HUUB STEVENS
in Zusammenarbeit mit Bert Nederlof
NIEMALS AUFGEBEN
Biografie
Aus dem Niederländischen von Heike Baryga
VERLAG DIE WERKSTATT
Die Originalausgabe erschien 2016 bei Edicola, Niederlande,
unter dem Titel Nooit opgeven.
Dieses Buch wurde vermittelt von der Literaturagentur erzähl:perspektive, München
( www.erzaehlperspektive.de).
Aus dem Niederländischen von Heike Baryga.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Copyright © 2016 Bert Nederlof
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe:
2017 Verlag Die Werkstatt GmbH
Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Coverabbildung: Peter Beemsterboer, © beemsfoto.nl
Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen
ISBN 978-3-7307-0334-2
VORWORT
Huub Stevens und ich haben uns 1971 kennengelernt, als wir erstmals gemeinsam in die niederländische U18-Auswahl berufen wurden. Wir waren damals achtzehn, mit einem Altersunterschied von zwei Monaten. Das war der Anfang des langen roten Fadens, den Huub bis heute in meinem Leben weiterspinnt. Aber ich auch in seinem. Man könnte meinen, wir hätten sofort einen besonderen Draht zueinander gehabt. Das war allerdings nicht der Fall, nein, wirklich nicht. Klar, wir spielten beide als Verteidiger, doch wenn man sich unseren Spielstil anschaut, dann sieht man schnell, dass wir eine ganz unterschiedliche Spielauffassung und Spielweise hatten.
Huub war ein echter Draufgänger, er war ein Spieler mit kompromissloser Härte gegen sich selbst und den Gegner, einer, der im Zweikampf nie lockerlässt, und ausgestattet mit einem wirklich unglaublichen Durchsetzungsvermögen. Ich bevorzugte da die technische Lösung. Während Huub am liebsten gleich die Konfrontation suchte, überlegte ich mir erst eine andere, möglichst intelligente Lösung und mied lieber die Konfrontation.
Ich möchte ein paar besondere Momente unseres roten Fadens nennen. 1975 suchte die PSV Eindhoven einen neuen Vorstopper. Ich schlug unserem damaligen Trainer Kees Rijvers Huub vor. Acht Jahre haben wir anschließend bei der PSV Eindhoven zusammengespielt. Huub hatte ziemlich bald den Ruf weg, ein knochenharter Hund zu sein, mit einer unnachahmlichen Siegermentalität.
Diesen Ruf hat er eigentlich auch immer beibehalten. Aber ich konnte miterleben, wie er sich sehr rasch zu einem intelligenten Fußballspieler entwickelt hat. Und natürlich blieb er immer äußerst leidenschaftlich und damit für alle ein Vorbild. Aber stets galt: Wie weit kann ich gehen, wenn es sein muss? Was ist noch vertretbar?
Zur selben Zeit haben wir uns auch privat näher kennengelernt. Huub und seine Frau Toos und meine Gattin Tineke und ich, zwei junge Familien, beide mit zwei Kindern. Als Profifußballer fragt man sich immer wieder: Und was kommt danach? Bis 1986 war Huub bei der PSV, ich spielte ab 1983 im europäischen Ausland, zuerst bei Thor Waterschei in Belgien und dann beim FC Basel in der Schweiz.
1986 wollte ich aufhören, da bekam ich einen Anruf von Huub: „Adrie, ich werde bei der PSV das Jugendtraining übernehmen. Sie wollen es komplett professionalisieren. Hast du Lust, das gemeinsam mit mir aufzubauen?“ Und ob ich Lust hatte! Das war eine sehr schöne Zeit. Jetzt spielten wir nicht mehr zusammen auf dem Feld, sondern konnten mit einer sehr ähnlichen Spielphilosophie und Auffassung von Nachwuchsarbeit zusammenarbeiten.
Doch dem Profifußball mit seinen Spielen am Samstagabend oder Sonntagnachmittag fühlte sich Huub – das wusste ich – auch weiterhin stark verbunden. Folgerichtig wurde er Anfang 1993 beim Roda JC Kerkrade Cheftrainer der ersten Mannschaft. Das war ein ganz neues Kapitel in seiner Laufbahn.
Ich hatte bei Huub immer den Eindruck, er sei unersättlich darin, stets aufs Neue seine fußballspezifischen und mannschaftsbezogenen Kompetenzen zu verbessern oder zu verfeinern. Selbstlose Schufterei zeichnete ihn aus. Er war hart zu sich selbst, um sich immer höheren Zielen widmen zu können. Diese Qualitäten, verbunden mit einem hervorragenden Organisationstalent, zeigten sich besonders, als er von 1996 bis 2002 Trainer des FC Schalke 04 war. Er war gerade erst dort angekommen, als er sich – da taucht wieder der rote Faden auf – bei mir meldete: „Wir brauchen jemanden für die Talentsuche und jemanden, der schnell mithilft, eine Nachwuchsförderung aufzubauen. Adrie, bist du dabei?“
Schalke ging unter Huub ab wie eine Rakete und erreichte den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte: den Gewinn des UEFA-Pokals, des Vorgängerwettbewerbs der heutigen Europa League. Zwei Jahre nach seinem Weggang wählten die Schalke-Fans Huub zum „Jahrhunderttrainer“, eine bis heute einmalige Anerkennung auf Schalke.
Wenn ich das jetzt so erzähle, bekommt man leicht den Eindruck, das sei alles ganz einfach gewesen, doch das genaue Gegenteil war der Fall. Seine harte Seite sorgte für eindeutige Klarheit und letztlich auch Erfolg. Doch den meisten fiel dabei nicht auf, dass Huub ein sehr sozialer Mensch ist. Wer ihn persönlich kennt und so manches mit ihm erlebt hat, der hat das sofort gespürt.
Dazu fällt mir zum Beispiel ein, wie er mit der Morbus-Crohn-Erkrankung seiner Frau Toos umgegangen ist. 1978, als wir mit der PSV im Halbfinale des UEFA-Pokals in Barcelona spielten, lag sie krank im Hotelzimmer. Huub wäre nie aus Eindhoven weggezogen, sein Zuhause war ihm heilig. Er sorgte dafür, dass dort alles in ruhigen Bahnen verlief, und so war für Toos diese unheilbare Krankheit besser zu ertragen. Bis sie Mitte 2007 plötzlich ins Koma fiel. Wochenlang haben sie um ihr Leben gekämpft, während der Fußball gleichzeitig weiterlaufen musste. Zum Glück wurde bei Toos alles wieder gut. Doch im Nachhinein kann man durchaus sagen: Das war so ziemlich die härteste Prüfung für Huub.
Huub Stevens ist für mich der netteste Mann der Welt. Und ein Mann mit einer unglaublichen Siegermentalität. Seine Karriere als Fußballer und Trainer ist einzigartig. Er schaffte es vom Straßenkicker in Sittard zum Toptrainer in der Bundesliga, und das alles auf seine ganz eigene Art. Dieses Buch erzählt seine bewegte Lebensgeschichte. Viel Freude beim Lesen!
Adrie van Kraaij, Februar 2017
1
DAS PLÖTZLICHE ENDE IN HOFFENHEIM
Die ersten Herzbeschwerden traten bei mir tatsächlich während der Sommerpause 2015 auf, nach meiner Zeit als Trainer beim VfB Stuttgart. Am 9. Mai hatten wir noch drei Spiele vor uns, die wir alle gewinnen mussten, um in der Bundesliga zu bleiben. Stuttgart hatte seit zwei Jahren nicht mehr zwei Spiele hintereinander gewonnen.
Vor dem ersten Spiel, das wir schließlich mit 2:0 gegen Mainz gewannen, fragte ein Arzt den Mannschaftsarzt, ob ich an einer Untersuchung über den Stress von Trainern während eines Bundesligaspiels mitmachen wolle. Ich machte mit.
Am Morgen vor dem Spiel gegen Mainz wurde mir Blut abgenommen und eine Art Korsett mit einem Gerät angelegt. Danach habe ich von denen nichts mehr gehört. Die beiden anderen Spiele, gegen den Hamburger SV und Paderborn, haben wir dann auch noch gewonnen. Wir hatten es also gepackt. Ich hatte keinerlei Beschwerden und fühlte mich ausgezeichnet.
Doch dann rief mich plötzlich der Arzt an: Sie würden noch gerne einen Fahrradtest mit mir machen. „Das hatten wir aber nicht vereinbart“, erwiderte ich. Doch er ließ nicht locker. Es wurde ausgemacht, dass ich den Test im Sankt-Anna-Krankenhaus in Geldrop absolvierte. In den Niederlanden läuft der Test so ab, dass die Belastung bereits nach einer Minute gesteigert wird, doch in Deutschland macht man das erst nach drei Minuten. Wir sollten uns an die deutschen Vorgaben halten. Ich fing also an zu radeln, und nach drei Minuten fragte derjenige, der den Test abnahm, plötzlich: „Haben Sie einen unregelmäßigen Herzschlag?“ „Nein, nein“, sagte ich – und strampelte auf dem Rad weiter. Nach einer Weile durfte ich aufhören und bin nach Hause nach Eindhoven gefahren. Dort war mein Bruder Jan mit seiner Frau zu Besuch.
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