»Viele hier können nur drei Sätze«
Der SV Waldhof 07 ist tief im proletarischen Milieu verwurzelt. Von den Schnöseln im Mannheimer Süden werden die »Barackler« deshalb seit jeher als Schläger und Proleten verspottet. Und darauf sind sie beim Waldhof erst recht stolz
»Werdet doch erst mal mehr«
Sportlich läuft es bestens in Aalen, auch das Stadion ist fast schon zweitligatauglich. Nur die Fans fühlen sich nicht ernst genommen, dem überschaubaren Grüppchen fehlt die Lobby
Die Düngefabrik
Ralf Rangnick zitiert gerne ein chinesisches Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Dann ergänzt er: Aber man kann es gießen und düngen. Mit dieser Devise passt Rangnick optimal zur TSG Hoffenheim. Denn deren Boss Dietmar Hopp gießt und düngt in einer Größenordnung, die alles in Deutschland je Dagewesene in den Schatten stellt. Die TSG Hoffenheim ist auf dem besten Weg, vom beschaulichen Dorfklub zum meistgehassten Verein der Republik zu werden. Zu Unrecht
Die Szene rockt weiter
Die Fans von Göttingen 05 zählen traditionell zu den kreativsten der Republik. Das gilt auch weiterhin. Dass es Göttingen 05 eigentlich gar nicht mehr gibt, hat die Fanszene nicht aus dem Konzept gebracht
Im Hinterzimmer
Der FFC war bis in 1990er Jahre Freiburgs populärster Klub. Doch spätestens nach dem Abstieg aus der zweiten Liga fiel der Verein nur noch durch Dilettantismus und zügellose Arroganz auf. Nach Jahren der Agonie will man nun einen Neustart wagen. Ein Anfang scheint gemacht: Selbst hauptberufliche SC-Fans schauen neuerdings wieder beim Deutschen Meister von 1907 vorbei
Urlaub in Straelen
Mit viel Engagement und einem Kompagnon hat Peter Wingen eine Internetseite geschaffen, die bevorzugtes Informationsmedium für all diejenigen ist, die finden, dass Fußball mehr ist als das, was Premiere zeigt. In der Oberliga Nordrhein freuen sich 17 von 18 Vereinen, wenn Peter Wingen über ihr Spiel berichtet. Nur bei seinem früheren Lieblingsverein, dem großbürgerlichen ETB Schwarz-Weiß Essen, hat er Stadionverbot
»Deutscher Meister wird nur der HFC«
Der Hanauer FC, Hessens ältester Fußballverein, lag am Boden, als Thomas Tamberg und sein Team den Klub übernahmen. Mit seinem Enthusiasmus und Engagement brachte er den Verein wieder nach vorne. Neue Spieler, neue Sponsoren, das nachgeholte Endspiel um die Deutsche Meisterschaft – es tat sich wieder was beim HFC. Doch ein Fußballverein wäre kein Verein, wenn es in ihm nicht primär um persönliche Eitelkeiten und kleinkarierte Intrigen ginge. Thomas Tamberg ist mittlerweile zurückgetreten
Literatur
Fotonachweis
Zum Autor
Danksagung
Von der „Deutschen Akademie für Fußballkultur”
als Fußballbuch des Jahres 2008 ausgezeichnet.
www.fussball-kultur.org

Vorwort
Wer sich bei 35° Grad vor den Fernseher setzt, um sich samstags die Bundesliga-Konferenz anzuschauen, bewegt sich im gesellschaftlichen Mainstream. Wer hingegen – wie einer der Protagonisten in diesem Buch – schon unzählige Male in Homberg und Straelen war, aber erst ein einziges Mal auf Schalke, muss sich manch kritischer Frage nach seinem Geisteszustand erwehren. Genau wie der Bayreuther, der lieber zum Verein um die Ecke als zu den Münchner Bayern geht. Und nur deshalb weiß, dass das wahrscheinlich einzige, ganz sicher aber einzigartige Fanmuseum der Republik weder in München noch in Hamburg steht.
Auch als freier Journalist merkt man schnell, dass man mit Themenangeboten aus den Ligen drei bis fünf in den Redaktionen der Republik vieles ernten kann – nur keinen Auftrag. Und vielleicht haben die Sportchefs sogar Recht: Das Gros der Leser interessiert wahrscheinlich der 323. Artikel über Bayern München oder Werder Bremen mehr als der erste überregionale über den Halleschen FC oder Altona 93. Also verbringt man die Wochenenden in den Irgendwas-Arenen oder Something-Domes der Republik. Man kann zugegebenermaßen auf unangenehmere Art und Weise seine Brötchen verdienen. Doch lustigerweise erzählen viele Kollegen, wenn die Laptops am Samstag zwischen 18 und 19 Uhr runtergefahren sind, sie würden die Bratwurst zum Brötchen auch gerne mal wieder auf einem Stehplatz in die Pflicht nehmen. Mit einem Bier in der anderen Hand. In einem richtigen Stadion. »So wie früher eben«.
In der Tat gibt es ungeheuer viel zu erzählen aus den Stadien, in denen alles eine Nummer kleiner ist. Wie bei Schwarz-Weiß Essen, wo schon eine Handvoll Fans schwere Verwerfungen im Gesamtverein auslösen können. Oder wie bei Altona 93, wo ein Fan die Zuschauerzahl seines Vereins verdoppelte. Und da wäre natürlich der Wahnwitzige, der eine gut dotierte Stelle aufgab, um ehrenamtlich den Vollzeit-Präsidentenjob bei seinem Herzensklub anzunehmen. Und die 85-Jährige, die lieber vier Tage in der Woche mit dem Halleschen FC verbringt als sich auch nur an einem einzigen mit Gleichaltrigen über deren Zipperlein zu unterhalten. Und natürlich gibt es den Vereinsmitarbeiter, der schon als Kind 1.000 Kilometer zum Heimspiel und wieder zurück fuhr und heute geradezu stolz das Alleinstellungsmerkmal seines Vereins präsentiert: »Das hier ist richtig Scheiße!«
So habe ich mich auf die Reise durch die fußballerischen Niederungen der Republik gemacht. Manchen Verein habe ich auch deshalb besucht, weil zu befürchten steht, dass es ihm schon bald so gehen wird wie der Brauerei um die Ecke. Über 100 Jahre nach der Gründung dürften mancherorts bald die Lichter ausgehen – auch weil das Publikum scheinbar nur noch das schätzt, was es täglich im Fernsehen sieht.
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist keine sozialromantische »Wir da unten, ihr da oben«-Lyrik. Das Gros der Verbandsligaspieler spielt eben in der Verbandsliga, weil es für die Bundesliga nicht gereicht hat. Und einen Dietmar Hopp hätten sie auch in Leipzig oder Darmstadt gerne. In den unteren Ligen agieren nicht die besseren Menschen – nur die weniger erfolgreichen. Aber dort spielen sich auf den Rängen, auf dem Platz und hinter den Kulissen die Geschichten ab, die den Fußball liebenswert machen.
Freiburg, im Frühjahr 2008 |
Christoph Ruf |
»So ein geiler Verein – warum merkt das nur keiner?«
Wer einmal im Fanmuseum der Spielvereinigung Bayreuth war, vergisst schon bald, dass die Vereinsfarben Schwarz und Gelb gemeinhin mit einem Bundesligisten aus dem Ruhrgebiet verbunden werden. Und das nicht nur wegen einer Spielerattrappe, für die ein Fan eine Brusthaarspende leistete.
Vereine wie die Spielvereinigung Bayreuth sind ein wenig wie Michael Dukakis – man verbindet vage Erinnerungen mit dem Namen, nur absolute Fachidioten wissen hingegen Genaueres. Dukakis, war das nicht irgendein US-Politiker? Spielvereinigung Bayreuth, haben die nicht auch mal höher gespielt? Richtig, die Gelb-Schwarzen haben wirklich zwölf lange Jahre in der zweiten Liga gekickt, ehe sie 1990 aus dem bezahlten Fußball und damit aus dem öffentlichen Bewusstsein ent schwanden. Und Dukakis war der Gegenkandidat von George Bush senior im 1988er Präsidentschaftswahlkampf. Doch uns sollen hier nicht die Dinge interessieren, die über Google herauszufi nden sind.
Читать дальше