Doch kurz nach Spielbeginn lagen wir dann tatsächlich innerhalb von fünf Minuten mit 0:3 im Rückstand. Später hat mir jemand erzählt, dass er noch kurz vor Anpfiff zur Toilette gegangen ist. Als er zurückkam, stand es 0:3. Ich war wirklich fassungslos. So etwas hatte ich noch nie erlebt und würde es auch nicht noch einmal erleben. Rijvers griff bereits nach einer Viertelstunde ein. Er holte ausgerechnet mich aus dem Spiel und wechselte Adrie Koster ein. Dabei war ich einer der wenigen unter uns, der noch fit war. Ich habe das nicht verstanden.
Mann, war ich da sauer. Ich bin in die Umkleide gegangen und habe der Tür einen ordentlichen Tritt versetzt, so dass in ihr danach ein riesiges Loch klaffte. Ich habe die Tür später auch noch bezahlen müssen. Sie haben mir eine Rechnung über umgerechnet 240 Gulden nach Hause geschickt. Ein Betrag, für den sie sich dann eine richtig gute Tür leisten konnten. Aber egal, ich habe die Tür einfach bezahlt.
Nach der Pause stand es noch immer 0:3, und ich habe die Mannschaft angefeuert: „Jetzt aber los, Jungs. Viel Erfolg!“ Denn mit einem Tor für unser Team hätte es 1:3 gestanden. Das wäre eine Basis gewesen, auf der wir hätten weitermachen können. Schließlich ging das Spiel 0:6 aus. Dem Team fehlten jegliche Sicherheit und Selbstvertrauen. Nach dem Spiel bekam Rijvers von seiner Frau eine ordentliche Standpauke zu hören. Auch sie war empört, weil er mich aus dem Spiel genommen hatte. Ich habe lieber nichts gesagt und ihn auch nicht angesehen. Ich war noch immer unglaublich sauer und wahnsinnig enttäuscht. Aber nicht so sehr, weil er mich nach so kurzer Zeit aus dem Spiel genommen hatte, das hatte er gegen Telstar einmal noch viel schneller gemacht.
Telstar spielte damals mit Monne de Wit als hängender Spitze, die sich ins Mittelfeld zurückfallen ließ. Dazu hatten sie zwei Außenstürmer, die immer nach innen gezogen sind. Ich war eigentlich überflüssig, und deswegen wechselte Rijvers mich bereits nach sechs Minuten aus. Das habe ich damals durchaus verstanden, und wir haben das Spiel dann auch gewonnen. Rijvers hat mir alles erklärt und einen Mittelfeldspieler für mich eingewechselt, das war sein gutes Recht. Unangenehm war allerdings, dass meine Mutter damals zum ersten Mal im Stadion saß, um sich ein Spiel mit mir im Trikot der PSV anzuschauen. Sie war extra aus Eindhoven zu der Begegnung gekommen und hat mich nur sechs Minuten spielen sehen …
Nun gut, nach dem Spiel gegen Saint-Étienne kam Rijvers irgendwann zu mir und sagte: „Jetzt hab ich doch tatsächlich deinetwegen Streit mit meiner Frau.“ Ich hab noch erwidert: „Und was kann ich dafür? Hättest mich nicht auswechseln sollen.“
Rijvers erklärte mir, dass es ihm auch schwergefallen sei, aber er habe etwas unternehmen und riskieren müssen, um Tore zu erzielen. Er sah durchaus ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und er das nicht hätte tun sollen. Er hat mit mir ganz offen darüber geredet. Nach außen gab er seinen Fehler nicht zu, aber intern schon. Für mich war die Sache damit erledigt.
Das war jedenfalls das seltsamste Spiel, das ich jemals erlebt habe, und eine heftige Niederlage. Ich muss aber auch sagen, dass Saint-Étienne eine großartige Mannschaft hatte, mit Spielern wie Michel Platini, Dominique Rocheteau, Patrick Battiston und nicht zu vergessen Johnny Rep. Im Nachhinein hatte der Abend auch etwas Lustiges, denn bei uns lief wirklich alles schief. Das Spiel hätte genauso gut 0:9 ausgehen können. Das war ganz ehrlich der Tiefpunkt in meiner Karriere.
Ich glaube, dass diese Niederlage noch lange nachgeklungen hat. Wir spielten keine besonders gute Saison und wurden schließlich Dritter. Eine Folge war der Abschied von Kees Rijvers im Januar 1980. Eine Rolle hat dabei gewiss auch der Abend in Saint-Étienne gespielt.
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DIE BESONDERE BEZIEHUNG ZU KEES RIJVERS
Als ich zur PSV kam, da habe ich zu allen aufgesehen. Ganz besonders zu Trainer Kees Rijvers, der bereits eine bekannte Größe war. Ich kannte eigentlich nur Adrie van Kraaij, mit dem ich in der Jugend-Nationalmannschaft gespielt hatte. Jan van Beveren gab sich sofort sehr kollegial, und auch mit den anderen funktionierte es schnell richtig gut.
Rijvers fand ich von Anfang an besonders liebenswürdig und ausgesprochen sozial. Er war zwar auch etwas distanziert, aber gegenüber den jungen Spielern zeigte er dann doch seine Gefühle. Zu den älteren Spielern hat er immer gesagt, sie sollten sich mit den jungen Spielern beschäftigen. Rijvers war immer ganz er selbst.
Er hat mir sofort gefallen, und ich habe zunehmend erkannt, was für ein toller Mensch er ist. Er hatte sechs Töchter, von denen drei an einer ernsthaften Muskelerkrankung litten. Sie saßen im Rollstuhl, doch Rijvers hat sich im Verein nie etwas von seiner Situation zuhause anmerken lassen. Er hat auch nie darüber geredet, aber die anderen haben es mir erzählt. Ich wusste, dass er es schwer hatte, aber er hat es nie gezeigt. Das fand ich wirklich beachtlich.
Seine Situation habe ich zum ersten Mal direkt mitbekommen, als ich ihn zuhause in Knegsel besuchte. Ich habe damals während meiner freien Zeit im Autohaus Van de Ven gearbeitet. Rijvers wollte ein Auto von Van de Ven, und deswegen haben wir uns bei ihm getroffen. Dort sah ich die Kinder dann zum ersten Mal. Rijvers ging wunderbar mit seinen Töchtern um. Die Wärme, die er zuhause ausstrahlte, vermittelte er auch im Verein. Ich glaube, dass der Fußball auch wegen seiner familiären Situation eine Art Ventil für ihn war. In gewisser Weise habe ich das auch bei mir selbst erlebt, als meine Frau schwer krank war.
Seine Frau Annie spielte nicht nur zuhause eine zentrale Rolle, sie war wichtig für die Mannschaft der PSV. Sie war sozusagen die Mutter der Spielerfrauen. Annie hat allerhand organisiert. So konnten zum Beispiel die Frauen zu den Spielen mitkommen, auch ins Ausland. Aber auch in den Niederlanden hat sie alles Mögliche gemacht.
Ich fand die Rolle der Spielerfrauen immer sehr wichtig. Sie haben einen starken Einfluss auf die Fußballer. Deswegen ist es auch besonders wichtig, dass der Verein ihnen viel Aufmerksamkeit entgegenbringt. Da sorgte Annie für. Es war wirklich eine Freude zu sehen, wie nett die Spielerfrauen miteinander umgingen. Als Trainer habe ich später versucht, die Spielerfrauen mit einzubeziehen. Meine Frau war dazu nicht in der Lage, deswegen habe ich nach jemandem Ausschau gehalten, der das übernahm. Das konnte zum Beispiel die Frau von jemandem aus dem Management oder der Vereinsleitung sein.
Besonders bei Roda JC und Schalke 04 haben wir sehr darauf geachtet. Und es hat auch funktioniert. Bei Roda wurde einmal ein Mannschaftsfoto von den Frauen gemacht, und bei Schalke haben sie sogar ein Lied aufgenommen. Solche Sachen eben. Das hatte ich mir von Frau Rijvers abschauen können. Auch heute, wenn ich manchmal mit ihr telefoniere, klingt noch immer ihre warme Herzlichkeit durch.
Rijvers konnte auch hart sein. Ihm war bewusst, dass er nicht immer der liebe, nette Trainer sein durfte. Manchmal hatte auch er seine Launen, aber er war immer fair. Er hat mir zum Beispiel bereits nach einem halben Jahr gesagt, dass es mir an Schnelligkeit mangelte, die ich aber für die erste Mannschaft bräuchte. Später hat er mir manchmal vorgeworfen, ich hätte zu aggressiv und hart gespielt, andererseits wollte er aber auch, dass ich meine Härte in einer positiven Art auf das Team übertrug. Denn er wusste, dass die Gruppe das brauchte.
Rijvers führte zum Beispiel auch keine Strafkasse. Er regelte das auf seine Art. Einmal bin ich mit René van de Kerkhof zusammengerasselt, obwohl ich mich eigentlich sehr gut mit ihm verstand. So etwas kommt einfach mal vor. René hatte beim Training einen Tritt in meine Richtung angedeutet, und plötzlich kämpften wir wie die Stiere. Wir wurden beide vom Platz geschickt, und ich befürchtete schon, dass wir nun eine Geldstrafe aufgebrummt bekämen. Aber als Rijvers später in die Umkleide kam, hat er einfach gesagt: „So, und wenn ihr mir diese Aggression auf positive Art am Samstag auf dem Platz zeigt, reden wir nicht mehr darüber!“ So hat er das gelöst.
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