»Ich bin in keiner Position, Ihre Motivation zu beurteilen, vor allem, weil ich nicht weiß, ob Sie mich belügen.«
»Gut, das stimmt. Ich kann Ihnen ja alles Mögliche erzählen. Ich respektiere Ihre Einstellung. Aber nehmen wir an, ich würde die Wahrheit sprechen. Wäre das schlecht?«
Metellus überlegte einen Moment, ob und wie er auf diese Frage antworten sollte. Jin langweilte sich vielleicht und genoss das Gespräch oder er versuchte, in seinen Kopf zu kommen, in ihm den Gedanken zu säen, dass dieser Mann aus Baekye ehrlich sei und dass man ihm zuhören solle. Es gab nur eine Methode, um aus dem Dilemma zu entkommen. Nein, korrigierte er sich: Es gab eigentlich zwei. Da eine der beiden darin bestand, Jin in diesem Moment die Kehle zu durchschneiden, musste er sie aus übergeordneter Verantwortung heraus leider verwerfen. Blieb die zweite.
Er drehte sich um und ging. Ohne ein weiteres Wort, ohne einen Blick zurück. Vielleicht war das ein Sieg für Jin, vielleicht auch nicht. Es war im Grunde egal. Metellus’ Neugierde war nicht befriedigt worden, vielleicht war diese Absicht auch zu naiv gewesen.
Draußen angekommen, atmete er tief ein. Er war für diese Art von Arbeit nicht geschaffen, dieses Fechten mit Worten, mit offensichtlichen und implizierten Aussagen, mit Andeutungen, tieferem Sinn, Täuschungen, dem Vagen, dem Verschleierten, dem Unausgesprochenen. Er mochte es, wenn die Menschen sagten, was sie meinten, und meinten, was sie sagten. Damit konnte er umgehen. Er konnte für etwas sein, gegen etwas oder es war ihm egal. Aber dieses Schweben in einem ständigen Zustand der Ungewissheit darüber, was nun war und was nicht, das ging ihm gehörig gegen den Strich. Er war Soldat. Er war ein intelligenter Mann, bei aller Bescheidenheit. Er wusste, wie wichtig gute Informationen waren, wie entscheidend für jeden Kriegsverlauf. Aber er war offenbar nicht die geeignete Person, solche Informationen zu erlangen, ohne dabei dem Gesprächspartner die Nägel aus den Fingern zu reißen.
Das war gut. Es half, die eigenen Begrenzungen zu verstehen.
Es half ihm auch einzusehen, dass er niemals Wunschdenken und Realität miteinander verwechseln durfte. Er wollte, dass Jin ein genuiner Überläufer war, jemand, der ihnen richtig half und dem Gegner dadurch mächtig eins reinwürgte. Er wollte es mit jeder Faser seines Körpers.
Aber es konnte durchaus sein, dass die Wahrheit sich nicht an seinem Wollen orientierte.
»Zenturio. Wir haben den Wagen für den Gefangenen vorbereitet.« Metellus war dankbar für die Abwechslung und er war verwundert. Dafür war es doch noch viel zu früh!
Er folgte dem Soldaten, der ihn zu den Stallungen führte, bescheiden, wie sie waren. Einer der Transportwagen war umgebaut worden, mit einer überdachten Sitzbank aus stabilem Holz, fest miteinander verschraubt, und der Möglichkeit, einen Gefangenen an eingelassenen Eisenringen anzuketten. Auch sonst bot der Wagen ausreichend Platz, vor allem konnte sich jemand auf die hinterste Bank legen, wenn es nötig sein sollte. Es war so ziemlich das Komfortabelste, was sie aufweisen konnten, um zur Bahnstrecke zu gelangen und von dort aus einen Zug zu nehmen, der ihre Reisegeschwindigkeit und den Komfort noch einmal erhöhen würde.
»Das ist ja lobenswert, aber Pāygān-sālār Jawed ist noch nicht in der Lage zu reisen«, sagte Metellus zu dem Mann, den sie als Kutscher auserkoren hatten.
»Er sagte mir gerade, ich solle den Wagen bereit machen«, erwiderte der etwas ratlos wirkende Soldat. Metellus beherrschte sich. Vor einem Untergebenen zu zeigen, dass er eine Entscheidung des Kommandanten für blödsinnig und ihn selbst für einen leichtsinnigen Idioten hielt, würde die Autorität untergraben und ein schlechtes Licht auf den Römer werfen.
»Danke, ich rede mit ihm. Gewiss ein Missverständnis.« Er nickte dem Soldaten zu, der sich verneigte und die Sache auf sich beruhen ließ.
Metellus wandte sich ab. Es war wohl notwendig, das Krankenlager ein zweites Mal aufzusuchen.
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