und er stellte sich vor, daß er hinüberreisen und sie holen könnte, und daß sie versuchen würde, ihn zu finden, daß sie eines schönen Tages auf dem Hof stünde, ja, was hatte er sich nicht alles zusammenphantasiert. Wußte natürlich, daß es nie etwas werden könnte und war trotzdem, mehrere Jahre, in Träumereien verfallen, bis es ihm, allmählich, dämmerte, daß er wohl dazu ausersehen war, sein Leben als Junggeselle zu leben. Allmählich kam er darauf, und mit seiner Laune war es in dieser Zeit nicht weit her gewesen. Erst als er es endlich mit sich selbst ausgemacht hatte. Da begann er mit einem Mal zu verstehen, daß es andere Dinge gab, für die er da sein konnte und daher ausprobieren mußte. Also nahm er die Bürde auf sich, nur sich selbst zu haben, um der Welt entgegenzutreten.
Der Krämer wog ihr Kaffeebohnen ab, und sie war bereit zu gehen, in der Tür wollte sie ihm nur noch eben sagen, daß er daran denken sollte, seiner Haushälterin ein paar Rosinen mitzunehmen, sie deutete mit ihrer freien Hand auf eine ganz neue Kiste, aus der sie als erste bekommen hatte. Er wartete, nach welchen zu verlangen, bis sie weg war. Die Haushälterin kaufte ansonsten, was sie benötigte, doch ihm fielen auch keine anderen Dinge ein, also konnte er ihr ebenso gut ein Pfund von diesen Rosinen kaufen, sie konnten vielleicht einmal in einem Kuchen Verwendung finden, oder in einer Buttermilchsuppe, oder sie konnte sie einfach naschen.
Der Krämer wog ab und fummelte an der Tüte herum und fragte dann, ob ihm noch andere Dinge fehlten. Gib mir auch ein Dutzend dreizöllige Nägel, antwortete er, oder vielleicht zwei, es wird bald Zeit, die Häuser durchzusehen, und sie hatte auch davon gesprochen, daß sie oben im Hühnerhaus ein paar neue Latten bräuchte. Doch mehr sollte es nicht sein, er ließ den Krämer Rosinen und Nägel anschreiben und die Tüten in ein Stück Papier einschlagen, dann könnte er sie besser tragen, ging ja auch niemanden etwas an, daß er Naschereien kaufte.
Draußen auf der Straße kamen die ersten vom Feld, er mußte sich wohl beeilen, es wurde ja doch nie ein längeres Gespräch mit dem Krämer, er sagte nie etwas Bestimmtes. So armselig war er im Lauf der Jahre geworden. Doch das konnte ihm wohl kaum angelastet werden, vielleicht war er gezwungen, die Nase in seine eigenen Angelegenheiten zu stecken, so lange es im Dorf auch einen Kaufmann gab.
Der Milchkutscher war von der Molkerei zurückgekommen, die Eimer standen am Stallgiebel, und er nahm den kleinen mit Buttermilch und trank ein Schlückchen aus dem Deckel, ehe er hineinging, goß versehentlich etwas daneben, so daß es vom Kinn tropfte. Er wischte sich am Hemdsärmel ab und rülpste angemessen, gut, den Durst gelöscht zu bekommen. Denn es war richtig warm geworden, und er war rasch hinauf durch das Dorf gegangen, hatte sich damit begnügt, links und rechts mit dem Stock zu grüßen, die Leute verstanden ja wohl, weswegen er sich beeilte: Es gab Flundern.
Sie aßen in der Stube, die Knechte saßen auf der Bank, die Haushälterin allein an der anderen Seite des Tisches. Sie hatte eine gute dicke Soße dazu gemacht, er zerdrückte die Kartoffeln darin und bemerkte gleichzeitig, daß die Knechte sich gut bedienten, alle drei, und richtig reinhauten. Sie hatten sich also hier am Vormittag nicht geschont.
Es war wohl auch allgemein bekannt, daß sie an seinem Tisch gut lebten. Und das hatte er auch immer so haben wollen, selbstverständlich auch ohne daß ihn jemand beschuldigen können sollte, daß hier geschlemmt wurde. Zwar war es schön, daß die jungen Menschen darauf erpicht waren, bei ihm in Lohn und Brot zu kommen, doch sie sollten ja auch für andere zu ertragen sein. Und ganz egal, was er ihnen bot und wieviele sich bewarben, so hatte er dennoch nicht jedes Mal eine glückliche Hand gehabt, die besten zu finden, oder bloß einen guten Großknecht. Nein, ein wirklich guter Großknecht war und blieb eine Seltenheit, er war Gold wert, wie der hier, das war ein Arbeitstier. Er konnte an der Spitze gehen, so gut wie er früher selbst, und das bedeutete etwas, denn dann machten die anderen mit, wenn sie auch nur ein Fünkchen Ehre im Leib hatten. Und der zweite Knecht war eigentlich auch ein großer und starker Bengel, doch er brauchte schon manchmal eine Anleitung, wie man Schweiß auf die Stirn bekommt, und der Junge, ja, der war ja nichts anderes als ein Junge, und wenn der Possen machte konnte statt etwas zu schaffen, ja dann tat sich ja nichts, wenn nicht der Großknecht hinter ihm her war. Der vorige hingegen, das war übel, das war eine Plage gewesen. Ein ausgewachsener Kerl, aus einem guten Elternhaus auch, aber er wußte überhaupt nie, womit er es zu tun hatte, man konnte beim Zuschauen schon verrückt werden, viele Male hatte es ihm in den Fingern gejuckt, ihm die Grassense oder den Dreschflegel aus den Händen zu reißen und ihm selbst zu zeigen, wozu sie benutzt werden sollten. Doch er hatte natürlich die Zähne zusammengebissen und ihn bis Ende des Jahres geduldet. Ihm die Tür zu zeigen, konnte er nicht, hatte dies nie jemandem gegenüber tun wollen, denn so wie es um ihn selbst stand, sollte er sich nicht das Recht herausnehmen, den Ruf eines Knechts zu zerstören. Dem Lump hat wohl auch nur die Begabung gefehlt. Er konnte vielleicht dennoch ein anständiger Mann werden. Kurz darauf hatte er die Gegend verlassen. Später soll er angefangen haben, sich zum Kirchendiener auszubilden.
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