Hans Leip - Brandung hinter Tahiti

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Der Band versammelt drei Erzählungen Leips um Schifffahrt und Matrosenleben – das große Thema des aus Hamburg gebürtigen Autors. «Der Untergang der Juno» erzählt von Steuermann William Mackay, der mit dem Erlangen des Kapitänspatents zugleich seine große Liebe verliert. «Die Bergung» handelt vom schweren Leben auf dem Hochseeschlepper «Tiger», das für den Kapitän auch eine starke Belastung seiner jungen Ehe bedeutet, und «Die Brandung hinter Tahiti» berichtet davon, wie der Pariser Arzt Dr. Glenn und die bezaubernde junge Lanette dem Südseezauber erliegen – aber auch der Liebe … Hier ist Leip ganz in seinem Element und das spürt der Leser auf jeder Seite!-

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Hans Leip

Brandung hinter Tahiti

Drei Erzählungen

Saga

I. Untergang der Juno

Eine Geschichte aus der Zeit der Ostindischen Compagnie unter Einbeziehung eines Berichtes des britischen Schiffsoffiziers William Mackay

Vorbemerkung

Seit Kindheit ist meine Phantasie mit allem, was Seefahrt heißt, beschäftigt gewesen. Ich bin aufgewachsen in Hamburg, früh vom Allerzonenduft des Hafens gelockt, wo mein Vater tätig war. Mein Ohr war den Reden der Jantjes zugewandt, und mein Herz gehört in seinen geheimsten Augenblicken immer noch dem Meere und seinen Abenteuern. Das Sinnbild des Ewigen, die Brücke zwischen dem Sichtbaren und seiner Deutung, die wandelbare Grenze zwischen Freude und Leid, Liebe und Selbstsucht, Mut und Angst, Vertrauen und Gottverlassenheit, das Ungeheuerliche irdischer, himmelsüberwölbter Landschaft und die Sonderbarkeit jener Kapsel Mensch, die in sich ein Gehirn und ein Herz trägt, das alles ist für mich ohne den Untergrund der großen Gewässer auf dieser schwebenden Kugel weniger reizvoll. Unsere technischen Fortschritte tragen dazu bei, die Welt nahe zusammenzurücken. Die Fremde ist nicht mehr so fremd und das Reisen wer weiß wohin nicht unbedingt ein langer Abschied. Die Raschheit der Verkehrsentwicklung hat viele von uns zu Snobs gemacht, denen jeder Schauer vor Entfernungen fehlt, denen die Unendlichkeit der Meere durchaus weder unendlich noch wunderbar ist.

Das Technische, das vielen das Gemüt verdunkelt, werden wir womöglich verdauen, und der ungelösten Fragen und Abenteuerlichkeiten wird es auch dann noch genug geben, die, nahe besehen, doch nur die alten sind. Denn der Mensch wird sich in seinen innersten Möglichkeiten und Bedürfnissen kaum ändern. Als mir im Britischen Museum ein schmaler Prosaband in die Hand fiel, der übersetzt den Titel hat: »Geschichte vom Schiffbruch der Juno an der Küste von Arracan in Ostindien und wundersame Erhaltung von vierzehn Personen auf dem Wrack ohne Lebensmittel während dreiundzwanzig Tagen, nebst deren schließlicher Rettung, von William Mackay, Leutnant des Schiffes, in einem Schreiben an seinen Vater zu London, 1798«, da fand ich in diesem kleinen, erschütternden Bericht Gesagtes bestätigt. Mich beschäftigte der Vorgang, ich begann, ihn in mir zu verknüpfen mit anderen aus derselben Zeit, die mir bekannt geworden waren, zumal der englische Herausgeber in seinem Vorwort bemerkt, Herr Mackay habe nach jenem Unfall von Kalkutta aus auf einem anderen Schiffe der Ostindischen Compagnie nach Europa angemustert, von wo es mit Truppen nach Westindien ging. Und als ich aufzuschreiben begann, was mich drängte, sah ich vieles sich verdeutlichen, was vorher nur dem, der sich mit jenen verklungenen Tagen beschäftigt hat, zwischen den Zeilen bildhaft werden konnte. Somit wage ich zu hoffen, es möge lesbar geworden sein auch für den Menschen von heute, der ja dem von damals in seinem ungewissen Schweben zwischen Zeit und Überzeitlichkeit, also im Grunde seiner eigenen See und Seele gleich geblieben ist.

H. L.

Die Juno, die Weltlage und ein Truppentransport

Fernes Land, Wunderland,

fremdes süßes Unbekannt ...

Laßt uns wie die Knaben träumen

von den Mammutzauberbäumen!

Die Juno , die neue Juno , um es vorweg zu sagen, war eine schmucke schlanke Bark, dreimastig, Rahsegel vorn und mitten, achtern mit Gaffelsegel. Vor knapp einem Jahr war sie in Kalkutta erbaut worden. Nur die Galionsfigur war von der alten Juno gerettet worden, eine rosa und golden gestrichene Meerjungfrau, und prangte nun am Bug der neuen Juno und war mit ihr auf glücklicher Fahrt frisch von Bengalen um Afrika herum, Biskaya, Kanal und Nordsee durch und elbauf nach Hamburg gelangt, hatte im Jonashafen ihre Ladung aus Teakholz, Seidenschals und Baumwolle gelöscht (dazu eine kleine Kassette Rohdiamanten) und war dann ein wenig stromab unter dem hohen Ufer bei Nienstedten vor Anker gegangen; und das in Charter der großen Überseefirma John Parish. Es war September, und man schrieb das Jahr 1796.

Auch einen Passagier hatte die Juno gehabt, ein deutsches Hausfräulein namens Emma Sanders, das von London, wo es in Stellung gewesen, einem Aufruf der Times gefolgt war und gedacht hatte, sich in Rangun zu verheiraten. Es war mißlungen. Die junge Dame hatte danach den schrecklichen Schiffbruch der alten Juno miterlebt wie Mackay und der Schiffsjunge Jacky Hont (nunmehr Leichtmatrose). Wie diese beiden hatte sie alle Leiden bewundernswert überstanden und war zu ihrem Onkel nach Hamburg zurückgekehrt. William Mackay war jetzt Erster Steuermann auf der neuen Juno . Auf der alten war er noch Zweiter gewesen.

Unweit der Juno ankerten vier weitere Rahsegler, teils unter dänischer, teils unter Hamburger Flagge, ebenfalls von Parish gechartert, alle für englische Rechnung. Der hansische Agent hatte den Käpitänen mitgeteilt, die Fracht werde diesmal in Menschen bestehen, Kurs Westindien.

Denn in Westindien, die Inseln Über und Unter dem Winde auf und ab, war der Teufel los. Frankreich hatte die Trikolore auf Haiti gehißt. Und auf all den angeblich paradiesischen Eilanden brüllten die Farbigen Aufstand und Mord. Das Ziel dort war, Englands Vormundschaft in der fetten Tropenpfründe des Zuckers und Kaffees zu vernichten. Aber Old England ließ sich nicht bange machen. Krieg mit Frankreich, mit Holland, mit Spanien, es war ein Abwaschen und Aufräumen. Noch war die Gelegenheit günstig, noch hatten die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika genug mit sich selber zu tun. Und was je die in Vergangenheit groß gewesenen Seemächte Europas an Kolonien zusammengebracht, jetzt war Gelegenheit für Großbritannien, reinen Tisch zu machen auf der Karte der Welt und sie gründlich zuzudecken mit der viermal blutdurchstrichenen Flagge. In Ostinden war es schon gelungen, auch Ceylon, Malakka, die Molukken und die neuerforschte Südsee waren so gut wie Englands; das Kap der Guten Hoffnung ging wie ein Symbol den Holländern verloren, Gibraltar lag fest in britischer Faust, einen Finger schon legte es auf Malta. Wohl hatte General Napoleon gewagt, Genua, Neapel und Livorno den englischen Kauffahrern und Fregatten zu verschließen. Aber vor Livorno lauerte Kapitän Nelson und sann schon über die Schlachtpläne nach, die später bei Abukir und Trafalgar den letzten Traum einer England ebenbürtigen europäischen Seemacht für lange Zeit vernichten sollten.

In Westindien jedoch stand es wackelig. Barbados, Puertorico, Jamaika, Tabago, Martinique, Essequebo, Demerary, Curaçao, Surinam: kostbare Begriffe des Handels, der Schönheit und der Strategie. Auch Trinidad war da vielleicht zu erben und womöglich das ertragssichere Kuba!

England warb Truppen zusammen aus aller Welt, charterte Schiffe für den Transport unter jeglichem Wimpel, unter dem man Lust hatte, Pfunde zu verdienen.

Und auch im derzeit englischen Lande Hannover erging Marschbefehl an alles, was an Besatzung trotz drohender französischer Verletzung der norddeutschen Neutralität entbehrlich war. Somit rückte eines heiteren Spätsommermorgens auch das Regiment Löwenstein aus, marschierte unter Trommelschlag und Hörnerklang nach Harburg, bootete sich dort in Gemüseewer ein, trieb mit der Ebbe die Süderelbe hinunter, kam hinterm Neßhaken um Finkenwärder herum in die Strombreite und strebte, eine gemächliche, ausgedehnte Flottille unter niedrigen braunen Luggerlappen bei flauem Winde dem holsteinischen Ufer und den wartenden Überseeschiffen zu. Die roten Uniformen leuchteten in der milden Sonne wie reife Kantäpfel.

Finkenwärder Fischer, Bauern vom Alten Lande, ja auch Leute aus Harburg, Hamburg und Altona umkränzten den in dieser Gegend ungewöhnlichen Aufzug mit unterschiedlichen Kähnen.

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