Irene Zoch - Lass niemals den Mut sinken

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Wären nur einzig und allein die Erinnerungen von Irene Zoch an ihren Großvater der Stoff dieses Büchleins, so wäre es eine liebevolle Familiengeschichte geblieben. Aber es ist bei Weitem mehr. Irene Zoch zeichnet das Bild eines dramatischen Jahrhunderts und versteht es dabei, den Leser zu fesseln. Im Mittelpunkt steht einer der unzähligen „kleinen Leute“, die zwei furchtbare Kriege durchlitten und durch ihr Handeln oder Nichthandeln Geschichte mitgeschrieben haben. Alfred Mohr erfuhr Hunger und bittere Armut, kämpfte für seine Rechte als Arbeiter und musste manche Enttäuschung verkraften und mitansehen, wie Hoffnungen scheiterten. Dabei hat er nie den Mut verloren. Eine besondere Erfüllung fand er noch im Alter von 70 Jahren als Mitarbeiter des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. (MARTIN HOLTZHAUER)

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Irene Zoch

LASS NIEMALS

DEN MUT SINKEN

Unterwegs mit meinem Großvater,

einem Leipziger Metallarbeiter und Stadtgeschichtler

Mit Illustrationen von Jörg Zoch

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel Irene Zoch LASS NIEMALS DEN MUT SINKEN Unterwegs mit meinem Großvater, einem Leipziger Metallarbeiter und Stadtgeschichtler Mit Illustrationen von Jörg Zoch Engelsdorfer Verlag Leipzig 2016

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

Prolog PROLOG Bei den Recherchen zu meinem Büchlein „Ma chère Frieda“, mit Illustrationen von Jörg Zoch, bin ich immer wieder auf Erinnerungen an meinen Großvater Alfred Mohr gestoßen. Er war, weil mein Vater aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückgekommen ist, eine wichtige Bezugsperson für mich. Oft habe ich über unser Verhältnis nachgedacht. Darüber, was wir gemeinsam unternommen haben, worüber wir uns unterhalten und auch mal gestritten haben, und was mir mein Großvater auf den Lebensweg mitgegeben hat. Ich schaute mir in letzter Zeit auch eingehender als früher die von meinem Großvater hinterlassenen Fotos, Postkarten, Urkunden, Zeugnisse und das Vortragsmaterial für seine Auftritte als Humorist und Kabarettist an und las zum wiederholten Male seine kurzen schriftlichen „Erinnerungen eines Leipziger Arbeiters“. Als sich dabei Fragen ergaben, die ich nicht beantworten konnte, habe ich mich an Archive gewandt und einschlägige Literatur gelesen. Zu guter Letzt hat mich mein Cousin Ludwig Kühnl bei Fragen zum Ersten Weltkrieg unterstützt. Aus all dem sind schließlich die ‚Gespräche mit meinem Großvater‘ zustande gekommen. Ich habe lange überlegt, ob ich sie öffentlich machen sollte. Da ich aber der Meinung bin, dass sie einen starken Bezug zur Gegenwart haben, habe ich mich entschieden, ein Büchlein daraus zu machen. Die aufgeschriebene Lebensgeschichte ist wahr. Ich leugne jedoch nicht, dass ich auch an manchen Stellen meine Fantasie habe spielen lassen – immer im Kopf, der Wahrheit nahezukommen. IRENE ZOCH, Juni 2016 Mein Großvater Alfred Mohr mit seiner Frau Margarete (1904)

Stadtspaziergang

Schwere Kindheit

Lehrjahre in Leipzig

Als Metallarbeiter in Leipziger Firmen

Als Mechaniker in der Konsumgenossenschaft Leipzig-Plagwitz

Lernen und Unterhaltung im Arbeiterbildungsinstitut Leipzig – Begegnung mit Gustav Hennig

Als Soldat in Frankreich

Zurück aus dem Ersten Weltkrieg

‚Karriere‘ als Humorist und Kabarettist

Die Jahre nach 1933

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei

Treffen am Waldplatz

Als Mitarbeiter des Stadtgeschichtlichen Museums

Verabschiedung in den Ruhestand

Epilog

Anhang

PROLOG

Bei den Recherchen zu meinem Büchlein „Ma chère Frieda“, mit Illustrationen von Jörg Zoch, bin ich immer wieder auf Erinnerungen an meinen Großvater Alfred Mohr gestoßen. Er war, weil mein Vater aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückgekommen ist, eine wichtige Bezugsperson für mich. Oft habe ich über unser Verhältnis nachgedacht. Darüber, was wir gemeinsam unternommen haben, worüber wir uns unterhalten und auch mal gestritten haben, und was mir mein Großvater auf den Lebensweg mitgegeben hat. Ich schaute mir in letzter Zeit auch eingehender als früher die von meinem Großvater hinterlassenen Fotos, Postkarten, Urkunden, Zeugnisse und das Vortragsmaterial für seine Auftritte als Humorist und Kabarettist an und las zum wiederholten Male seine kurzen schriftlichen „Erinnerungen eines Leipziger Arbeiters“.

Als sich dabei Fragen ergaben, die ich nicht beantworten konnte, habe ich mich an Archive gewandt und einschlägige Literatur gelesen. Zu guter Letzt hat mich mein Cousin Ludwig Kühnl bei Fragen zum Ersten Weltkrieg unterstützt.

Aus all dem sind schließlich die ‚Gespräche mit meinem Großvater‘ zustande gekommen. Ich habe lange überlegt, ob ich sie öffentlich machen sollte. Da ich aber der Meinung bin, dass sie einen starken Bezug zur Gegenwart haben, habe ich mich entschieden, ein Büchlein daraus zu machen.

Die aufgeschriebene Lebensgeschichte ist wahr. Ich leugne jedoch nicht, dass ich auch an manchen Stellen meine Fantasie habe spielen lassen – immer im Kopf, der Wahrheit nahezukommen.

IRENE ZOCH, Juni 2016

Mein Großvater Alfred Mohr mit seiner Frau Margarete 1904 Stadtspaziergang - фото 1

Mein Großvater Alfred Mohr mit seiner Frau Margarete (1904)

Stadtspaziergang

An einem sonnigen Märztag des Jahres 1954 bahnen sich mein Großvater und ich – ein vierzehnjähriges Mädchen – den Weg durch die Leipziger Innenstadt. Es ist Frühjahrsmesse. Viele Leipziger sind ins Zentrum gekommen, um ein wenig den Duft der großen weiten Welt zu schnuppern. Aus den Handelshäusern fluten Besucherströme hinein und heraus .In den Cafés und Restaurants findet man kaum einen freien Platz. Großvater und ich kämpfen uns bis zur Hainstraße Nr. 1 am Alten Markt durch. Hier bleibt Großvater stehen. „Lies’ doch mal, was über dem Eingangsportal steht.“ „Barthels Hof“, entziffere ich. „Hier hat man während der Messen, auf denen man früher nur mit Waren gehandelt hat und nicht mit Warenmustern wie heute, Schutz vor Wind und Wetter gefunden“, erzählt mir Großvater .Er ermuntert mich, mit ihm durch eine überbaute Gasse zu gehen, die in einen größeren Platz mündet, der von vierstöckigen Häusern mit hohen Dächern umgeben ist.

„Schau mal, fällt dir da oben an den Häusern etwas Besonderes auf?“

„Meinst du die Kranbalken?“

„Ja, das sind Lastenaufzüge, mit denen die Handelswaren auf die Böden hinaufgezogen worden sind. Und hier im Erdgeschoss waren Kaufkammern, Ställe und Wirtschaftsräume. Im Obergeschoss gab es prachtvolle Wohnungen, Kontore und auch schöne Festsäle. Während der Messe konnte man hier Verkäufern, Käufern, Geldwechslern, Schreibern, neugierigen und feiernden Leuten begegnen. Und da drüben in ‚Barthels Weinschänke‘ hat man abends die gelungenen Messegeschäfte begossen. Du musst dir vorstellen, der Hof war so etwas wie eine Stadt in der Stadt.“

„Großvater, ich fühle mich hier wie in einer Burg.“

„Na, da hast du gar nicht so Unrecht. Goethe, der als Student in Leipzig war, hat davon gesprochen, dass die sechzehn Durchgangshöfe, die es in Leipzig gab, großen Burgen ähneln würden. Aber nun dreh’ dich mal um zur Marktseite. Da siehst du doch den zweistöckigen Erker mit einer goldenen Schlange und einem aufgeschlagenen versteinerten Buch. Die Inschriften kannst du nicht verstehen. Sie sind auf lateinisch, griechisch und hebräisch geschrieben. Eine davon bezieht sich auf eine Stelle im Alten Testament. Sie berichtet von der Wanderung des Volkes Israels durch die Wüste Sinai ins Gelobte Land Kanaan, das auf dem Weg dorthin den Mut verlor, ungeduldig wurde und nörgelte: ,Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt? Wären wir doch dort gestorben!‘ Der Herr schickte Moses daraufhin feurige Schlangen und befahl ihm, eine kupferne Schlange anzufertigen und diese auf eine Signalstange zu hängen. Jeder, der gebissen und zur Schlange aufschauen würde, sollte geheilt werden und den Weg in das Land der Freiheit fortsetzen können. Und weißt du was, der Mann, der dieses Gebäude, vor dem wir stehen, bauen ließ, glaubte fest daran, dass die goldene Schlange, also der göttliche Beistand, auch bei wirtschaftlichen Angelegenheiten nützlich sein könnte. Deshalb ließ er die goldene Schlange an dem Gebäude anbringen.“

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